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"Laute Oberbaselbieter": Nein-Propaganda in Gelterkinden
Wiedervereinigung von Basel-Stadt mit Baselland erneut gescheitert
Das Baselbiet verwirft die Kantonsfusion 2014 noch deutlicher als 1969 / Lustloses Fusions-Ja in Basel-Stadt
Von Peter Knechtli
Basel-Stadt und das Baselbiet bleiben auch in weiterer Zukunft zwei getrennte Kantone: Eine Wiedervereinigung der beiden Bruderkantone ist dieses Wochenende am Widerstand von Baselland mit einer Deutlichkeit sondergleichen gescheitert. Das blasse Ja des Stadtkantons bleibt damit folgenlos.
Schon das Ergebnis der brieflich Stimmenden liess für die Fusions-Befürworter nichts erwarten. Als dann auch die ersten grossen Gemeinden des Unterbaselbiets gleich reihenweise mit ablehnenden Ergebnissen dem klaren Widerstand der Oberbaselbieter Gemeinden folgten, stand es fest: Mit einer Nein-Mehrheit von 68,3 Prozent schmetterte das Baselbiet die Wiedervereinigung vom Tisch. Im Foyer des Landratssaals sangen die feiernden Gegner das "Baselbieterlied".
Keine einzige der 86 Gemeinden stimmte der Fusion zu – auch nicht die Wohngemeinden der Fusions-Exponenten. 30'436 Stimmende votieren Ja, 65'675 verwarfen die Vorlage, bei der es sich formell um einen Gegenvorschlag zur zurückgezogenen Fusions-Initiative handelte.
Liedertswil: 90 Nein, 4 Ja – BS lustlos
Mit einer Nein-Mehrheit von über 83 Prozent markierte der Bezirk Waldenburg die deutlichste Ablehnung, gefolgt von den Bezirken Sissach (81 Prozent), Liestal (73 Prozent), Laufen (67 Prozent) und Arlesheim ( 61 Prozent). Als Basel-kritischste Gemeinde entpuppte sich Liedertswil ("Tschoppenhof") mit einer Nein-Mehrheit von fast 96 Prozent: 90 Stimmbürger stimmten Nein, nur gerade vier legten ein Ja in die Urne. Selbst im Agglomerationsbezirk Arlesheim lagen die Nein-Mehrheiten zwischen 56 und knapp 68 Prozent.
Der Kanton Basel-Stadt stimmte erwartungsgemäss für die Wiedervereinigung – aber doch offensichtlich lustlos: Die Fusions-Vorlage erreichte gerade mal eine Ja-Mehrheit von 55 Prozent.
Zeichen stehen auf verstärkter Zusammenarbeit
Ein so deutliches Resultat hat der Baselbieter Finanzdirektor Anton Lauber (CVP), der selbst ein Nein einlegte und "immer von einem Nein" ausging, nicht erwartet. Er ist froh, dass sowohl das Untere wie das Obere Baselbiet ablehnend votiert und damit eine "einheitliche Position" im Landkanton abgegeben haben. Dieses "klare Verdikt" bedeute "keine ablehnende Grundhaltung gegen Basel-Stadt", vielmehr sei es als Auftrag zu verstehen, dass das Baselbiet eine "vertiefte Partnerschaft mit Basel-Stadt vorantreiben" soll.
Baselland – so Lauber weiter – habe "recht gesundes Selbstvertrauen" gezeigt, weil der Kanton "keine geografischen Bruchstellen" die Abstimmung getrübt hätten. Damit sei eine Wiedervereinigung "kein Thema mehr". Dagegen will er in seinen ausserregionalen Kontakten als "Botschafter der Regionen" auftreten. Konkret sieht Lauber eine "verstärkte Zusammenarbeit in den bestehenden Strukturen ohne Gebiets-Veränderungen" – beispielsweise in Form von gemeinsamen Konferenzen oder in der überkantonalen Planung von Infrastruktur und Verkehr.
Enttäuschte Fusions-Freunde
Den Anhängerinnen und Anhängern einer Wiedervereinigung stand die Enttäuschung bei Bekanntgabe der Ergebnisse im Liestaler Regierungsgebäude ins Gesicht geschrieben. Ein "so deutliches Nein" hätte CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, deren Wohngemeinde Biel-Benken über 60 Prozent Nein-Stimmen ablieferten, nicht erwartet. Drei Effekte hätten sich in der ablehnenden Haltung des Volks kumuliert: Die "lauten Oberbaselbieter" ("mir wei nüt"), das scheinheilige Gegenargument, es müsste "in grossen Dimensionen gedacht werden", und der Einfluss der geschlossen kritischen Haltung des Oberbaselbiets und der Regierungsmehrheit.
