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"Diese Frage ist absolut geklärt"": ÖV-Manager Büttiker, Stehrenberger
Trotz Kooperations-Absicht getrennte Trambestellungen
ÖV-Unternehmen BLT und BVB folgen bei der Bestellung neuer Trams eigenen Bedürfnissen und gehen getrennte Wege
Von Peter Knechtli
Vor wenigen Wochen bekräftigten die Basler Verkehrsbetriebe (BVB) und die Baselland Transport AG (BLT), verstärkt kooperieren zu wollen. Doch eine gemeinsame Tram-Beschaffung gibt es nicht: Beide Anbieter gehen eigene Wege – einvernehmlich. Gleichzeitig zeichnet sich eine Entspannung an gefährlichen KAP-Haltestellen ab.
Rollmaterial-Beschaffungen sind Dauerthemen der Betriebe des öffentlichen Verkehrs. Jetzt gerade hat die BLT Bedarf: Vor einer Woche schrieb das Transport-Unternehmen mit Sitz in Oberwil die Beschaffung von 25 Trams aus, die zwischen Herbst 2023 und 2025 geliefert werden sollen, wie die "BZ" schrieb. Teil der Anforderung ist sicherheitshalber auch eine Option auf weitere 15 Fahrzeuge, die bis Ende 2028 sollen abgerufen werden können.
BLT-Direktor Andreas Büttiker bestätigte gegenüber OnlineReports, dass es darum gehe, die Trams der Linie 17 und der Einsatzlinie 11 zu ersetzen, die in die Jahre gekommen sind. Die Ausschreibung sei von allen drei Standort-Kantonen Baselland, Basel-Stadt und Solothurn positiv beurteilt worden. Bis Ende Oktober sollen die Offerte eingehen. Im Frühjahr 2021 soll der Zuschlag erfolgen und in der Jahresmitte die Bestellung ausgelöst werden.
Aus der "vertieften Zusammenarbeit" ...
Das Interesse an diesem auf 100 bis 125 Millionen Franken Volumen geschätzten Auftrag scheint gross zu sein. Der bisherige BLT-Hauptlieferant Stadler Rail (Niederflur-"Tango"), aber auch weitere Anbieter wie Bombardier oder die spanische GAF dürften sich darum bewerben. Selbst ein chinesischer Anbieter liess sich für die Bestellung der Unterlagen die Kaution von 10'000 Franken kosten.
Wer allerdings Mitte Februar die gemeinsam veröffentliche Erklärung von BLT und BVB gelesen hat, könnte stutzig werden. Darin wird die "vertiefte Zusammenarbeit" angekündigt. Wörtlich: "Die geplanten Investitionen für Fahrzeuge, Depots- und Garageninfrastruktur werden abgesprochen". Damit werde "sichergestellt, dass die Kapitalintensiven Ressourcen bestmöglich genutzt werden".
... wird eine "Absprache"
Auf die Fahrzeug-Beschaffung bezogen heisst das, dass ausgerechnet eine der "Kapitalintensiven Ressourcen" von der vertieften Zusammenarbeit ausgeschlossen bleibt und bloss dem Anspruch der "Absprache" genügen muss.
Tatsächlich scheinen beide Tram-Betreiber der Region von der ursprünglichen Option einer Preisoptimierung durch gemeinsame Rollmaterial-Beschaffung abgekommen zu sein. Die Verwaltungsräte wie auch die operativen Spitzen der beiden Unternehmen haben sich im Frühjahr "einvernehmlich" (Büttiker) auf getrennte Beschaffungen geeinigt – unter anderem, weil die Streckennetz-Charakteristiken unterschiedliche Tram-Typen erfordern. "Diese Frage", so der BLT-Chef, "ist absolut geklärt".
BVB wollen bei "Flexitys" bleiben
Investitionsbedarf haben auch die BVB, die ihre 61 Tram-Komponenten des Typs "Flexity" von Bombardier um 33 Fahrzeuge desselben Typs erweitern möchten, der für den Stadtbetrieb geeignet scheint. Wie Sprecher Benjamin Schmid gegenüber OnlineReports bestätigte, sind die BVB mit den "Flexity"-Trams "sehr zufrieden". Deshalb wollen sie auch bei Rollmaterial dieses Typs bleiben, selbst wenn die Fahrzeuge unter anderem "die Anforderungen für die Überlandstrecken der BLT nicht erfüllen und dort entsprechend nicht 1:1 eingesetzt werden können".
