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Mit zweiter Gotthard-Röhre gegen regionale Engpässe
Das regionale Gewerbe, assistiert von der Baselbieter Regierungsrätin Sabine Pegoraro, macht sich für den Bau einer zweiten Gotthard-Röhre zur Sanierung des heutigen Tunnels stark. Ein weiteres Verkehrs-Chaos im Raum Basel gelte es zu verhindern.
Liestal/Basel, 23. November 2015
Der im Jahr 1980 in Betrieb genommene Gotthard-Strassentunnel muss in zehn Jahren saniert werden. Wie der Individualverkehr während dieser Zeit durch die Alpen geführt werden soll, ist umstritten. Verkehrsministerin Doris Leuthard möchte eine zweite Röhre von gegen 17 Kilometern Länge bauen, die bei Sanierungen oder Unfällen in Betrieb genommen werden und lange Umfahrungen mit Staus vermeiden könnte.
Die Gegner erklären die Sanierungs-Röhre aufgrund der vom Volk angenommenen Alpen-Initiative als rechtswidrig, befürchten eine schleichende Einführung einer vierspurigen Gotthard-Durchquerung und schlagen eine lange rollende Landstrasse ("Rola") auf der Schiene von Basel bis Chiasso vor. Über ihr Referendum wird am 28 Februar kommenden Jahres abgestimmt.
Strassen-Engpässe ohne Ende
Als Erste in der Region eröffneten heute Montagmorgen Gewerbe-Exponenten mit einem Plädoyer zugunsten der zweiten Röhre den Abstimmungskampf, geleitet von Hans-Ulrich Bigler. Der für Ruedi Noser gestern Sonntag in den Nationalrat nachgerückte Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes meinte, bei der Strassen-Infrastruktur bestehe "schweizweit an vielen Orten Nachhofbedarf", insbesondere bei der Beseitigung von Engpässen. Die jährlich 20'000 Staustunden belasteten die Volkswirtschaft mit über einer Milliarde Franken pro Jahr.
Die Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektorin Sabine Pegoraro verwies in ihrem Votum auf Engpässe im regionalen Strassennetz: Die Sanierung des Schänzli-Tunnels, der täglich stockende Verkehr auf der A2-Osttangente und die Erweiterung der A2 in Rheintal bis zur Verzweigung Augst auf acht Spuren, der neue Schiffgüter-"Terminal Basel Nord", der zusätzlichen Schwerverkehr in der Region verursacht, die Verkehrsprobleme im Gebiet "Elba". Auch die Sanierung des Halbanschlusses Aesch und der Knoten Angenstein, die Liestaler Umfahrung und die Sanierung des Belchentunnels über eine dritte Röhre setzte die Regierungsrätin auf die Pendenzenliste.
Eine klare Absage erklärte sie – wie schon Bigler – dem Alternativvorschlag der rollenden Landstrasse. Dazu wären in der Nähe von Verladestationen Warteräume notwendig, für die der Kanton "schlicht keinen Platz" habe. Deshalb sei dieser Vorschlag "ein No-Go". Die einzig sinnvolle Lösung sei die zweite Röhre.
Terminal bringt zusätzlichen Container-Verkehr
Im Gegensatz zu Pegoraro äusserte sich Christoph Buser, Direktor der Wirtschaftskammer Baselland, kritisch zu "Basel Nord". Das Konzept sei insofern "nicht klar durchdacht", als die Schieneninfrastruktur und Kapazitäten zur Abnahme der Container gar nicht vorhanden seien. Deshalb sei absehbar, dass die Güter über die Osttangente in die Schweiz zur Verteilung gelangten. Zusammen mit der rollenden Landstrasse ergebe sich in der Region Basel ein "riesiges Verkehrschaos". Über die technische Machbarkeit der "Rola" existierten "keine gesicherten Daten". Ausserdem sprächen die "Rola"-Befürworter bereits von einem "ganzen Korridor an Verladestationen". Verglichen mit den dafür nötigen rund drei Milliarden Franken käme die zweite Gotthard-Röhre "günstiger" zu stehen, so Buser weiter.
Marcel Schweizer, der Präsident des Basler Gewerbeverbandes, hob die Bedeutung der Gotthardtunnel-Sanierung für die Region Basel hervor. Die beiden Basel und der Kanton Jura hätten letztes Jahr Waren im Wert von 1,3 Milliarden Franken nach Italien geliefert. Gleichzeitig habe die Nordwestschweiz Güter im Wert von 776 Millionen Franken in erster Linie durch den Gotthard-Strassentunnel über das Tessin investiert. Keine weitere künstliche Verkehrs-Vermehrung sei zulässig, weil sich die Staustunden auf der A2 seit 2008 mehr als verdoppelt haben.
