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"Die übertölpelten Mehrheitsbeschaffer": Kontrahenten Richterich, Hofer
Baselbieter FDP: Dicke Luft zwischen Fraktions- und Parteipräsident
Die Partei ist zu Wahlkampf-Beginn alles andere als geeint: Einzelne Exponenten reden bereits von einem "Scherbenhaufen"
Von Peter Knechtli
Der Baselbieter Regierungs-Wahlkampf vom kommenden Frühling wirft einen langen Schatten voraus: Teile der Freisinnigen sehen dem Wahltermin mit Bedenken entgegen und werfen ihrem Präsidenten Paul Hofer vor, er sei bezüglich Allianzen mit SVP und CVP nicht statutenkonform vorgegangen. Zwischen Hofer und FDP-Fraktionspräsidenten Rolf Richterich herrscht ein gereizter Mail-Verkehr.
Will eine Partei erfolgreich sein, müssen ihre Meinungsführenden an einem Strick ziehen. Davon ist die Baselbieter FDP sieben Monate vor den kantonalen Wahlen weit entfernt. Einer ihrer Exponenten sprach gegenüber OnlineReports bereits von einem "Scherbenhaufen". Fraktionspräsident Rolf Richterich und Parteipräsident Paul Hofer tauschen sich derzeit E-Mails aus, die von einer beträchtlich gereizten Stimmung zeugen.
Tatsächlich hatte Parteigeneral Hofer im Frühjahr beim Versuch, mit dem parteiintern unbekannten Ziefener Daniel Recher einen Überraschungs-Coup zu landen mit dem Ziel, nach dem Rücktritt von Sabine Pegoraro und der erneuten Kandidatur von Erziehungsdirektorin Monica Gschwind auch in den kommenden vier Jahren zwei von fünf Regierungs-Mandaten mit FDP-Mitgliedern zu besetzen.
Hofer musste klein beigeben
Schon wenige Monate später musste Hofer still zurückkrebsen – aber erst, nachdem ihm "einige SVP-nahe Parteimitglieder Feuer unter dem Hintern gemacht" hatten (so eine Insider-Quelle zu OnlineReports), der SVP neben dem Bisherigen Thomas Weber einen zweiten Sitz zuzugestehen. Etwas kleinlaut (Hofer: "Es geht darum, im Interesse unseres Kantons eine solide bürgerliche Mehrheit zu erhalten") drängte ihn die Parteileitung zu einer Einerkandidatur.
Am schlecht besuchten Parteitag vom 27. Juni fand darüber in der Basis keine Diskussion statt. Das Communiqué hinterlässt eher den Eindruck, Hofer habe seine Partei-Schäfchen vor vollendete Tatsachen gestellt, indem er sich mit beschwingten Worten für die Wiederwahl von Monica Gschwind einsetzte.
Hofer informierte die Basis auch, dass sich kürzlich ein überparteiliches bürgerliches Personen-Komitee "Zukunft Baselbiet gestalten" gebildet habe, das die Wahl der drei Bisherigen – Monica Gschwind (FDP), Thomas Weber (SVP) und Anton Lauber (CVP) – sowie den noch zu nominierenden SVP-Nationalrat Thomas de Courten unterstützt.
Umstrittenes bürgerliches Komitee
Dieses Komitee, kopräsidiert von der FDP-Landrätin Saskia Schenker, die vor vier Jahren den BüZa-Wahlkampf leitete und auch aktuell als treibende Kampagne-Kraft firmiert, birgt Zündstoff. Gegründet wurde es auf Initiative des christdemokratischen Finanzdirektors Lauber mit dem Ziel einer Wiederwahl der drei erneut antretenden Regierungsräte. Formell habe es mit den drei bürgerlichen Regierungs-Parteien nichts zu tun, lautet der Tenor der Promotoren. Deshalb müsse auch keine Partei darüber entscheiden. Es sei jedem Bürger unbenommen, ein Komitee zu bilden.
Umstritten ist das Komitee aus mehreren Gründen. Zum Einen hat die SVP ihren "neuen" Kandidaten de Courten noch gar nicht nominiert. Zum Zweiten gehören ihm mit Fraktionspräsident Felix Keller und dem früheren Präsidenten Marc Scherrer Christdemokraten an, die auch de Courten unterstützen. Er ist aber innerhalb der CVP sehr umstritten – der Hauptgrund, weshalb die amtierende Präsidentin Brigitte Müller-Kaderli und Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter den Beitritt zum Komitee ablehnen, wie sie OnlineReports gegenüber bekräftigten.