Die BVB halten laut Schmid eine Option auf weitere 51 Fahrzeuge. Für den Ersatz der "Cornichon2-Trams, die mit Anhänger verkehren, werden davon voraussichtlich 25 in einem ersten Optionslos bestellt werden. Diese Trams sollen bereits ab 2023 verfügbar sein. Nach Ausmusterung der Cornichons verfügt die BVB dann über eine vollständig niederflurige Tramflotte. Zudem sei ein weiteres Los mit voraussichtlich acht Fahrzeugen mit einer Lieferung im Jahr 2024 in Planung.
Im Werkliefervertrag von Bombardier seien zur Zusatzbestellung "sehr attraktive Preise" festgelegt worden. Schmid: "Diese Möglichkeit möchten die BVB nutzen." Ebenso liessen sich Skaleneffekte im Unterhalt, im Betrieb und Weiterentwicklung der "Flexity"-Trams erzielen, wenn Trams des gleichen Typs beschafft werden.
Ungelöstes Problem Kap-Haltestellen
Dagegen wiederum hat die BLT nichts einzuwenden. Vielmehr will sie sich laut Büttiker auf die Optimierung und künftigen Anforderungen von Behörden und Nutzergruppe konzentrieren. So sollen den Komfort optimierende und die Schienen-Abnützung schonende Rädertechnologie in den neuen Trams die Laufruhe der Fahrzeuge, die heute noch zu wünschen übrig lassen, verbessern.
Ein heikleres Thema sind die Gefahren der neugebauten behindertengerechten 27 Zentimeter hohen Kap-Haltestellen, die ein hindernisfreies Ein- und Aussteigen an Haltestellen ermöglichen. OnlineReports hat schon vor fünf Jahren darauf hingewiesen, dass dadurch für Radfahrer gefährliche Situationen entstehen, wenn zwischen Gleis und Randstein ein Abstand vor nur gerade gut 70 Zentimetern besteht (kleines Bild).
BLT zeigt Verständnis für Forderung
Wollen Velofahrer der Engnis ausweichen und zwischen die Schienen fahren, droht ihnen bei Nässe gerade nochmals Gefahr. Gerichtsentscheide und an Intensität gewinnende Äusserungen von Verbänden verstärken die Forderung nach sogenannten "Schiebetritten" in Trams. Die Kap-Randsteine sollen um gut 20 Zentimeter zurückversetzt werden, was den Raum für Radfahrende verbreitert, während gleichzeitig die Trams an Haltestellen sensorengesteuerte Tritte ausfahren und auch ein hindernisfreies Ein- und Aussteigen ermöglichen.
Mit Spannung warten diese Verbände deshalb eine verbindliche Aussage darüber, ob deren Einbezug von Schiebetritten Teil der Offerten bei künftigen Beschaffungen seien. OnlineReports konfrontierte BLT-Chef Büttiker mit der Frage. Seine Antwort: "Diese Forderung ist grundsätzlich berechtigt." Deshalb verlange die Ausschreibung auch Antworten auf drei Varianten: Ohne Schiebetritte, mit Option auf nachträglichen Einbau von Schiebetritten und eingebaute Schiebetritte an sämtlichen Türen.
IGöV begrüsst Schiebetritt-Option
Stephan Appenzeller, der Präsident der "IGöV Nordwestschweiz", begrüsst diese Optionen ausdrücklich, wie er gegenüber OnlineReports ausführte. "Damit besteht die Aussicht, in einigen Jahren die für Velofahrende gefährlichen Kap-Haltestellen umbauen und sanieren zu können." Doch jetzt müssten "die BVB nachziehen und auch ihre geplante Trambeschaffung mit Schiebetritten bestellen".
Alles andere würde die Korrektur des Planungsfehlers aus dem Jahr 2006, als die heutigen Normen mit den zu engen Abständen zwischen Haltestellen und Tramschienen festgelegt wurden, "für Jahrzehnte verhindern", so Appenzeller weiter.
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30. April 2020