"Etwas bizarr"
Das "Geschäft", vertreten durch Regierungsrat Guy Morin, scheint etwas bizarr: einerseits, weil hier plötzlich Player ins Spiel kommen, welche bis dato nicht zur Diskussion standen und eigentlich nur als Animatoren, hintergründig aber als Vermieter, auftreten. Das heisst die Stadt gibt den heissen Kartoffel weiter und übergibt das Areal einem (bis dato unbekannten) Verein, welcher für solche Aktivitäten nicht spezifisch qualifiziert zu sein scheint und welcher kaum über die notwendigen Prozess- und Kommunikationserfahrungen verfügt.
Etwas verrückt und für mich als Aussenstehenden unverständlich, ist der letzte Satz im BZ-Bericht: "Wieviel der Kanton den Schweizerischen Rheinhäfen für das Baurecht auf den Ex-Hafenarealen bezahlt, wird geheim gehalten. Der Boden gehört eigentlich schon der Einwohnergemeinde, die ihn jedoch den Rheinhäfen unbefristet zur Nutzung überliess. So bezahlt Basel derzeit faktisch Baurechtszins für eigene Grundstücke".
Das muss man sich auf der Zunge vergehen lassen: Basel bezahlt den Schweizerischen Rheinhäfen einen Baurechtszins für ein kantonseigenes Grundstück, welches er jetzt selber zurückmietet! Die Miete (Baurechtszins) scheint aber derart unverschämt zu sein, dass wir dies nicht wissen dürfen (geheim!). Könnte man diesen Schelmenstreich etwas näher erläutern?
Bereits schon fast vergessen, weil sich die News um das Ex-Migrol-Areal fast schon im Stundentakt verändern, ist das Angebot der Scope-Betreiber.
Das vor wenigen Tagen kommunizierte Angebot von Patrick Tschan, dem Sprecher der New Yorker Kunstmesse Scope, auf dem Gelände der Wagenplatz-Leute (Ex-Migrol-Gelände) eine 6000 Quadratmeter-Industriehalle für die Mehrfachbenutzung zu bauen, zielt grundsätzlich in die richtige Richtung. Erstens indem die Scoop-Verantwortlichen davon ausgehen, dass das jetzige Areal von mehreren Projekten genutzt werden könnte und zweitens dass die NutzerInnen in einem Netzwerk agieren könnten.
Damit zeigen sie, dass es auch möglich ist nicht nur in eine Richtung zu denken und dass ein Sowohl-als-auch möglich ist. Störend bei den bisherigen Diskursen ist jeweils, dass alle Parteien lediglich ihre Partikularinteressen formuliert und verteidigt haben. Zielführender wäre es, wenn stärker vernetzt gedacht würde und, wenn jeweils ausgelotet würde, wo Synergien erzielt werden könnten.
Scope möchte sich an der Uferstrasse etablieren – in Koexistenz mit den Wagenleuten. "Wir würden sie in unsere Pläne einbinden und ihnen auch Arbeit anbieten", so Scope-Sprecher Patrick Tschan. "Es hat genug Platz für alle", sagt er. Es ist nicht einleuchtend, wieso die Stadt dieses Angebot nicht ernsthaft prüft. Immerhin steht hinter diesem Angebot, hinter Scope, ziemlich viel Know-how , Manpower, Organisations- und Kommunikationstalent.
Oder warum nicht richtig tollkühn & mutig:
In der Diskussion um Freiräume könnte verstärkt vertikal gedacht werden. Nennen wir das Fantasie-Projekt mal etwas salopp "Turmbau zu Babel" und nehmen wir die "Mehrsprachigkeit der Anliegen" als Chance und Stärke. Wir bauen Bürotürme und Wohnhäuser in die Höhe, warum sollen nicht auch "Freiräume" geschichtet und in die Höhe gedacht werden? An der Uferstrasse, auf dem Ex-Migrol-Areal, könnte ein Freiraum-Turm errichtet werden. Im Parterre würde ein Wellcome-Bereich eingerichtet. Im 1. Stock wäre ein Wohnzone mit den Wagen-Leuten, einem Backpackerbereich für Rucksacktouristen. Im 2. Stock könnte mit der Scope ein permanenter Kunstbereich eingerichtet werden. Im 3. Stock könnte sich das Neue Kino und andere Kulturaktivisten etablieren. Der 4. Stock wäre der neue Sportbereich mit Fussball- und Vollyballplätzen. Im 5. Stock liesse sich ein Restaurant, eine Bar installieren (mit einer tollen & exklusiven Rundsicht über den Rhein). Zuoberst müssten sich ein paar Urban Gardening-Aktivisten als gärtnernde Dauergäste ansiedeln, welche den ersten vollbepflanzten urbanen Dachgarten (6000 m2 - ein Park) anlegen. Voilà!
Damit hätten wir ein erstes urbanes Freiraum-Gross-Projekt, welches neue Massstäbe sowohl in der Dimension, im Zusammenraufen (Synergien) und in der vertikalen Entwicklung aufzeigen könnte. Dieses Projekt wäre weit weg von einem niedlichen Zeltdorf und eine kuscheligen Hüttensiedlung. Keine Pfadi- und Lagerfeuerromantik, aber eine grosse Herausforderung & ein Labor im Bereich der Organisations- und Prozessentwicklung. Ein kommunikativer Effort mit ungeahntem, aber spannendem Ausgang. Ein Novum in dieser Stadt. Streng nach der Devise: Nicht kleckern, sondern klotzen.
Christoph Meury, Birsfelden