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"Noch unbequemer, noch kritischer": BaZ-Chefredaktor Somm
Markus Somm: "Wir sollten die Behörden zum Zittern bringen"
Der Chefredaktor der "Basler Zeitung" zu seiner Mission, seinem Berufsverständnis und zur neuen Konkurrenz "TagesWoche"
Von Peter Knechtli
Die "Basler Zeitung" (BaZ) müsse noch kritischer, noch unbequemer und noch bürgerlicher werden. Das sagt Chefredaktor Markus Somm im grossen Interview mit OnlineReports. Darin nimmt er auch erstmals zur neuen Konkurrenz durch die "TagesWoche" Stellung.
OnlineReports: Herr Somm, wie gut haben Sie sich in Basel eingelebt?
Markus Somm: Es geht mir sehr gut und ich fühle mich sehr wohl.
OnlineReports: Wohnen Sie jetzt in Basel?
Somm: Ich habe in Basel ein Zimmer und übernachte ab und zu hier. Sonst pendle ich mit dem Auto zwischen der Region Zürich und Basel.
OnlineReports: Jetzt ist in Basel gerade Herbstmesse. Waren Sie auch schon auf dem Riesenrad?
Somm: Nein, ich bin nicht mehr so Fan von Chilbis ...
OnlineReports: ... aber die sind doch volkstümlich!
Somm: Bin ich denn so volkstümlich?
OnlineReports: Wie gut sind Sie über politische Vorgänge in der Region Basel im Bild?
Somm: Wir wissen als Zeitung noch viel zu wenig, was in den beiden Basel läuft. Wir müssen noch viel mehr erfahren, was in Verwaltung und Regierung vor sich geht. Da muss die "Basler Zeitung" noch extrem zulegen. Wir müssen noch unbequemer werden, noch frecher, noch kritischer.
OnlineReports: Aber Ihr Herz schlägt für die Schweiz und gegen Europa - und in der Regel gegen alles ausserhalb der SVP.
Somm: Das ist ein Missverständnis: Ich interessiere mich nicht nur für Brüssel. Wer politisch ist, interessiert sich immer für das Lokale.
OnlineReports: Sie schreiben als Chefredaktor aber nur in Ausnahmefällen über lokale Themen.
Somm: Ein Chefredaktor muss sich zu wichtigen Fragen aus Politik und Wirtschaft äussern, und das ist zum grossen Teil nationale Politik. Wie das meine Vorgänger auf der BaZ hielten, weiss ich nicht.
OnlineReports: Die traten publizistisch leider fast nie in Erscheinung.
Somm: Ich habe den Anspruch, Texte zu sämtlichen wichtigen Themen zu verfassen und dabei eine klare Meinung zu vertreten. Alles andere ist kein Leitartikel. In der Regel reagiere ich nach Temperament. Wenn die Basler lokale Dinge stark bewegt, schreibe ich darüber. Aber der Basler interessiert sich nicht nur für Herrn Eymann, sondern auch für Barak Obama. So provinziell sind die Basler nicht.
OnlineReports: Sie sind Mitglied der FDP. Waren Sie als einfaches Mitglied auch schon an einer Versammlung der Basler FDP-Kantonalpartei?
Somm: Nein, aber ich hielt schon ein Referat vor den "Freunden der FDP".
OnlineReports: Weshalb treten Sie nicht in die SVP ein. Da wären Sie doch – gemessen an der Tendenz Ihrer Leitartikel – an richtigen Platz.
Somm: Wozu auch? Meine FDP-Mitgliedschaft beruht auf Familientradition. Ich stehe zwischen FDP und SVP, so gesehen fühle ich mich zwischen Stuhl und Bank am richtigen Ort.
OnlineReports: Wirklich? FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann haben Sie schon als Extrem-Zauderer beschrieben.
