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"Sie füllte ein thematisches Vakuum": Wiederwahl-Kandidierende Arslan
So oder so: Die Basler Wahlen '19 werden zu einem Arslan-Plebiszit
Starke Allianz spricht für Mitte-Parteien – Frauen, Klima und "Bisherige" für Rot-Grün
Von Peter Knechtli
Die Basler "Basta"-Politikerin Sibel Arslan, seit bald vier Jahren Nationalrätin des "Grünen Bündnisses", stand als erste Zitter-Kandidatin fest, als der Wahlkampf nach den Sommerferien mit der Energie eines Tornados von der politisch interessierten Bevölkerung Besitz ergriff.
Die linke Politikerin, die in den letzten Nationalratswahlen CVP-Kandidat Markus Lehmann mit knapper Mehrheit aus dem Bundeshaus verdrängte, sieht sich der starken Konkurrenz einer Mitte-Allianz von nicht weniger als sechs Parteien konfrontiert: LDP, FDP CVP, GLP, EVP, und BDP. Die Basler "Mitte" ist seit vier Jahren bereits mit dem früheren Erziehungsdirektor Christoph Eymann im Nationalrat vertreten, der nochmals zur Wahl antreten wird und an dessen Wiederwahl niemand zweifelt.
Einen zweiten eigenen Sitz werden sich die Liberalen möglicherweise erträumen, er ist aber ausser Reichweite. Der LDP, die mit einer starken Liste (intern die "Nationalmannschaft" genannt) antritt, wird die Ambition haben, ihre Kantonalpräsidentin und Grossrätin Patricia von Falkenstein in die Startpflöcke der Nachrückenden zu positionieren.
Die Frage stellt sich eher, welche andere der sechs Mitte-Parteien den zweiten Sitz erobern würde, sofern er ihnen tatsächlich zufiele. Favoritin ist die FDP, die im Verlaufe der Legislatur nicht besonders auffiel, aber einen sehr aktiven Wahlkampf führt.
Kantonalpräsident Luca Urgese zeigt als Kadermann der Handelskammer mit viel Einsatz erhöhte Ambitionen, nachdem Direktor Martin Dätwyler als Direktor dieses Verbandes schon in den Landrat gewählt worden war und die Präsidentin Elisabeth Schneider-Schneiter für ihre Wiederwahl als Bundesparlamentarierin kämpft. Hoffnungen dürfen auch den Grünliberalen und ihrer Spitzenkandidatin, der Kantonalpräsidentin Katja Christ, attestiert werden.
"Die gegenwärtige Irritation wird
kaum tektonische Veränderungen auslösen."
Doch die Ungewissheit, die den Wahlkampf in dieser mittleren Phase dominiert, ist jene, wie weit der Sitz der amtsjüngsten Basler Nationalrätin, Sibel Arslan, und damit der "dritte rot-grüne Sitz" gefährdet ist. Laut dem gegenwärtigen Getöse wären ihre Aussichten auf eine Wiederwahl düster. Insbesondere unter einigen Sozialdemokraten herrscht Rache-Stimmung, seit ihre Links-Partei "Basta" der SP-Ständerats-Kandidatin Eva Herzog die offizielle Unterstützung verweigert hat.
Erste Aufrufe aus dem SP-freundlichen Lager, Arslan zu streichen oder nicht zu panaschieren ("Wahltag ist Zahltag"), könnten darauf hindeuten, dass die SP nicht nur ihre beiden bisherigen Mandate verteidigen will, sondern gleich drei der fünf Basler Sitze in der Grossen Kammer für sich beansprucht.
Dagegen spricht aber fast alles. Die offizielle Nicht-Empfehlung Eva Herzogs mag der SP verständlicherweise missfallen. Aber eine grosse Wirkung wird sie nicht haben: Das "Basta"-Elektorat wird dennoch der Noch-Finanzdirektorin die Stimme geben und nicht leer einlegen. Anderseits wird die SP ihr erklärtes Grundanliegen – drei rot-grüne Sitze zu verteidigen – wohl kaum mit einer Kampagne gegen Arslan mit dem Risiko eines Sitzverlusts aufs Spiel setzen wollen.
