© Foto by OnlineReports.ch
![]() "Sicherer geworden": Basler Staatsanwälte* bei Kriminalstatistik-Präsentation
Fabbri, Gass und der öffentliche Nutzen von Staats-StatistikenBeispiel Kriminalitätsstatistik: Nicht Zahlenbeigerei ist gefragt, sondern Interpretation und Handlungs-Strategien Von Peter Knechtli Erst seit ein paar Monaten im Amt, steht der neue Erste Basler Staatsanwalt Alberto Fabbri laut der "Basler Zeitung" schon zum Gefecht in der Arena. Sein Gegner: Regierungsrat Hanspeter Gass. Grund des Duells: Der freisinnige Sicherheitsdirektor prüfte zwei Änderungen, die die Staatsanwaltschaft betreffen. Zum einen erwog er – aus Gründen möglicher Kosteneinsparungen – die Zusammenlegung der Informatik der Strafverfolgung mit jener seines Justiz- und Sicherheitsdepartements; zum andern beabsichtigt er, die jährliche Medien-Präsentation der Kriminalstatistik unter seine Fittiche zu nehmen. Gegen beide Pläne wehrte sich der höchste Basler Strafverfolger. "Der Sicherheitsdirektor ist zu allererst Schon dadurch ist gerechtfertigt, dass der vom Volk gewählte höchste politisch für die Sicherheit in diesem Kanton Verantwortliche für die Kriminalbilanz geradesteht. Und das ist derzeit Hanspeter Gass. Ausserdem ist die Staatsanwaltschaft laut Gerichtsorganisationsgesetz der Aufsicht des Regierung unterstellt. Dabei spielt das Justiz- und Sicherheitsdepartement die Rolle des Dreh- und Angelpunkts. Der Sicherheitsdirektor muss gegenüber der Basler Öffentlichkeit und dem Grossen Rat über die Sicherheitslage in diesem Kanton Rechenschaft ablegen. Er ist erste Adresse, wenn es mal Lob zu verteilen gibt – aber auch erster Ansprechpartner bei Pannen, Watschenmann für alle Fälle und Klagemauer des gesunden Volksempfindens. Nichts spricht dagegen, dass der Exekutivpolitiker den sicherheitspolitischen Rechenschaftsbericht federführend vorstellt – erst recht nicht, wenn auch der Erste Staatsanwalt und der Polizeikommandant mit eigenständigen Kommentaren der Präsentation beiwohnen. Dabei ist die Wahl der Protagonisten, die vor den Medien auftreten, nur zweitrangig entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, ob die kommunizierende Behörde – ob Regierungsrat oder Staatsanwaltschaft – eigen- oder gemeinnützige Ziele verfolgt. Denn machen wir uns nichts vor: Die Sicherheits-Befindlichkeit einer Bevölkerung ist ein emotional äusserst sensibles Gebiet, das im Extremfall über Wiederwahl oder Nichtwiederwahl eines verantwortlichen Regierungsrates entscheiden kann. Die Verlockung könnte deshalb gross sein, den Tag der Wahrheit – die Präsentation der jährlichen Kriminalstatistik – als Event der Imagepflege zu inszenieren. "Geht es um eine Bewertung der Zahlen, Ich erinnere mich an zwei gegensätzliche Beispiele. Im Februar 2007 sagte der damalige Erste Staatsanwaltschaft Thomas Hug bei der Präsentation der Kriminalstatistik, Basel sei "sicherer geworden". Dies aufgrund der während zwei Jahren rückläufigen Kriminalfälle. Hat je ein führender Exponent der Anklagebehörde öffentlich verkündet, Basel sei "unsicherer" geworden? Er wird dies besser unterlassen, will er sich nicht umgehend mit dem für Sicherheit zuständigen Regierungsrat anlegen. Beispiel zwei: Die Frage an Profis der Staatsanwaltschaft, ob es eine wachsende "Ausländerkriminalität" gebe, wurde hinter der Hand schon bestätigt. Öffentlich werden sich die Ermittler von Front vor solchen Bewertungen hüten ("das muss die Politik entscheiden"). Die grundsätzliche Frage, welchem Zweck (in diesem Falle staatliche) Statistiken dienen, lässt sich weit über den Kriminalitätsbereich hinaus ausdehnen. Sicherlich sind bei der Beurteilung von Zahlenanalysen