Somm: Das ist er auch. Ich bin von ihm überaus enttäuscht. Das kann vorkommen. Aber ich bin von Ueli Maurer auch enttäuscht, obschon ich seiner Politik in vielen Aspekten nahe stehe. Ich bin Historiker und vor dem Hintergrund der freisinnigen Tradition würde ich mich als extrem freisinnig bezeichnen. Doch die FDP hat viel freisinniges Gedankengut aufgegeben. Sie ist in vielen Fragen nicht mehr so freisinnig, wie sie es einmal war. Ich bin bürgerlich und liberal. Punkt.
"Ich komme nicht mit Feuer und Schwert und verlange, dass sich die Leute zu mir bekehren."
OnlineReports: In der OnlineReports-Bilanz zu "einem Jahr Markus Somm" bezeichnete ich Sie als "Missionator" - als eine Mischung aus Missionar, Kommentator und Terminator. Hat Sie das beleidigt?
Somm: Nein, das finde ich eine gute, originelle Wortwendung. "Terminator" finde ich sehr gut, beim "Missionar" ist es immer so eine Frage. So wird man sehr schnell bezeichnet, wenn man eine starke Überzeugung hat, damit habe ich kein Problem. Aber der Missionar ist ja auch unduldsam.
OnlineReports: Sind Sie das nicht?
Somm: Nein. Ich komme nicht mit Feuer und Schwert und verlange, dass sich die Leute zu mir bekehren – auch in der Redaktion nicht. Ich habe viel zu viel Freude an der Auseinandersetzung, als dass ich ein Interesse daran hätte, dass alle meine Meinung teilen. Das wäre mir zu langweilig, und selbst wenn es soweit käme, würde ich mich am Schluss von mir selbst distanzieren, nur um dafür zu sorgen, dass einer dissident bleibt. Wenn immer sich alle einig sind, wird es mir mulmig.
OnlineReports: Aber Sie haben doch eine klare Mission: Die Idee Europa, wie sie sich derzeit in blamabler Form offenbart, ist ein Fehlkonstrukt.
Somm: Ja, das ist sie in der Tat. Aber was die europäischen Länder entscheiden, ist ihre Sache und geht uns nichts an. Was die Schweiz betrifft, bin ich überzeugt, dass wir als Schweiz besser fahren, wenn wir nicht in der EU sind. Das ist mir ein grosses Anliegen ...
OnlineReports: ... und das durchdringt auch fast jeden Ihrer Kommentare. Sie wollen Ihrer Leserschaft diese Haltung beibringen.
Somm: Ja. Aber das ist mir wichtig. Europa ist seit 1992 die grosse Auseinandersetzung in der Schweizer Politik und daran möchte ich teilnehmen.
OnlineReports: Wie viel an Kritik mögen Sie persönlich einstecken?
Somm: Ich teile hart aus und greife Leute auch an. Dann muss ich auch Kritik ertragen.
OnlineReports: Uns scheint, Ihre journalistische Aggressivität habe in den letzten Wochen etwas nachgelassen. Die schmerzenden Adjektive und Bewertungen sind seltener. Stimmt der Eindruck?
Somm: Nein. Es ist nicht so, dass ich mich bewusst zurücknähme. Sondern im Gegenteil: Die grosse Mehrheit meiner Leitartikel ist nicht extrem polemisch und enthält wenig bewertende Adjektive. Es trifft hingegen zu, dass ich gelegentlich auch Polemik einsetze. Aber das hat mit der Abwägung der jeweiligen Stilmittel zu tun.
OnlineReports: Räumen Sie ein, dass Sie Personen, meist politische Amtsträger, mit der Schärfe ihrer Kommentare verletzen?
Somm: Nein. Ich habe sie nur hart kritisiert – und es ging mir stets um die Sache. Ausserdem spielen diese Personen eine so wichtige Rolle in der Öffentlichkeit und sind oft schon so lange in der Politik tätig, dass sie imstande sein müssen, damit zu leben. Ich lasse mir ja auch Kritik gefallen. Schon Truman sagte: "If you can't stand the heat, get out of the kitchen." Wenn Du die Hitze nicht erträgst, verlasse die Küche. Es kommt auch immer darauf an, wen man kritisiert. Würde ich einen Taxifahrer, der mir missfallen ist, in dieser Weise angreifen, würde man zu Recht sagen: Somm hat einen schlechten Charakter.
