FCB distanziert sich von Zürcher Verhaftungs-Aktion
Basel, 6. Dezember 2004
Der gesamte FC Basel - vom Vorstand bis zu den Spielern - distanziert sich von der Polizeiaktion im Bahnhof Zürich-Altstetten, bei der gestern Sonntag im Vorfeld des Meisterschaftsspiels Grasshoppers-FCB der SBB-Extrazug gestoppt und die 427 Insassen dieses Zuges vorübergehend in Gewahrsam genommen wurden. Insbesondere verurteilt der FCB in einem heute Montagnachmittag veröffentlichten Communiqué, "dass dabei nachweislich auch unbescholtene FCB-Fans, die ahnungslos den Extrazug gewählt oder von der Polizei bereits bei der Abfahrt in Basel in diesen Extrazug geführt wurden, in Zürich-Altstetten in Gewahrsam genommen, gefesselt abgeführt und teilweise bis weit nach Mitternacht festgehalten wurden, ohne dass ihnen vor der Befragung durch die Polizei die Möglichkeit der Kontaktnahme nach aussen eingeräumt wurde". Aufgrund zahlreicher Rückmeldungen von vertrauenswürdigen, dem FCB bekannten Fans, darunter auch von verschiedenen Elternteilen, müssen sich unter den Festgenommenen auch Kinder, Minderjährige oder unbescholtene Familienväter befunden haben.
Wie der FCB weiter schreibt, habe er "zur Kenntnis genommen, dass in Zürich-Altstetten bereits bei der Einfahrt des SBB-Extrazuges Medien anwesend waren". Der Club befürchte, dass der von der Polizei Zürich gewählte Weg "nicht zu einer dringend wünschenswerten Deseskalation führt, sondern zu einer Verhärtung der Fronten, was wiederum die anhaltenden Bemühungen auch des FCB um eine Linderung des Gewaltproblems im Schweizer Fussball durch integrative und repressive Massnahmen erschweren könnte". Personen, die im Rahmen der gestrigen Polizeiaktion als Insassen des SBB-Extrazuges im Bahnhof Zürich-Altstetten "nachweislich ohne Verstoss gegen die Regeln der guten Ordnung und gegen die Gesetze Schaden erlitten haben", bietet der FCB an, sich bei der Geschäftsstelle "nach der Möglichkeit um Unterstützung" zu erkundigen.
Der FCB hält aber auch fest, dass er "alle legalen und legitimen Massnahmen begrüsst, die gezielt und differenziert das Problem des Vandalismus und der Gewalt im Fussball angehen".
"Solche Polizeiaktionen schüren nur Eskalationen"
Wer solche Polizeiaktionen plant und durchsetzt, muss sich nicht wundern, wenn nachher die Gewalt an allen Ecken und Enden eskaliert. Euphorische Erwachsene, Jugendliche und Kinder präventiv abführen, wie wenn sie zu einer Schlägertruppe gehörten, wäre in Basel und ist in Zürich-Altstetten daneben. Zukünftig wird sicher niemand mehr in den Fussballmatch-Extrazug steigen. 427 Untersuchte, eine Person hat gegen die Beamten gedroht, eine Person hat die Amtshandlung behindert. Grandioses Resultat! Man will oder kann nicht einmal exakt mitteilen, bei wie wielen Personen verbotene Gegenstände gefunden wurden. Man macht einen ganzen Extrazug zu "bewaffneten" Fans. Mit dieser Polizeiaktion wurde wirklich ein Zeichen gesetzt - ein Zeichen der Masslosigkeit.
Eric Nussbaumer, Frenkendorf
"Die Querulanten dort treffen, wo es weh tut"
Was wir Basler nicht vergessen sollten, ist, dass die Querulanten unter den Fans gerade in der scheinbaren Anonymität der Auswärtsspiele mit einer erschreckenden Selbstverständlichkeit für enorme Sachschäden und, was viel schwerer wiegt, verletzte Polizeibeamte verantwortlich sind. Auch ist es leider keine Seltenheit, dass, einmal von der Gruppendynamik mitgerissen, auch mitangereiste Familienväter an vorderster 'Front' zu finden sind. Dass es nach der Aktion vom Sonntag zu keinerlei Ausschreitungen - was in Anbetracht des zur Zeit stattfindenden Weihnachtsmarktes verheerend gewesen wäre - gekommen ist, ist ein Zeichen dafür, dass die Polizei sicherlich ihr Möglichstes getan hat, differenziert vorzugehen.