auch die Interessen der Auftraggeber, auch der öffentlichen, zu hinterfragen. "Weniger Fälle in der Sozialfürsorge" könnte eine Schlagzeile lauten, die aufgrund von Statistiken publik gemacht wird. Eher unwahrscheinlich dagegen ist, dass das zuständige Departement die Schlagzeile "Stark erhöhte Zahl an Sozialfällen" für publizierenswert hält. Medienschaffende dürfen also davon ausgehen, dass die Departemente in der Regel die zur Publikation freigegebenen Statistiken zumindest nicht als imageschädlich einstufen. Wie andere Kantone und der Bund betreibt auch der Kanton Basel-Stadt ein Amt für Statistik. In Basel-Stadt ist es das dem Präsidialdepartement angegliederte Statistische Amt, das regelmässig seine "Dossiers" veröffentlicht. In diesen Bulletins werden ausgewählte aktuelle Zahlen sorgfältig präsentiert und kommentiert. Der Tenor der Überschriften ist oft positiv besetzt: "Inflation nach wie vor kein Thema", "Erstes Quartal verläuft positiv, ...", "Containerverkehr wächst zweistellig", "Weniger Arbeitslose wegen Revision der Arbeitslosenversicherung" oder "Hohe Einkommen mit mehr Ertrag", lauten die Schlagzeilen der neusten Ausgabe und vermitteln so den Eindruck einer krisenresistenten Entwicklung (die wir nicht bestreiten wollen). Wären auch Schlagzeilen wie "Containerverkehr sackt ab" oder "Starker Anstieg der Arbeitslosenzahlen" denkbar, die auf ungenügendes Handeln der Regierung schliessen liessen? Sicher ist nur: Erstens herrscht über die Auswahl der kommunizierten Zahlen keine Transparenz und zweitens sind Statistiken immer auch unter dem Aspekt des Imagenutzens durch Good News-Politik zu gewichten. "Erfolgreich ist, wer den Finger auch Die Zahlenbasis ist aber nur das Eine. Das Andere – und dies wäre für die Öffentlichkeit und den politischen Diskurs hilfreicher – wären Hinweise auf die Interpretation der Zahlen, ihre konkrete Bedeutung für Basel-Stadt im Kontext und die konkrete strategische Auswirkung auf den politischen Prozess. Dasselbe gilt für die Kriminalstatistik. Regierungsrat Hanspeter Gass wäre schlecht beraten, wenn er die Präsentation des düsteren Zahlenwerks für sich beanspruchte, um damit die "sichere Stadt" sozusagen wissenschaftlich zu untermalen. Nach meiner Erfahrung kommuniziert erfolgreich, wer die tatsächlichen Verhältnisse nicht schönzureden versucht, sondern den Finger auch auf die Schwachstellen richtet und den Handlungsbedarf aufzeigt. Wenn Gass als politischer Repräsentant zusammen mit dem Ersten Staatsanwalt und dem Polizeikommandanten die Kriminalbilanz gemeinsam präsentiert, könnte sich eine profunde Gesellschaftsanalyse ergeben, die professionelles Knowhow mit politischen Handlungsabsichten verbindet. Damit wäre der Öffentlichkeit eher gedient als mit Zahlenbergen, die in keinem politischen Kontext stehen. Oder auf die Imagepflege umgelegt: Ein Politiker, der nebst Sonnen- auch Schattenseiten deklariert und erklärt, wie er sie beseitigen will, gewinnt in der öffentlichen Meinung an Glaubwürdigkeit. * von links: Beat Voser, Thomas Hug, Beat Burkhardt im Jahr 2007 11. Juli 2011
|
www.onlinereports.ch - Das unabhängige News-Portal der Nordwestschweiz
© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.
Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigene Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.
Auf dieser Website gibt es Links zu Websites Dritter. Sobald Sie diese anklicken, verlassen Sie unseren Einflussbereich. Für fremde Websites, zu welchen von dieser Website aus ein Link besteht, übernimmt OnlineReports keine inhaltliche oder rechtliche Verantwortung. Dasselbe gilt für Websites Dritter, die auf OnlineReports verlinken.