Für Frischtransport überlebenswichtig
Thomas Murpf, Geschäftsleitungsmitglied der Transportfirma F. Murpf AG in Hägendorf SO, verwies auf die existenzielle Bedeutung des Gotthard-Strassentunnel für sein Unternehmen, das frische, nur kurz haltbare Lebensmittel aus dem Norden in Tessiner Läden und Gastronomiebetriebe chauffiert und umgekehrt Frischwaren wie Früchte, Gemüse oder Käse aus Italien und dem Tessin in die Deutschschweiz. In diesem Geschäft sei die Einhaltung der kurz bemessenen Lieferzeiten "ein absolutes Muss". Ohne den Bau der zweiten Röhre werde die Sonnenstube der Schweiz "benachteiligt", weil sie nicht mehr im gleichen Mass mit frischen Produkten versorgt werden könne. Der Transport per Eisenbahn sei "starr und umständlich".
Weiterführende Links:
- Gegner der "Transithölle Schweiz" machen mobil
"Gezielte Fehlinformationen"
In Basel macht sich das regionale Gewerbe, unterstützt von Frau Regierungsrätin Pegoraro, für den Bau einer zweiten Röhre stark. Dafür werden gezielte Fehlinformationen verbreitet. So wird argumentiert, man müsse für eine 2. Röhre sein, um ein weiteres Verkehrschaos im Raum Basel zu verhindern. Die Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektorin Sabine Pegoraro verwies in ihrem Votum auf Engpässe im regionalen Strassennetz.
Fakt ist: Das Parlament bestimmt jährlich im Budget, wie viel Geld aus dem Strassentopf (Mineralölsteuer und Autobahnvignette) für den Unterhalt und Betrieb der Nationalstrassen gebraucht wird, und wie viel für den Ausbau der Autobahnen und für Agglo-Projekte übrig bleibt. Die 2. Röhre gilt als Unterhaltsprojekt und wird über die Unterhalts-Kasse finanziert!
Bleibt der Betrag gleich, den wir in den Unterhalt und Betrieb investieren, braucht die 2. Röhre über 15 Jahre einen Viertel der Unterhaltsgelder des ganzen Autobahnnetzes. Dies bedeutet, dass weniger Geld für die Engpass-Beseitigung und für die wichtigen Agglomerationsprojekte (im Raum Basel) übrig bleibt. Wär es also nicht sinnvoller, das Geld hier in Basel einzusetzen, wo täglich über 130'000 Autos (Muttenz BL) verkehren statt am Gotthard, wo es durchschnittlich nur 17'000 sind und 80 Prozent des Verkehrs Ferien- oder Freizeitverkehr ist?
Übrigens, Herr Buser, es gibt über die technische Machbarkeit der "Rola" "gesicherte Daten": Alle Studien des Bundes und von unabhängigen Gremien haben bewiesen, dass die Schiene den Verkehr am Gotthard während der Sanierung aufnehmen kann. Keine Studie hat bis jetzt das Gegenteil aufgezeigt. Erkundigen Sie sich bitte.
Matthias Huber, Rickenbach BL
"Was ist das Schlimmste?"
Während die Bundesrätin noch tut, als ob es nur darum geht, eine zweite Röhre für Sanierungen oder bei Unfällen bauen zu wollen, setzen andere Leute schon rücksichtslos auf mehr Wirtschaft nach altem Denkmuster. Hat jene noch ein gewisses Schamgefühl, haben diese sogar dafür kein Gespür mehr. Was ist das Schlimmste, stille Scheinheiligkeit oder kurzsichtiges, nacktes Eigeninteresse?
Peter Toebak, Liestal
"Frau Pegoraro im Dienste der Strassen-Lobby"
Sabine Pegoraro entpuppt sich immer mehr als wackere Strassenbauerin. Aktuell hat sie wieder die Umfahrung Leimental als verkappte Südumfahrung aufgetischt, die von der Bevölkerung ja hoch abgelehnt wurde. Und das ein paar Tage nach dem negativen Volksentscheid für sie in Sachen "Elba". Und jetzt ihr Weibeln für eine neue Gotthardröhre, die auch von der dortigen Bevölkerung nicht gewünscht wird. Man darf sich schon fragen, ob sie in den Diensten der Strassen-Lobby steht? Scheinbar sind ihr demokratische Volksentscheide egal.
Bruno Heuberger, Oberwil
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