Nichtsdestotrotz vertrete auch ich die Meinung, dass der Einsatz den Grundsatz der Verhältnismässigkeit arg strapaziert hat und sich langfristig auch kontraproduktiv auswirken wird. Mit Repression ist gewaltbereiten Fans auf lange Sicht kaum Herr zu werden. Vielmehr besteht von Seiten des SFV Handlungsbedarf, hätte dieser doch die Möglichkeit, die Querulanten dort zu treffen, wo es weh tut. Dabei ziehe ich von Geisterspielen über Geldbussen bis zu Punkteabzügen für den verantwortlichen Verein alle Möglichkeiten in Betracht. Auch muss die bisher nur halbherzig und deshalb erfolglos praktizierte Fanarbeit schweizweit ausgebaut werden.
Was mich an den Ereignissen vom Sonntag zudem stört, ist, dass auch unbescholtenen Fans der Zutritt zu Linienzügen verwehrt wurde und damit gar keine Möglichkeit bestand, sich von gewaltbereiten Gruppierungen zu distanzieren. Auch würde mich interessieren, auf welcher rechtlichen Grundlage die Weisung, dass FCB-Fans trotz regulär erworbenem Einzelticket - wohlgemerkt kein Kombiticket - lediglich den Extrazug nutzen dürfen, basiert. Von Bekleidungsvorschriften auf Linienzügen ist mir zumindest nichts bekannt.
Tommy Frey, Basel
"Der FCB verharmlost Ausschreitungen seit Jahren"
Man reibt sich ungläubig die Augen: Während zu den massiven gewalttätigen und verbalen Ausschreitungen sogenannter "FCB-Fans" seit Jahren von offizieller Seite nur Beschwichtigungen und Verharmlosungen zu vernehmen sind, wird nun als Reaktion auf den Einsatz der Zürcher Polizei die grosse Empörungskeule hervor geholt. Bisher äusserst zurückhaltende Verantwortliche (von den Spielern über den Trainer bis zum Vorstand) finden plötzlich markige Worte; nicht gegen Chaoten und Randalierer, sondern vor allem gegen die (neue) Strategie der Polizeikräfte. Offenbar haben in der FCB-Spitze mit über 30-jähriger Verspätung die 68-iger die Macht übernommen. In Erinnerung sind noch die Worte von Murat Yakin, der die brutalen Ausschreitungen nach dem Match gegen den FCZ folgendermassen kommentierte: "Wenn die Fans Krawall machen wollen, sollen sie. Das ist nicht unser Thema. Und überhaupt, es blieb ja noch im Rahmen." (TeleZüri) Auf so viel Verständnis dürfen die staatlichen Vertreter von Ruhe und Ordnung bei der FCB-Führung natürlich nicht hoffen.
Roland Stark, Basel
"Zürcher Polizei hat sich selbst in den Fuss geschossen"
Die Zürcher Polizei hat sich selbst einen Bärendienst erwiesen. Folge dieser unüberlegten Aktion dürfte ja in Zukunft sein, dass insbesondere die Randalierer (aber auch viele anständige FCB-Fans) sich wohl hüten werden, jemals wieder einen FCB-Extrazug zu benutzen. Mit der individuellen Anfahrt wird aber genau das Gegenteil von dem erreicht, was in Sachen Kontrolle und Prävention sinnvoll und richtig ist: Speziell die Randalierer konzentriert im Auge zu behalten. Fazit: Gerade die Zürcher Polizei hat sich mit ihrer Aktion selbst in den Fuss "geschossen".
Edi Borer, Basel