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13. AHV-Rente: Adolf Ogis "Verluderung des Respekts"
Kandersteg, 21. Februar 2024
Die fünf früheren Bundesratsmitglieder Adolf Ogi, Doris Leuthard, Johann Schneider-Ammann, Pascal Couchepin und Joseph Deiss haben sich in einer konzertierten Aktion in den Abstimmungskampf um die 13. AHV-Rente eingemischt – in der Hoffnung, der Sache mit einer Nein-Empfehlung zu dienen. Die Antwort auf den offenen Brief: ein Orkan des Volkes. Ogi "Freude herrscht" erhielt eine "Schachtel voll Schmähbriefe".
Der empörte Kandersteger diagnostizierte in den CH-Media-Zeitungen eine "Verluderung des Respekts". Gemeint war damit das aus seiner Sicht legitime Recht von Magistraten ausser Dienst, sich als Privatpersonen in einen laufenden politischen Diskurs einzubringen. Wenn er sich nicht mehr für das einsetzen dürfe, was der Bundesrat wolle, verstehe er die direkte Demokratie nicht mehr, so Ogi.
Es mag sein, dass Bundesräten in der wohlverdienten Retraite das Gespür für das direkt-demokratische Volksempfinden etwas abhanden kommt. Noch anno 2003 liess sich der Alt-Bundesrat und damalige UNO-Untergeneralsekretär Adolf Ogi bedeutungsschwer als "Pate" der Einweihung des Matterhorn-Express in Zermatt verewigen (Bild). Und nun ist er perplex wegen der erbarmungslosen Reaktion aus dem Bauch des Souveräns!
Wer nur hat dem Alt-Bundesrats-Quintett den Floh dieses Werbebriefs ins Ohr gesetzt – eventuell klandestin der Schweizerische Gewerkschaftsbund, Vater der (vielleicht) 13. AHV-Rente?
Jedenfalls wäre es ratsam gewesen, die fünf Bundeshaus-Weisen hätten vor ihrer Brief-Aktion eine solide Risikofolgen-Abschätzung getätigt. Daraus wäre unter Umständen die Erkenntnis gereift, es sei wohl doch nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn ehemals höchste Staatsdiener mit einer monatlichen Staats-Rente um die 20'000 Franken ihrem Pensionierten-Volk eine 13. AHV-Rente abspenstig machen wollen.
Hat da jemand von "Verluderung" gesprochen?
"Was für eine Einstellung!"
Da bringt es tatsächlich eine ehemalige Politikerin der damaligen sogenannten familienfreundlichen christlichen CVP (damalige Eigenwerbung – heute "Die Mitte") fertig, jenen Leuten, die es dringend nötig haben, eine 13. Rente nicht zu gönnen. Nur weil sie offensichtlich nicht nachvollziehen kann oder will, wie diese 13. AHV-Rente finanziert werden soll, obwohl diese Rechnung längst aufgezeigt wurde.
Da soll man die Übung lieber abbrechen, und jene, die es sehr dringend nötig hätten, werden es irgendwie schon überleben. So interpretiere ich (und nicht nur ich) Frau Islers Einstellung. Was für eine Einstellung!
Bezeichnend ist, dass wir von ihr damals nichts gehört haben, als der Bundesrat der CS Steuer-Milliarden geschenkt hat, ohne uns Steuerzahler überhaupt zu fragen. Es soll nun niemand kommen und sagen, das sei nicht das gleiche. Nun haben wir für einmal die Gelegenheit zu zeigen, was mit unserem Geld gemacht wird.
In diesem Sinne ein kräftiges JA für eine 13. AHV-Rente an der Urne, damit wir mindestens einen Bruchteil unsere Teuerung ausgleichen können.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Masslos enttäuscht"
Naja, der wird auch nur noch älter, leider. Die anderen vier waren schon immer Windfahnen, ihm habe ich mehr Rückgrat zugetraut. Ich bin vom ehemaligen "Freude herrscht"-Bundesrat masslos enttäuscht.