Mit de Courten: Unvereinbare Positionen
Die beiden Spitzenkräfte wollten den Grund für ihre Absenz im Personen-Komitee nicht explizit nennen. Er dürfte darin liegen, dass sie in der CVP eine kleinere Revolte auslösten, wenn sie mit Thomas de Courten einen Kandidaten unterstützten, der die Selbstbestimmungsinitiative bejaht, die Personenfreizügigkeit kündigen will und den bilateralen Weg ablehnt – alles absolut zentrale Anliegen der Handelskammer beider Basel, die Schneider-Schneiter präsidiert. Hingegen werden beide Frauen "selbstverständlich" (wie sie betonen) einem CVP-Komitee zur Promotion ihres Finanzdirektors Anton Lauber beitreten.
Auf partiellen Widerstand stösst innerhalb der CVP auch der Doppelanspruch der SVP, die im Erfolgsfall zusammen mit FDP-Regentin Gschwind für eine konservative Mehrheit in der fünfköpfigen Regierung sorgen könnte.
Richterich spricht von "Schlamassel"
Die Art und Weise, wie das Komitee das Licht der Welt erblickte, stiess auch auf den entschiedenen Widerspruch des freisinnigen Fraktionspräsidenten Rolf Richterich. Dieses Promotions-Bündnis sei "weder von den Parteien gegründet" worden, noch gebe es "einen Parteientscheid zu den Wahlen". Richterich in einer kürzlichen Mail an seinen Präsidenten: "So geht es nicht." Und: "Wie willst Du aus diesem Schlamassel heraus kommen?"
Hofer antwortet ausweichend, "das Thema RR-Wahlen" sei an je zwei Parteirats- und Parteileitungssitzungen "ausführlich besprochen" worden. Richterich kontert, dabei seien jedoch "keine Beschlüsse gefasst" worden. Hofer: Er habe am Parteitag vom 27. Juni zur Entstehung des Komitees berichtet "und eine Diskussion zugelassen mit dem Resultat, dass niemand sich gegen dieses Komitee ausgesprochen hat". Richterich wendet ein: Die Bildung eines Komitees sei weder traktandiert gewesen noch habe ein Antrag des Parteitags vorgelegen.
Hofer: "keine formellen Abstimmungen notwendig"
Richterich konstatiert sodann, dass sich Elisabeth Schneider-Schneiter "scheinbar als einzige bürgerliche Nationalrätin ziert", im Komitee mitzumachen: "Bin ich tatsächlich der einzige Freisinnige, der sich verwundert die Augen reibt ob solch egoistischem und opportunistischem Verhalten von SVP (Machtdemonstration mit dem zweiten Kandidaten) und CVP? Wir sind die übertölpelten Mehrheitsbeschaffer für unsere 'bürgerlichen' 'Partner'."
Hofer: Am bevorstehenden Parteitag vom 23. August seien die Themen "RR Wahlen 2019 und "Landratswahlen 2019" traktandiert. Es gehe darum, "über den Zwischenstand der Vorbereitungen zu informieren und Feedback einzuholen. Es sind keine formellen Abstimmungen notwendig".
Allianz oder nicht?
Soweit der Disput, der die Divergenz klar aufzeigt: Hofer strebt offensichtlich keine Parteitags-Entscheidungen zu Wahlen und Allianzen an, sondern bestimmt über die Leitungsgremien, während Fraktions-Chef Richterich im überparteilichen Komitee eine faktische Wahlallianz erkennt, die laut Statuten zwingend durch den Parteitag abgesegnet werden muss. Dies wiederum bestreitet Hofer, weil es sich beim Komitee nicht um eine parteihoheitliche, sondern eine persönliche Initiative handelt.
Recherchen von OnlineReports zeigen, dass sich Richterich innerhalb der FDP nicht als Einziger an Hofers "ziemlich einsamem Entscheid zugunsten einer Konzession an die SVP" stört. Andere sprechen von einer "Anbiederung an die SVP". Sie stört, dass Hofer den zweiten Regierungs-Sitz "ohne Pfand preisgegeben" habe.
