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"Die Welt in Flammen – Basel strotzt vor Energie"
Am Neujahrs-Empfang der Basler Regierung machte Regierungspräsident Guy Morin heute Montagabend 550 Repräsentanten aus Politik und Wirtschaft Mut – mit einer prononciert grünen Rede.
Basel, 4. Januar 2016
"Basel geht es gut, die Arbeitsplätze nehmen zu, die Bevölkerung wächst", sagte Morin in seinem Votum im "Volkshaus" über diesen "diesem wunderbaren, vor Energie und Wirtschaftskraft strotzenden Kanton". Der Regierungspräsident spannte den Bogen von Basels Präsenz an internationalen Konferenzen über Klimagipfel bis hin zum Terrorismus in einer "Welt in Flammen".
Bezug nehmend auf die jüngsten Anschläge in Paris mahnte er aber: "Was wir bei all der Grausamkeit dieses Terroraktes im Namen einer Religion unter keinen Umständen zulassen dürfen ist: Angst, die lähmt."
Was ist eine "Popelstadt"?
Weiter ging der Vorsteher des Präsidialdepartements auf die wichtige Rolle der Städte bei der Lösung der wichtigsten "Probleme der modernen Welt" ein. "Nichts anfangen" kann Morin denn auch mit der Behauptung, Basel sei "eine Provinzstadt", oder gar eine "Popelstadt", wobei er dieses wenig schmeichelhafte Prädikat mit "armselig, schäbig, ganz gewöhnlich" umschrieb. (Uns hätte interessiert, welcher Urheber diese Popel-Formulierung für Basel zur Anwendung gebracht hat.)
"Sind wir so vernachlässigbar klein und unbedeutend, dass grosse Lifescience-Firmen einfach weil's so lauschig ist, bei uns bleiben und ausbauen, Milliarden in diesen Kanton stecken?", fragte der Politiker ironisch, um gleich die gegenteilige Antwort zu liefern: "Hören wir doch auf mit den Verkleinerungen, sondern gehen wir die realen Aufgaben, die sich uns zahlreich stellen, mit Entschlossenheit und selbstbewusst an." Basel habe Grund, "stolz auf das Erreichte und den äusserst gesunden Finanzhaushalt" zu sein.
Basel-Stadt "in einem erfreulichen Hoch"
Der Kanton biete gute Arbeitsplätze und eine ausgezeichnete Lebensqualität – fuhr der Sprecher fort –, investiere in Bildung, Kultur, Innovation und in die Wirtschaft. Auch habe der Kanton die Umsetzung der Frauenquote in Angriff genommen, er gebe gratis Deutschkurse für alle Migrantinnen und Migranten, baue den ÖV kontinuierlich aus und entlaste damit die Innenstadt vom Verkehr. Die Stadt ist als Lebensraum beliebt wie lange nicht mehr. Im letzten Jahr seien "diese Lebenslust und das pulsierende Stadtleben" im Sommer bestens zu spüren gewesen – "und zwar bis hinunter zum Hafen". Morin: "Wir befinden uns in einem erfreulichen Hoch."
Allerdings drückte der Basler Repräsentant auch sein Bedauern darüber aus, dass die meisten Wohnbauprojekte kontrovers sind, weil sich die verschiedenen Interessensgruppen nicht einigen können. Zum Schluss seines Votums ging Morin auf die "boomende trinationale Region" ein.
Gäste aus der Nachbarschaft
Deren Infrastruktur für Verkehr, Bildung und Gesundheitsversorgung – so Morin weiter – könne "nur gemeinsam entwickelt und gestaltet werden". Als Beispiel solcher Kooperationen nannte er das Herzstück der Regio-S-Bahn, einen trimodalen Containerterminal Basel-Nord, die Tramlinie 3 nach St. Louis, einen Schienenanschluss zum EuroAirport, den Betrieb der gemeinsamen Universität, des Innovationsparks und des Tropeninstituts sowie der Gesundheitspolitik. Dann stiess Morin auf ein erfolgreiches 2016 an – mit kristallklarem Mineralwasser.
Zu Beginn begrüsste die Basler Regierung in corpore die geladenen Gäste, unter ihnen auch den Baselbieter Regierungspräsidenten Anton Lauber und Bildungsdirektorin Monica Gschwind sowie politische Exponenten aus der badischen und elsässischen Nachbarschaft.
Im Small Talk aufgeschnappt
Für Medienschaffende ist es immer auch lohnenswert, die Ohren im Small Talk steif zu halten. So werfen die Basler Wahlen vom Herbst ihre Schatten voraus. Einige fragten sich, ob sich Guy Morin mit seiner Erfolgsbilanz eventuell doch noch – und entgegen verschiedenen Gerüchten – für eine erneute Kandidatur empfohlen hat. Aus freisinniger Quelle war zu erfahren, dass die Partei vermutlich das Referendum ergreifen wird, falls der Grosse Rat kommenden Mittwoch dem Neubau für das Amt für Umwelt und Energie zustimmen wird.
"Provinziell wäre höchstens ..."
Basel eine "Popelstadt" oder "Provinzstadt"? Empfinde ich überhaupt nicht so, weil sonst könnte ich hier nicht leben. Mir gefällt es in Basel ausgesprochen gut. Stammt diese Bezeichnung von Baslern selbst – oder kommt sie von ausserhalb? Nun gut, Zürich hat den Vorteil, seine gefühlten 100 Vorortsgemeinden in die Stadt eingemeindet zu haben. Auch liegt es generell in der Natur der Bewohner dieser Stadt am See, sich grösser zu erleben, als man wirklich ist. Dies im Gegensatz zu Basel, das, zumindest früher noch, oder eben vielleicht auch jetzt wieder, sich selbst gerne dann und wann kleinredet. Dabei ist Basel (wirklich) "nur" Kernstadt, nämlich Kernstadt einer fast 1 Mio.-Agglomeration.
Man stelle sich vor, nur schon Allschwil oder Muttenz oder Binningen, die mit Basel nicht nur geographisch, sondern auch kulturell, wirtschaftlich eng zusammengewachsen sind, wären politischer Teil der Stadt Basel.
Wo ich selber Basel einen "provinziellen" Zug zuschreiben würde, ist höchstens, dass es zum Beispiel bei Abstimmungen wie "Überbauung Basel Ost" gegen seine eigenen Interessen stimmt. Oder Gefahr läuft, das Potential einer Klybeck-Insel-Überbauung gänzlich aus der Hand zu geben. Oder dass es sich nicht daran stört, als zweitgrösste Agglomeration und Wirtschaftskraft des Landes kein eigenes SFR-Fernsehen zu besitzen. Auch dass sich, wie oben erwähnt, die mit Basel zusammengewachsenen Vorortsgemeinden politisch nicht mit Basel vereinen wollen.
"Provinziell" fände ich es auch, wenn das "Herzstück" der Basler S-Bahn vom Bund nicht genehmigt würde, dafür aber in Zürich (oder auch an anderen Orten) umso mehr weiter an der Bahninfrastruktur geklotzt werden kann.
Pirmin A. Breig, Basel
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