Die gegenwärtige Irritation wird somit kaum tektonische Veränderungen in der links-grünen Wählerschaft auslösen. Vielmehr werden sowohl die SP wie das "Grüne Bündnis", wozu "Basta" gehört, alles daran setzen, dass ihre Listenverbindung in der Gesamtheit die optimale Stärke erzielt.
Es spricht aber einiges dafür, dass die "Basta"-Nationalrätin eher gestärkt als geschwächt aus der gegenwärtigen links-grünen Querele hervorgeht. Denn einerseits hat sie umgehend deklariert, dass sie mit Eva Herzog diejenige Kandidatin wählen werde, "mit der ich bei allen Differenzen immer noch deutlich mehr inhaltliche Überschneidungen habe als mit den anderen Kandidatinnen".
"Die Klimawandel-Bewegung
gibt den Grünen zusätzlich Schub."
Nicht zu unterschätzen ist auch ihr Frauen- und Bisherige-Bonus und die Entschlossenheit, mit der sie nach Anfangsschwierigkeiten in Bern Tritt gefasst hat. Selbst bürgerliche Basler Politiker, die über ihr Nein zu einem für die Basler Grossunternehmen äusserst wichtigen Freihandels-Abkommen mit den USA nur den Kopf schütteln, anerkennen, dass sie mit vielen Auftritten schon in der ersten Legislatur auf sich aufmerksam gemacht hat. Insbesondere füllte die kurdischstämmige türkisch-schweizerische Doppelbürgerin als "erste Migrantin" im Nationalrat ein thematisches Vakuum in Einwanderungsdebatten, was ihr die starke Basler Migranten-Gemeinschaft an der Urne danken wird.
SP-Abgeordnete stellen fest, Sibel Arslan habe "in ihrer Fraktion schon eine gute Position erreicht", sei "nahe" bei den führenden Mitgliedern" und habe so gut "gepokert", dass sie gleich in zwei Kommissionen habe Einsitz nehmen können, nämlich in der Aussenpolitischen Kommission und in der Rechtskommission. Profitieren können die Grünen auch durch den Rückenwind, den die Klimawandel-Bewegung in kontinentaler Verbreitung ausgelöst hat.
Ob der Arslan-Sitz damit im Trockenen sein wird, ist angesichts der starken Konkurrenz aus der Mitte allerdings keineswegs klar. Diese Allianz hat aus dem Debakel vor vier Jahren, als LDP und FDP sowie die CVP, EVP, GLP und BDP getrennte Listenverbindungen eingingen, die Lehren gezogen und die Schubkraft des gemeinsamen Schulterschlusses erkannt.
"Die SVP schreibt ihren Sitzverlust
schon als Fakt herbei."
Ein zweiter Sitz liegt im Bereich der Möglichkeiten. Ob er allerdings die 39-jährige Juristin aus dem Nationalrat katapultiert wie diese es vor vier Jahren mit Markus Lehmann (CVP) vormachte, ist schwer zu prognostizieren. Denn die SVP wähnt den Sitz von Sebastian Frehner "in Gefahr". Die "fehlende Zusammenarbeit" mit den Mitte-Parteien "führt dazu, dass der fünfte Sitz weiterhin durch Sibel Arslan von der Basta und nicht mehr von der SVP gehalten werden kann", schrieb die SVP im Indikativ, als stünde Frehners Abwahl bereits fest.
Tatsächlich wird Frehner aus der Mitte-Allianz kaum Stimmen erhalten, doch erwarten Beobachter, dass das SVP-Potenzial in Basel-Stadt so stark ist, dass es – allen internen Intrigen und Dauerkrach zu Trotz – seinen Sitz auch im Alleingang verteidigen kann. Die Nähe Frehners zum Arbeitgeberverband und seine Funktion als Präsident der "Parlamentarischen Gruppe Region Basel" werden ihm dabei nicht schaden.
Fazit: Die Wahlen 2019 werden zum Arslan-Plebiszit, je zwei Sitze sind Linken und Bürgerlichen gewiss. Ob und wohin der fünfte Sitze wandert, dürfte die Knappheit des Resultats entscheiden. Vielleicht bleibt aber auch alles beim Alten.
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13. September 2019
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