OnlineReports: In meiner Somm-Jahresbilanz ging ich mit Ihnen aussergewöhnlich hart ins Gericht. Hat Sie das verletzt?
Somm: Nein, ich fand Ihre Bilanz kritisch und fair. Sie schrieben mir ja auch positive Seiten zu. Das Interessante war, dass man spürte, dass Sie sich mit mir auseinandergesetzt haben. Und das allein ist schon ein Kompliment.
OnlineReports: Haben Sie auch Emotionen?
Somm: Ich habe sehr viele Emotionen, Ja. Sonst wäre ich auch nicht Journalist. Das sage ich auch meinen Journalisten. Am Morgen muss man mit einer gewissen Spannung zur Arbeit antreten. Das ist Energie und Emotion. Was uns als Leser interessiert, kommt oft aus dem Bauch.
OnlineReports: Wann haben Sie das letzte Mal geweint?
Somm: Das weiss ich nicht, das mache ich nicht sehr häufig.
"Kritiker getrauen sich gar nicht,
mich mit ihrer Kritik zu konfrontieren."
OnlineReports: Wie kommen Sie damit zurecht, dass Sie sich wegen Ihres aggressiven Stils auf Schritt und Tritt erklären und rechtfertigen müssen?
Somm: So ist es eben nicht. Wer polarisiert – und das mache ich ja offensichtlich –, ist mit einem Lager von Leuten konfrontiert, die einen nicht ausstehen können. Aber es gibt genau so viele Leute, die einem begeistert gegenüber stehen und Applaus geben. Herr Knechtli, Ich übertreibe jetzt nicht: Ich bin häufig in der Stadt. Fast jedes Mal kommt jemand auf mich zu, der mir die Hand zustreckt und mir gratuliert.
OnlineReports: Kommt das häufiger vor als das Gegenteil?
Somm: Ja, das Gegenteil gibt es gar nicht mehr. Die Leute, die mich kritisieren, getrauen sich gar nicht, mich mit ihrer Kritik zu konfrontieren. Mir ist noch nie passiert, dass mir in Basel jemand in der Öffentlichkeit einen Schlötterlig angehängt hat.
OnlineReports: Nicht wenige Beobachter haben den Eindruck, sie würden die "Basler Zeitung" mit Ihrem Crash-Kurs bewusst an die Wand fahren. Was sagen Sie denen?
Somm: Die Vorstellung, ich sei hier der Chef und habe nichts anderes zu tun als diese Zeitung kaputt zu machen, ist so grotesk, dass ich gar nicht weiss, was ich dazu sagen soll. Es ist doch klar, dass ich die Zeitung so gut wie möglich machen und Erfolg mit ihr haben will.
OnlineReports: Wie hoch ist denn die aktuelle Auflage der "Basler Zeitung"?
Somm: Die offizielle Auflage liegt bei rund 77'000 Exemplaren.
OnlineReports: Wie viele Abonnenten sind wegen Ihnen und ihrem Auftritt abgesprungen?
Somm: Seit 2001 hat die "Basler Zeitung" unter meinen Vorgängern jedes Jahr genau gleich viele Abonnenten verloren wie ich in einem Jahr. Es spielte also gar keine Rolle, ob die "Basler Zeitung" bunter, weniger bunt, seriös oder weniger seriös war. Wenn wir jene Leser abzählen, die ich aus politischen Gründen vertrieben habe, dann bin ich sogar noch besser als meine Vorgänger (lacht). Ich bin einfach überzeugt, dass eine Zeitung ein klares Profil haben muss. Wenn sie es schafft, dass die halbe Stadt von ihr spricht, dann ist das schon die halbe Miete.