Nicolas Müller, Westkapelle (Niederlande)
"Auf dem Boden der Realität"
Ich finde es schade, wenn die Haltung der Alt-Bundesrätinnen und -räte mit deren Pensioniertenlohn verquickt wird. Damit wird ihnen explizit unterstellt, sie hätten keine Emotion gegenüber denjenigen, die Schmalhans am Tisch haben.
Mir haben Befürworter und auch Gegner nie klar sagen können, wie die Finanzierung aussieht – auf Dauer und weit über 2030 hinaus. Jede Partei bezieht sich auf Fachleute, deren Meinungen auseinandergehen. Wer also hat recht? Wie kann ich als Nicht-Fachfrau entscheiden? Vielleicht als ehemalige Mitte-Politikerin meiner Parteigrenze entlang?
Was mir jetzt klar ist: Auch eine 13. AHV muss versteuert werden. Nach Abzug der Steuern, heruntergerechnet auf den Monat, gleicht es die gestiegenen Krankenkassenprämien und die gestiegenen Mieten bei sehr vielen Menschen nicht aus. Und die Jungen müssen per sofort mit mehr Lohnabzügen rechnen.
Ich kenne Menschen, die arbeiten jeden Monat viel für wenig Geld (zum Beispiel als Verkäuferin), und es kommt auf jeden Franken an. Dieser Lohnabzug fehlt. Und muss dann die 13. AHV noch mit einer Mehrwertsteuererhöhung finanziert werden, steigen die Preise für Brot und Milch und alles andere auch an. Wer träumt, er könne mit der 13. AHV in die Ferien, wird auf dem Boden der Realität landen.
Was also tun? Egoistisch für eine 13. Rente stimmen oder sich zurücknehmen zugunsten der Jungen, der heutigen Working-poor, die unsere AHV finanzieren?
Ich frage mich, ob die früheren Bundesratsmitglieder nicht vielleicht doch den grösseren Hintergrund haben, um das beurteilen zu können. Dank ihrer Erfahrung, ihres Wissens und ihrer langjährigen Tätigkeit als Magistratinnen und Magistraten.
Beatrice Isler, Basel
"Innere Trostlosigkeit"
Die Welt der gnadenlos Grossmächtigen und der hemmungslos Schwerreichen zeigt sich immer erdrückender in einem grandios wohlstandsverwahrlosten Zustand. Es herrscht eine innere Trostlosigkeit. Sie spiegelt die äussere wider. "Verluderungen" in Medien, Politik, Recht und Wirtschaft sind Symptome und nicht die Krankheit selbst.
Schwermütige Langeweile stellt sich ein: als das unangenehme Gefühl, zufriedenstellend aktiv werden zu wollen, es aber nicht zu können. Erschöpft hängen viele Menschen in den Seilen von Systemen, die am Zusammenbrechen sind. Und dies auch dann, wenn es eine Mehrheit nicht wahrhaben will. Weil und wenn es auf die Frage "Und was dann?" noch keine Antwort gibt.
Ueli Keller, Allschwil
"Ein Denkfehler"
Der jeweiligen Bemessung (Erhöhung) der AHV-Rente, die ja prinzipiell das Existenzminimum abzudecken hätte, liegt ein Denkfehler zugrunde: Man kann die Entwicklung des Existenzminimums nie an der Inflation messen, die sich am Lebensstandard orientiert. Kommt dazu, dass beim Argument – "es profitieren bei einer Erhöhung auch jene, die es nicht nötig hätten" – einfach vergessen geht, dass eben gerade jene vor dem AHV-Bezug weit mehr einbezahlt hatten, als sie je wieder in Form der Rente zurück erhalten.
Fazit: Die ganze Diskussion wäre vermutlich nicht so polarisierend, hätte die letzte Erhöhung vor über einem Jahr (nach Abzug der Steuern) nicht nur gerade in etwa die letztjährige (!) Erhöhung der Krankenkassenprämie gedeckt, aber nicht die der Energie, Miete, Lebensmittel und anderer Existenz-Bedürfnisse. Die Beschimpfung der Ex-Bundesräte geht zu weit, demonstriert aber leider den Druck, der sich hier gebildet hat.
Peter Waldner, Basel