Die Stimmbeteiligung von gerade mal 52,2 Prozent bezeichnete Elisabeth Schneider-Schneiter gegenüber OnlineReports als "bedenklich". Die Bundespolitikerin, führendes Sprachrohr der Fusionsfreunde glaubt, dass der Verein "Ein Basel" nun bei einem Nachtessen aufgelöst werde, und dass die Wiedervereinigung nun für die Dauer von mindestens einer Generation nicht mehr spruchreif sei. Als einen "Teilerfolg" nahm die Volksvertreterin in Anspruch, mit der Fusions-Initiative der Regierung ein klares Bekenntnis zur Partnerschaft abgerungen zu haben.
Auch Regierungspräsident ist Verlierer
"Überraschend klar" ist das Ergebnis auch für den Baselbieter Regierungspräsidenten Isaac Reber. Der grüne Sissacher Politiker hört zur Minderheit in der fünfköpfigen Regierung, die eine "Prüfung" der Fusion befürwortete. Es sei aber "gut für den Kanton, dass die Ablehnung so einheitlich ist". Dies belege, dass die Gegensätzlichkeiten zwischen dem eher städtischen Unterbaselbiet und dem ländlichen Oberbaselbiet "kleiner sind als man meint". Reber räumt ein: "Das Thema Kantonsfusion ist bei den Leuten nie richtig angekommen. Die Diskussion blieb abstrakt und das Fusions-Motiv war nicht plausibel."
Auch Reber ist der Meinung, dass die Wiedervereinigung als politisches Thema nun vom Tisch sei. "Es müsste schon etwas Fundamentales geschehen, damit es wieder aufs Tapet kommt – beispielsweise, wenn es dem Baselbiet plötzlich schlecht gehe, oder wenn ein gesamtschweizerische Gebietsreform zur Diskussion stünde."
Als einen "Schlag" mag Reber die Niederlage nicht empfinden. "Dazu bin ich ein zu guter Demokrat." Im klaren Baselbieter Nein sieht er aber ein "Mandat,die Partnerschaft weiter zu entwickeln und zu vertiefen". Bereits treffen sich die Regierungen beider Basel mit den Bundesabgeordneten aus beiden Kantonen zu "Sessionsgesprächen". Weiter möchte Reber - im Gegensatz zu Lauber – aber nicht gehen: "Es käme mir nicht im Traum in den Sinn, in der Schweiz für Reginalkonferenzen zu missionieren."
Immer wieder neue Anläufe
Die Wiedervereinigung der beiden Basel war schon hundert Jahre nach der gewaltsamen Trennung von 1833 wieder ein Thema: 1938 nahmen die beiden Basel einen Wiedervereinigungsartikel in ihre Kantonsverfassungen auf. Doch zur tatsächlich vollzogenen Vereinigung kam es nie – unter anderem, weil die Eidgenössischen Räte die Änderung der Bundesverfassung gegen den Antrag des Bundesrates nicht gewährleisteten.
Am 7. Dezember 1969 hatte das Stimmvolk in Basel-Stadt und Baselland nach einem äusserst leidenschaftlichen Abstimmungskampf erneut Gelegenheit, an der Urne über die Renaissance des Kantons Basel zu entscheiden. Unter den vier Vorlagen, die zum Entscheid anstanden, ging es um die künftige Verfassung und die Hauptzüge der Gesetzgebung des vereinigten Kantons. In Basel-Stadt stimmten mit 65,5 Prozent zwei Drittel der Urnengänger zu, doch das Baselbiet setzte dem Wiedervereinigungs-Traum mit einem Nein-Stimmen-Anteil von 59 Prozent ein abruptes Ende.
Der Partnerschafts-Artikel von 1971
Nun wurden die Wiedervereinigungs-Gegner des "Überparteilichen Komitees für die Zusammenarbeit der Kantone" mit einer Volksinitiative aktiv. Stossrichtung: Ein Partnerschafts-Artikel in der Kantonsverfassung soll das Baselbiet einerseits zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit seinen Nachbarkantonen verpflichten, anderseits aber gleichzeitig auch die nach wie vor bestehenden Wiedervereinigungsartikel ersetzen. Das Begehren hatte klaren Erfolg: Am 25. April 1971 stimmte das Volk den Verfassungsartikel mit 23'466 Ja gegen 10'475 Nein deutlich zu.
Auffallend: Die Ja- und Nein-Stimmen verhielten sich nahezu spiegelbildlich zur Wiedervereinigungs-Abstimmung von 1969. Gemeinden, welche die Wiedervereinigung stark abgelehnt hatten, stimmten der Partnerschaftsinitiative deutlich zu. Wiedervereinigungsfreundliche Kommunen votierten tendenziell ablehnend.
Abstimmungen 1969 und 2014 im Vergleich
| Ja BL/(Stimmbet.) | Ja BS/(Stimmbet.) |
7. Dezember 1969 | 41% (76%) | 65,5% (41%) |
28. September 2014 | 32% (52,3%) | 55% (52,45%) |
Mitarbeit: Jan Amsler
Kommentar
28. September 2014
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