OnlineReports: Gerüchteweise hören wir aber, auch heute noch hegten etliche Redaktoren Absprung-Gedanken. Rechnen Sie damit?
Somm: Ich rechne nicht gerade damit, aber das kann immer wieder vorkommen. Wir haben erfreulicherweise mehr Konkurrenz in der Stadt, weil jetzt mehr redaktionelle Arbeitsstellen vorhanden sind. Aber bedrohlich ist die Situation nicht. Ich habe alle abgesprungenen Journalisten ersetzen und auch viele sehr gute Leute neu anstellen können.
OnlineReports: Ihre Neuzugänge stehen politisch eher rechts. Wie wollen Sie das links-grüne Publikum der Region Basel erreichen?
Somm: Das Hauptziel muss sein, dass die Zeitung in der Stadt Basel unersetzlich ist und dass man diese Zeitung liest, weil sie gut geschrieben, unterhaltend, mutig und inspirierend ist – für alle Basler, ganz gleich, wo sie politisch im einzelnen stehen.
"Einen linken Journalisten, der gut schreibt,
würde ich sicher nie entlassen."
OnlineReports: Aber noch ist unklar, ob die BaZ einen regionalen Haupt-Fokus hat oder eine "nationale Stimme" werden will.
Somm: Sie soll beides sein. Wir müssen in der Region Basel als unserem Heimmarkt unbedingt die Nummer eins sein. Die wichtigsten Geschichten, die besten Porträts und die unerschrockensten Artikel müssen in unserem Blatt stattfinden ...
OnlineReports: ... und die frechsten Kommentare gegen Rot-Grün und die rot-grüne Regierungsmehrheit.
Somm: Nein. Ich möchte beides: Scharfe Kommentare gegen Links und scharfe Kommentare gegen Rechts. 50 Prozent soll links der Mitte und 50 Prozent rechts der Mitte sein. Im Zweifelsfall – und das entscheide dann ich – rechts der Mitte.
OnlineReports: Von diesem Gleichgewicht war bisher aber wenig zu spüren. Die profilierten linken Kommentare fehlten schlicht. Haben Ihre kritischen Redaktoren schon die Schere im Kopf – aus Angst, bei Ihnen in Ungnade zu fallen?
Somm: Wenn ich so dächte, wäre ich ein schlechter Chefredaktor. Es verliessen auch linke Journalisten die "Basler Zeitung", die ich hätte halten wollen. Einen linken Journalisten, der gut schreibt und kommentiert, würde ich sicher nicht entlassen. Im Gegenteil. Aber es ist mir klar: Ich will das Profil dieser Zeitung verändern. Diese Zeitung muss bürgerlicher werden. Das ist meine starke Überzeugung. Dazu brauche ich – unter anderem, nicht nur – Journalisten, die etwas ähnlicher denken wie ich.
OnlineReports: Aber dann bekommen Sie mit Ihrem Fifty-fifty-Anspruch ein Problem.
Somm: Nein. Wichtig ist: Wir wollen die besten Journalisten auf dem Platz.
OnlineReports: Das beansprucht auch Ihre neue Konkurrenz, die "TagesWoche", die vor knapp zwei Wochen neu erschien und mit den "innovativsten Journalisten" renommiert. Ist sie eine Konkurrenz für die "Basler Zeitung"?
Somm: Für eine Beurteilung ist es noch zu früh. Die beiden bisherigen Ausgaben sind okay, sie begeistern jedoch noch nicht.
"Ohne Wettbewerb wird eine Redaktion
arrogant, blasiert, müde und lahm."
OnlineReports: Schlottern Sie jeweils am Donnerstagabend, bevor am Freitag die "TagesWoche" erscheint?
