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© Foto by Matthias Baus
"Don Carlos" als Zeitreise in die Opern-VergangenheitMonumental, düster und schwerfällig: Die Verdi-Oper auf Bühne des Theaters Basel Von Sigfried Schibli Zwei Verdi-Opern in einer Spielzeit: Diese seltene Konstellation bietet sich im Theater Basel gerade dar. Nach der vom Intendanten Benedikt von Peter radikal (und überzeugend!) auf ein Minimum reduzierten "Traviata" im letzten November folgte gestern Sonntag die Premiere der fünfaktigen französischen Fassung des "Don Carlos" von 1867.
Das klingt oft laut, zu laut etwa im Duett zwischen Don Carlos und Marquis von Posa, nicht selten aber auch ungemein farbig und klangsensibel wie im Duett von Elisabeth und Don Carlos ebenfalls im ersten Akt. Ob der Beifall im gleichen Masse dem französischen Regisseur Vincent Huguet (46) und dem als "Bühnenbildner-Legende" angepriesenen Richard Peduzzi (79) galt, darf bezweifelt werden. Einerseits wirkt Huguets Personenführung oft standardisiert und wenig originell. Dort, wo er sein Handwerk zeigen könnte, etwa in der Ballszene des dritten Aktes, wirkt die Regie hilflos.
Und dann hat Basel mit "Don Carlos" ja eine eigene, bemerkenswerte Geschichte. Viele Opernbesucher erinnern sich wohl noch an den "Don Carlos" aus dem Jahr 2006, mit dem der katalanische Regisseur Calixto Bieito einen heilsamen Opernskandal verursachte – Stichworte: viel Blut, Folterszenen und nacktes Fleisch auf der Opernbühne. Es waren starke, provozierende Bilder, die über den Sinneskitzel hinaus zum Nachdenken anregten und wohl niemanden unbeteiligt liessen.
Davon ist in der neuen Inszenierung der Grand Opéra von Giuseppe Verdi nicht viel zu sehen. Richard Peduzzis hatte einst in Bayreuth den "Jahrhundert-Ring" von Patrice Chéreau kongenial ausgestattet. Das war 1976, und seither ist die Bühnenästhetik nicht stehen geblieben.
Alles muss hier monumental, düster und schwerfällig sein. Die Farben bewegen sich in einem engen Spektrum von Militärgrün über Kardinalsrot und Violett bis Schwarz. Helle Farben kommen so gut wie gar nicht vor, die Lichtregie wirkt zufällig. Und die Figurenzeichnung ist, auch dank der fantasielosen Kostüme von Camille Assaf, ungemein konventionell: Der König ist ein leicht schmierig wirkender, polternder Wamsträger, der auch mal mit Prinzessin Eboli die Bettstatt teilt. Sein Sohn Carlos, der die eigene Stiefmutter begehrt, trägt wie ein Cowboy konsequent Lederbekleidung, das priesterliche Personal ganz in Schwarz schwingt stereotyp das Kreuz, der Grossinquisitor wirkt gemütlich wie ein singender Don Camillo. Oper kann ja so lächerlich sein.
Nicht lächerlich, aber auch nicht überragend sind die Gesangsleistungen. Nathan Berg ist ein grobschlächtiger, erst in seiner Szene "Elle ne m'aime pas" mit differenziertem Piano aufwartender Königs-Bass. Sein Sohn Carlos wird von Joachim Bäckström mit hellem, sauber geführtem, aber etwas eindimensionalem Tenor gesungen. John Chest bringt für den Marquis de Posa einen farbenreichen, ausdrucksvollen Bariton mit. In den Frauenpartien brilliert Kristina Stanek als Prinzessin Eboli nicht nur mit packendem Spiel, sondern auch mit solide sitzenden Koloraturen. Die Sopranistin Yolanda Auyanet als Elisabeth von Valois setzt stimmlich markante, etwas scharfe Höhen-Akzente.
Am Ende ist dem Regisseur doch noch etwas Versöhnliches eingefallen: Nachdem der Marquis von Posa und Eboli umgebracht wurden und die überlebenden Elisabeth und Carlos sich wiedergefunden haben, ziehen sie mit einem Mädchen als junge Familie durch die Wälder in eine hoffentlich optimistische Zukunft. Ihr Leben wenigstens geht weiter. 14. Februar 2022
"Inszenierung und Bühnenbild sah ich anders" Sigfried Schibli schätze ich seit Jahren als erfahrenen und kompetenten Beobachter des Basler Musiktheaters, ich bin glücklich, dass seine Opernrezensionen noch immer in vielen Aspekten nachvollziehbar sind, sogar wenn man seine Meinung nicht vollumfänglich teilt. OnlineReports sei gedankt, dass sie diesem hoch professionellen Journalisten ihre Plattform bieten. Franz König, Präsident Freundeskreis Sinfonieorchester Basel, Basel und Reinach "Die definitive Aufforderung" Danke! Wenn der geschätzte Sigfried Schibli die Inszenierung des aktuellen "Don Carlos" unter anderem als "ungemein konventionell" bezeichnet, dann ist das für mich als Opernfreund die definitive Aufforderung, mich ins Theater zu begeben. Skandale wie die erwähnte Inszenierung von 2006 braucht man nicht auf der Opernbühne. Und merken Sie etwas? Um den damals gehypten Calixto Bieito ist es inzwischen sehr, sehr ruhig geworden. In wenigen Jahrzehnten wird man ihn komplett vergessen haben. Die Musik Verdis hingegen wird stets grossartig bleiben. Tja... Ralph Pringsheim, Basel |
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