© Foto by DRG
Der Raum als Vision und als begehbare Konstruktion
Zwei bedeutende Ausstellungen in Basel und Riehen: Das Kunstmuseum zeigt Landschaften von Max Beckmann, die Fondation Beyeler würdigt das Werk der Plastikerin Louise Bourgeois. Zugleichmit den beiden Vernissagen eröffnen die Basler Galerien die Saison.
Basel/Riehen, 2. September 2011
Der Deutsche Max Beckmann (1984-1950) betrachtete sich als "letzten Alten Meister". Von den künstlerischen Stilen und Schulen seiner Zeit hielt er sich fern, aber Einflüsse des Impressionismus, des Expressionismus oder der Neuen Sachlichkeit sind bei ihm schwer zu übersehen. Das Figurenbild dominiert bei ihm, ausgesucht hat das Kunstmuseum Landschaftsbilder, die einen Drittel des gesamten Oeuvres ausmachen. 70 Werke sind in der Ausstellung zusammengekommen, was einen guten Überblick ermöglicht.
Was ist das absolut Eigenständige bei Beckmann? Eine Irritation. Man meint zu verstehen, wie das Werk, die Landschaft, als Arbeit des Pinsel als Verlängerung des Arms auf der Leinwand entstanden ist. Wenn die Gemälde am Anfang noch als Malakte ausgeführt wirken, findet im Verlauf der Entwicklung eine Reduktion statt, eine Konzentration auf schnelle, harte, holzschnittartige Striche und Zeichen, die trotzdem immer lesbar bleiben (Abbildung: "Riviera-Landschaft mit Felsen", 1942).
Landschaft als Bild
Durch eine "Ausblickdramaturgie" (Direktor Bernhard Mendes Bürgi) entsteht eine Perspektive von drinnen nach draussen, von Vorder- und Hintergrund und als Folge davon eine Räumlichkeit, die aber aber nach und nach auch verschwindet. Die Werke werden flächig, was vielleicht nach Beckmanns eigenen Aussagen mit der Absicht zu tun hat, von der realen, wirklichkeitsgetreuen Wiedergabe wegzukommen und zur Essenz vorzudringen.
Irritation: Das ist die Tatsache, dass man vor den Werken mit ihrer zunehmenden Vereinfachung von Klötzen und Flächen steht und doch etwas sieht, das darüber hinausgeht: realisierte Visionen von Landschaft beziehungsweise typisierte Landschaften. Hans Belting schreibt im Katalog zur Ausstellung vom "Selbstausdruck in der Landschaft".
Ist eine neue Beckmann-Zeit angebrochen? Und was könnte dies bedeuten? Hypothesen sind erlaubt. Auf die Ausstellung in Basel folgt am 17. September die Beckmann-Schau "Von Angesicht zu Angesicht" in Leipzig und am 7. Oktober "Beckmann & Amerika" in Frankfurt.
Sprache des Unbewussten
Die französisch-amerikanische Plastikerin Louise Bourgois (1911-2010) wäre m kommenden 25. Dezember 100 Jahre alt geworden. Für die Fondation Beyeler war das eine Grund, für die Künstlerin eine "Hommage" einzurichten. Mit dem Begriff ist schon angedeutet, dass es sich nur um eine kleine Selektion handelt, die in keinem Verhältnis steht zum Ansehen der "Jahrhundertkünstlerin", wie Fondation-Direktor Sam Keller sagt.
Louise Bourgeois hatte durch ihren Vater eine schwere Jugend. Ihr Leben lang versuchte sie, die Konflikte durch ihr künstlerisches Schaffen zu verarbeiten. Kunst als Therapie. Das Unbewusste fängt an, sich zu artikulieren und zu einer Sprache zu werden. Man denkt mit einer gewissen Berechtigung an Frida Kahlo.
Die Ausstellung umfasst die im Garten des Berowerguts aufgestellte "Maman" (1999), eine überdimensionierte Skulptur in Form einer Spinne, die für die Künstlerin Symbol des mütterlichen Schutzes war. Ferner sind zwei Zeichnungszyklen zu sehen: "L'Infini" (2008) sowie die 220 Blätter umfassende Serie "The Insomnia Drawings" (1994-95), die wie automatisch entstanden sind, wenn Louise Bourgeois nachts nicht schlafen konnte und sich beschäftigen musste.
Im Freien die "Maman", im Keller die "Passage dangereux" (1997), ein vergitterter Käfig, in dem diverse Objekte ausgestellt sind. Das Ganze ist als verräumlichtes Unbewussten zu lesen und zu verstehen.
Das Werk, so wie es im Raum platziert ist, stellt den Raum erst her. Der Raum "räumt", sagt Martin Heidegger vieldeutig, er wird eingeräumt. Durch das Werk werden seine Grenzen definiert. Um die "Passage dangereux" herum schreitend, wird der Raum selbst als begehbare Plastik erfahrbar, genau wie es draussen mit der "Maman" der Fall ist.
Die übrigen plastischen Werke von Louise Bourgeois werden so präsentiert, dass sie mit Werken aus der Sammlung der Fondation (Paul Cézanne, Francis Bacon, Alberto Giacometti, Fernand Léger, der kurze Zeit Bourgeois' Lehrer war) in einen Dialog treten können.
16 Galerien eröffnen den Kunstherbst
Die Ausstellungen Beckmann und Bourgois werden morgen Samstag eröffnet (siehe unten). Dazu kommt die Season Opening von 16 Basler Galerien eröffnen, die ebenfalls am morgigen Samstag zwischen 17 und 20 Uhr die Türen offen halten und so die Herbstsaison beginnen. Viel Kunst an einem Wochenende. Auf, auf, Ihr Freunde und Freundinnen der Kunst.
Kunstmuseum Basel: Max Beckmann. Die Landschaften. Vom 4. September bis 22. Januar. Vernissage 3. September 17 Uhr.
Fondation Beyeler: Louise Bourgeois. L‘Infini. Vom 4. September bis 8. Januar. Vernissage 3. September 15 Uhr.
Season Opening der Basler Galerien 3. September von 17 oder 18 bis 20 Uhr.