Stimmt nicht, wird ihnen entgegen gehalten, was auch SVP-Präsident Oskar Kämpfer gegenüber OnlineReports bestätigt: Die FDP habe dafür das Recht, den bürgerlichen Ständeratskandidaten zu stellen, weil dies in einer längerfristigen Perspektive der erfolgreichste Weg sei, die bürgerliche Position in Bern zu stärken. Im Gespräch ist der Arlesheimer Landrat Balz Stückelberger, der dem überparteilichen Komitee zugunsten von zwei SVP-Sitzen angehört, was bereits als eine gewisse Konzession des Wirtschaftsliberalen an die SVP gedeutet werden kann.
Kein Sonntagsspaziergang für die SVP
Ob die SVP angesichts der allgegenwärtigen Spannungen allerdings einen Doppelerfolg wird feiern können, ist aus heutiger Sicht eher unsicher. Wahrscheinlicher ist, dass die SP mit Kathrin Schweizer ihren vor vier Jahren verlorenen Sitz zurück gewinnt.
Zudem ist nicht in Stein gemeisselt, dass der Bisherige Thomas Weber die Wiederwahl locker schafft. Er steht derzeit in verschiedenen Dossiers unter Druck: Die Wirtschaftsförderung stockt, die von ihm vorangetriebene regionale Spitalfusion wird von Teilen der SVP argwöhnisch verfolgt, in der Arbeitsmarkt-Affäre steht er mit seiner eigenen Amtsstelle Kiga im Hader, ein Strafverfahren gegen ihn ist nicht ausgeschlossen.
Ein massgeblicher Freisinniger frotzelt: "Weber hat ein Dossier, das gut läuft: das Schwingfest." Als konsensorientierter Politiker ist der Buusner einigen SVPlern zu weich und unberechenbar, wogegen de Courten als der harte Verfechter der Parteilinie gilt, was wiederum im liberalen Freisinn sauer aufstösst.
CVP will "das Original" sein
"Ruhig" ("gelassen möchte ich nicht sagen") geht dagegen laut ihrer Präsidentin Brigitte Müller-Kaderli ausgerechnet die Mitte-Partei CVP in die Regierungswahlen: Ihr Finanzdirektor Lauber geniesst mit seinem harten und insofern erfolgreichen Sparkurs überparteilich bürgerliche Anerkennung, so dass er um seine Wiederwahl kaum wird bangen müssen.
Seit Müller-Kaderli das Steuer übernommen hat, fährt die CVP ("Wir wollen das Original sein") einen betont autonomen Kurs: "Wir gehen eigenständig in die Regierungs- und Landratswahlen", sagt die frühere Aargauer EVP-Grossrätin selbstbewusst. Ausnahme: Bei den Landratswahlen geht die CVP im Wahlkreis 4 ein Mittebündnis mit der BDP und den Grünliberalen ein. Die Zeiten seien vorbei, in denen "die CVP noch der nette Anhang der Bürgerlichen waren".
Derweil mahnen Freisinnige, den Ball im Streit zwischen Präsident und Fraktions-Chef flach zu halten, während Präsident Hofer auf Tauchstation zu gehen scheint: Er liess sechs einfache OnlineReports-Fragen unbeantwortet.
17. August 2018
Weiterführende Links:
Bürgerliche Wahlkampf-Maschine
Die bürgerliche Wahlkampfleitung besteht aus SVP-Präsident Oskar Kämpfer als Vorsitzendem, FDP-Landrätin Saskia Schenker als operatives Zentrum sowie Philipp Haegeli (CVP und Landrat Reto Tschudin (SVP).
Beigeordnet ist ihm ein "ständiges und repräsentatives Begleitgremium", dem folgende Personen angehören: Claudia Brodbeck (CVP), Philipp Haegeli (CVP), Felix Keller (CVP), Nicole Nüssli (FDP), Hansjürgen Ringgenberg (SVP), Saskia Schenker (FDP), Marc Scherrer (CVP), Daniela Schneeberger (FDP), Sandra Sollberger (SVP), Balz Stückelberger (FDP), Reto Tschudin (SVP) und Georges Thüring (SVP).
Dieses "Begleitgremium" ist identisch mit dem Co-Präsidium des tripartiten Personenkomitees.