Somm: Nein. Selbst wenn sie extrem gut wäre, wäre dies erst recht der Ansporn, eine noch bessere BaZ zu machen. Wichtig ist, dass jetzt Konkurrenz entstanden ist. Ohne Wettbewerb wird eine Redaktion arrogant, blasiert, müde und lahm. Das kann uns nicht mehr passieren. Als ich nach Basel kam, staunte ich darüber, wie wenig ernst auf der Redaktion die Konkurrenz genommen wurde. Am Morgen schien niemand die andern Zeitungen gelesen zu haben. In Zürich ist das undenkbar.
OnlineReports: Ihr Urteil über die "TagesWoche"?
Somm: Über die Konkurrenz soll man nur das Beste sagen, oder schweigen.
OnlineReports: Spüren Sie im Anzeigen- und Lesermarkt schon Bewegung durch die neue Konkurrenz?
Somm: Nein, bisher überhaupt nicht.
OnlineReports: Sehen Sie die "TagesWoche" eher als Bedrohung für die "Basler Zeitung" - oder als Ergänzung?
Somm: Weil es sich um einen Wochen-Titel handelt, ist er für die "Basler Zeitung" keine direkte Konkurrenz, politisch-publizistisch wichtig ist für mich aber, dass es mit der "TagesWoche" nun eine linke Alternative zur BaZ gibt. Das entlastet uns vom Vorwurf, unser Monopol zu missbrauchen. Ausserdem kann nun die ganze Stadt selber prüfen, wie gut die Linken eine Zeitung machen können. Auch die "Basel"-Beilage des "Sonntag" ist für uns eher eine gute Ergänzung, weil dies dazu führt, dass die Aufmerksamkeit des Publikums gegenüber Basler Geschichten auch am Wochenende aufrecht erhalten wird. Was ich viel ernster nehme, ist der Eintritt der "Basellandschaftlichen Zeitung" nach Basel mit einer wöchentlichen Grossauflage. Das ist eine Gratiszeitung, und Gratiszeitungen schmerzen alle Verkaufszeitungen.
OnlineReports: Aber kannibalisiert sich die BZ damit nicht selbst?
Somm: Das muss die BZ selber beurteilen.
OnlineReports: Was gefällt Ihnen an der "TagesWoche" und was nicht?
Somm: Mir gefällt das Layout nicht. Ich bin kein Fan einer luftigen Zeitungs-Typografie, wie sie eher in den neunziger Jahren gepflegt wurde. Zum Teil fand ich gute Texte wie jene von Philipp Loser, den ich für ein Riesentalent halte. Ihn lese ich auch in der "TagesWoche" gern. Was ich wiederum gar nicht gut finde, ist die Art, wie die Zeitung mit dem Bild umgeht. Aber da haben wir bei der "Basler Zeitung" auch noch Nachholbedarf.
OnlineReports: Hat das duale Modell – die Verbindung von Print und online – eine Chance?
Somm: Noch ist es zu früh, doch habe ich Zweifel, ob das funktioniert. Das Gefühl, online etwas Anderes zu lesen als in der Printausgabe, ist nach meiner Meinung für den Leser nicht angenehm. Wer OnlineReports liest, weiss: Das ist es, was OnlineReports zu bieten hat. Wer aber die "TagesWoche" liest, hat das Gefühl, ihm fehle das Online-Angebot und umgekehrt.
"Eine Kooperation oder eine Fusion
ist sicher nicht ausgeschlossen."
OnlineReports: Herr Somm, wohin steuert die "Basler Zeitung"?
Somm: Die "Basler Zeitung" soll im Lokalen bis in einem oder zwei Jahren der Leader sein. Wir sollten nicht nur am meisten Leser haben, sondern auch die wichtigsten Geschichten bieten können. Wir sollten die Behörden zum Zittern bringen und den Mächtigen das Leben schwer machen. Jede relevante Debatte in dieser Stadt soll über die "Basler Zeitung" ausgetragen werden. Wir sollten mit präzisen Recherchen und fesselnden Texten unverwechselbar und unersetzlich werden für alle, die hier leben.
OnlineReports: Sie haben kürzlich die Basler Regierung dafür kritisiert, wie sie mit hiesigen Grosskonzernen wie Novartis umgeht. Wollen Sie Novartis und Grösstverdiener Daniel Vasella vom Schreckens-Kataster der BaZ ausnehmen?
Somm: Wir kritisieren jeden, der es verdient – ob er nun Vasella oder Morin heisst. An Novartis gibt es derzeit nichts zu kritisieren, das ist eine fantastische Firma, auf die ganz Basel stolz sein kann.
OnlineReports: Wo wollen Sie die BaZ weiter verbessern?
Somm: Die Basler Zeitung soll eine Zeitung sein, die man gerne liest: weil man hier elegante Texte findet, überraschende Geschichten, scharfe, mutige Kommentare, originelle Ideen und genaue Recherchen. Sie soll so gut werden, dass man auch ausserhalb von Basel nicht mehr um sie herumkommt. Nicht dass ich mir einbilde, in Bern oder Zürich Abonnenten zu finden. Aber die BaZ soll auffallen, so dass andere Journalisten, Politiker, Chefbeamten, Unternehmer uns ernst nehmen müssen, ob in St. Gallen, Luzern oder Zürich. Einiges haben wir ja schon erreicht, die BaZ ist heute in der ganzen Schweiz bekannter als noch vor zwei Jahren.
OnlineReports: Das hat vor allem mit Ihnen und Ihren meist bissig-rechtslastigen Kommentaren zu tun.
Somm: In der Schweizer Medienlandschaft gibt es einen Mainstream links der Mitte – sehr stark getrieben von der SRG. Wenn wir eine Zeitung machen, die sich konservativer positioniert und die Meinungen bietet, die sonst nirgends zu lesen sind in der Schweiz, dann haben wir eine Chance, dass man auch auf nationaler Ebene von der "Basler Zeitung" wieder spricht. Ich wiederhole mich: Die "Basler Zeitung" war noch nie so berühmt wie jetzt.
OnlineReports: Ist ausgeschlossen, dass es schon in relativ kurzer Zeit zu einer Fusion kommt?
Somm: Nein, ausgeschlossen ist es sicher nicht, weil die Rezession noch bevorsteht und viele Verlage noch stärker unter Druck setzt. Ich weiss nicht, worüber Moritz Suter und Peter Wanner (Präsident der AZ Medien AG, Red.) nachdenken ...
OnlineReports: ... oder Christoph Blocher ...
Somm: ... oder Pietro Supino von der Tamedia. Keine Ahnung. Ich kann nur soviel sagen: Ich habe derzeit nur die "Basler Zeitung" im Kopf und nicht irgendwo eine Fusion. Auch habe ich nichts gehört von Kooperationen mit andern grossen Verlagen. Aber ich kann nichts ausschliessen. Nur davon bin ich überzeugt: Basel ist eine so wichtige und wirtschaftsstarke Region, dass es an diesem Ort immer die "Basler Zeitung" als dominantes Blatt geben wird. Wir sind jetzt schon so stark, dass wir bei jeder Kooperation, die wir mit andern Zeitungen eingehen würden,ein grosses Gewicht hätten – auch publizistisch.
"Ich habe hier in Basel noch viel zu tun."
OnlineReports: Das bedeutet: Die BaZ würde bei einer Kooperation eine führende Rolle spielen wollen. Wird die Schweizer Medienlandschaft doch von Basel aus rechtskonservativ aufgerollt?
Somm: Von Basel aus möchten wir neue Masstäbe setzen, was eine gute Tageszeitung ist. Noch haben wir aber viel zu tun.
OnlineReports: Wie lange will Markus Somm in Basel bleiben – bis zur Pensionierung?
Somm: Das kann ich mir offen gestanden nicht vorstellen. Aber das hat nichts mit Basel zu tun, sondern mit dem Job. Chefredaktor kann man nicht ewig bleiben. Ich kann mir auch vorstellen, dereinst wieder eher Autor zu sein und mehr zu schreiben. Vorerst will ich eine gute "Basler Zeitung" machen und nicht schon in einer Woche wieder gehen ...
OnlineReports: ... wie bitte, in einer Woche?
Somm: Ich sage das jetzt mal so. Wer eine Aufgabe sehr ernst nimmt, muss sich auch eine gewisse Zeit geben. Ich habe hier in Basel noch viel zu tun.
9. November 2011
Weiterführende Links:
"Somm blendet Unliebsames schlichtweg aus"
Die Basler Zeitung müsse bürgerlicher werden, betont Markus Somm im Interview. Eine einleuchtende Begründung dafür gibt er nicht ab. Er ist einfach überzeugt davon, und das müssen wir als Leser nun mal zur Kenntnis nehmen. Mit seinem missionarischen Eifer hatte ich schon immer beträchtliche Mühe. (Bei einem "linken" Chefredaktor würde es mir nicht anders ergehen). Ich glaube nicht, dass die Aufgabe eines Redaktionsleiters darin bestehen sollte, in einer Forumszeitung wie der baz stets gebetsmühlenhaft die gleiche klare politische Linie zum Ausdruck zu bringen und die Redaktion gleichzeitig auf diesen (seinen) Kurs einzuschwenken. Mit seinem Sendungsbewusstsein hätte Markus Somm besser eine Karriere als Politiker anstreben sollen. Von einem Chefredaktor erwarte ich dagegen, dass er wichtige Thema möglichst sachgerecht und aus einer gewissen Distanz analysiert. Das Thema EU wäre es wert. Deutsche Journalisten machen es in einigen Zeitungen vor. Markus Somm ist ein guter Schreiber und Unterhalter, aber diese Fähigkeit zur Analyse geht ihm völlig ab. In seinen Kommentaren blendet er Unliebsames schlichtweg aus. Anders kann man ja auch nicht zu einer klaren Meinung kommen, denn so einfach ist die Welt nun einmal nicht in Gut und Schlecht oder Schwarz und Weiss zu unterscheiden. Ich gehe übrigens davon aus, dass dies Markus Somm durchaus bewusst ist. Würde er aber immer wieder Pro und Contra fair abwägen, wären seine Kommentare natürlich weniger „süffig“ und gäben entsprechend weniger zu reden.
Markus Sutter, Basel
"Hart, aber fair"
Wer das Interview zwischen Markus Somm und Peter Knechtli liest, dem fällt auf, dass er/sie es mit zwei Profis zu tun hat. Die beiden Chefredaktoren schenken sich nichts. Hier geht es um klare Fragen und Antworten. Die Beiden gehen hart, aber fair miteinander um. So macht das Lesen Freude, denn gelernt ist gelernt. Dies wird uns hier im Klartext bewiesen. Spannende Lektüre, die überzeugt.
Yvonne Rueff-Bloch, Basel
"Alle und alles in den gleichen Topf"
Natürlich darf man gegen die EU sein, sehr verehrte Frau Nogawa, zweifellos darf man bei Räubern und Kriminellen die Herkunft nennen, ob In- oder Ausländer. Das setzt aber voraus, dass der Normalbürger differenzieren sollte und kann, die beflissenen und nachdenkenden Bürger können dies gottseidank. Leider gibt es bei uns aber Parteien, Organisationen oder auch Print-Medien (die Sie sicher kennen), die leider alle und alles in den gleichen Topf werfen und daraus immer wieder ein ungeniessbares nationales Patrioten-Süppchen kochen und diese dann im ganzen Land der übrigen Bevölkerung servieren wollen. Das kann sicher nicht der Zweck einer offenen Information sein, das ist Missbrauch einer guten Öffentlichkeitsarbeit, getarnt als "Aufklärung der Nation". Nun ja, es ist beruhigend zu wissen, dass die meisten Bürger noch selber nachdenken.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Warum soll man nicht gegen die EU sein dürfen?"
Es ist mir wirklich schleierhaft, warum man vor allem in Basel und auch in der Schweiz nicht gegen die EU sein darf, ohne gleich von den Mainstream-Medien verdammt zu werden. Das ganze Trauerspiel, das in der EU vor unseren Augen abläuft, war vorauszusehen. Es wird weiter gehen und ein Ende ist nicht in Sicht. Doch wenn man die Medien und die unten veröffentlichten Meinungen liest, ist jeder des Teufels, der nicht die Meinung vertritt, die EU sei ein Segen. So haben es die Leute allmählich satt, immer das Gleiche zu lesen, zu sehen oder zu hören. Sie wollen auch einmal eine andere Meinung lesen.
Peter Knechtli hat übrigens genau von dem profitiert, indem er die in der damaligen BAZ vornehm totgeschwiegenen Räubereien, Diebstähle und Ähnliches veröffentlichte – und nicht nur das, sondern auch noch die Nationalität der Täter nicht verschwieg.
Alexandra Nogawa, Basel
"Somm hätte Politiker werden müssen"
Die Basler Zeitung müsse bürgerlicher werden, betont Markus Somm im Interview. Eine einleuchtende Begründung dafür gibt er nicht ab. Er ist einfach überzeugt davon, und das müssen wir als Leser nun mal ertragen. Mit seinem missionarischen Eifer hatte ich schon immer beträchtliche Mühe. (Bei einem "linken" Chefredaktor würde es mir nicht anders ergehen). Ich glaube nicht, dass die Aufgabe eines Redaktionsleiters darin bestehen sollte, in einer Forumszeitung wie der BaZ stets gebetsmühlenhaft und aus Prinzip die gleiche politische Linie zu vertreten und die Redaktion zusätzlich tendenziell auf den selben Kurs einzuschwören. Mit seinem Sendungsbewusstsein hätte Markus Somm besser eine Karriere als Politiker anstreben sollen.
Von einem Chefredaktor erwarte ich dagegen, dass er wichtige Thema möglichst sachgerecht und aus einer gewissen Distanz analysiert. Markus Somm ist ein guter Schreiber und Unterhalter, aber diese Fähigkeit zur differenzierten Analyse geht ihm weitgehend ab. In seinen Kommentaren blendet er unliebsame Gegenargumente schlichtweg aus. Anders kann man auch nicht zu einer klaren Meinung kommen, denn so einfach wie in der Somm-Gedankenwelt ist die Welt nun einmal nicht in Gut und Schlecht oder Schwarz und Weiss zu unterteilen. Ich gehe übrigens davon aus, dass dies Markus Somm durchaus bewusst ist. Würde er aber immer wieder Pro und Contra fair abwägen, wären seine Kommentare natürlich weniger "süffig" und gäben entsprechend weniger zu reden.
Das kann möglicherweise nicht das Ziel eines Vollblutjournalisten sein, aber der Leserschaft wäre damit per Saldo besser gedient.
Markus Sutter, Basel
"Ein Klumpenrisiko"
Anspruch und Wirklichkeit bei Herrn Somm liegen weit auseinander. Nach meiner Meinung ist Somm ein Klumpenrisiko für diese Basler Zeitung. Der Konkurrenz kann‘s recht sein.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Eine Freude zu lesen"
Das Interview mit Markus Somm hat mir sehr gut gefallen: Kritische, intelligente und auch provozierende Fragen, ohne den Interviewten in die Pfanne zu hauen – aber – auch klare Antworten, die eine Ausrichtung der "neuen" BaZ zeigen, die Konturen und Kanten hat, und durchaus auch Chancen zum Erfolg. Das Interview nährt die Spannung, wie es mit der BaZ weitergeht, und das ist ja auch gut für die BaZ.
Kaspar Eigenmann, Hofstetten