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Der Aufstand der "smarten" Maschinen gegen die Arbeit
Die Pluralform von Zukunft heisst Zukünfte. Es kann nach Duden also mehr als eine eben. Doch welche setzt sich zuletzt durch? Meistens kommt es anders als erwartet. Die Wende von 1989 hat niemand vorausgesehen. Bei anderen Beispielen verhält es sich genau gleich.
Basel, 29. September 2014
Trotzdem wird immer wieder versucht, die Zukunft vorauszusagen. Dafür gibt es bessere Prognosemethoden, als im Kaffeesatz zu lesen. Wer nicht an Orakel, Horoskope und dergleichen glaubt, geht von dem aus, was ist, und überlegt, was sich daraus entwickeln könnte. Das heisst, dass die Zukunft längst begonnen hat, nämlich schon gestern, als das Heute in die Wege geleitet wurde, aus dem die neue Zeit hervorgeht.
Bei schönstem "indian summer" draussen sassen ungefähr vierzig Menschen auf Einladung der GGG Stadtbibliothek in einem Keller, in dem die Stadtbibliothek im Schmiedenhof vorübergehend untergebracht ist, und hörten sich an, was es über die Zukunft zu sagen gibt. Auf dem Podium sassen Ueli Mäder, Soziologie-Professor der Uni Basel, und Gerd Leonhard, Zukunftsforscher und CEO von The Future Agency in Basel, die, von Roger Ehret befragt, ihre Vorstellungen entwickelten.
Maschinen ersetzen nur manuelle Arbeit
Das wichtigste Thema, das auch im Publikum auf das grösste Echo stiess, war der Verlust der Arbeit. "In zwanzig Jahren ist arbeiten, um Geld zu verdienen, vorbei", meinte Leonhard pointiert. Manuelle beziehungsweise repetierte Arbeit ist ersetzbar und verschwindet, auch zum Beispiel in der Finanzindustrie. Sie kann mehr und mehr maschinell erledigt werden. Richtigerweise sprach Leonhard von intelligenten und "smarten" Maschinen, Stichwort: Googles selbstfahrendes Auto.
Heisst das, dass die Menschen arbeitslos werden? Leonhard beschwichtigte. An Stelle der roboterisierten Arbeit treten neue Berufe wie Therapeuten, Köche, Künstler, Professoren, Berater für alle Lebenslagen. Zum Beispiel Offline-Berater, denn das Suchtpotenzial, das mit der exponenziell anwachsenden technischen Entwicklung einhergeht, genauer gesagt mit den produzierten und perfektionierten Gadgets, ist längst als hochproblematisch erkannt worden.
Angst? Freiheit?
Auf der einen Seite also gibt die technische Entwicklung Anlass zur Sorge, weil sie mit dem Verlust der Arbeit (und des Arbeitsplatzes) verbunden ist, andererseits ergeben sich neue Formen von sowohl Abhängigkeit wie Euphorie.
Leonhard vertrat tendenziell den Standpunkt der Technik. Jedes Problem lässt sich durch sie und durch verbesserte Software lösen. Dass in Japan Roboter alte Menschen pflegen, fand er "eher eine gute Sache". Aber er sah auch ein, dass die Sozialkontakte unter der Entwicklung zu kurz kommen und darunter leiden können.
Ueli Mäder stellte seinerseits generell den bedrohten sozialen Zusammenhang in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Wir sind aus einer "Zwangsgeborgenheit" wie in der Vergangenheit herausgerissen und müssen uns in einer neuen unsicheren gesellschaftlichen Realität zurechtfinden, mit Impulsen nicht von oben, sondern von unten. Wahrscheinlich haben wir es dabei mit einem Generationsproblem zu tun. Ältere Menschen sehen die Welt, die über sie hereingebrochen ist, pessimistischer, jüngere dagegen haben eine neue Freiheit gewonnen und passen sich in einer rasch sich verändernden Welt kreativ an. Klar, müssen sie auch. Was sonst.
Zukunft ist gestaltbar
Gegen die Verschärfung der sozialen Bilanz, wofür die neuen ökonomischen Hardliner meistens nur Spott übrig haben, berief sich Mäder auf den Staat als politisches Korrektiv. Zugleich machte er aber auch deutlich, dass Zukunft von den Menschen gestaltbar sei, nur eben, dass es dazu der Freiheit einer stabilen Sozialstruktur zu ihrer Entfaltung bedarf.
Wie aber soll man diese Unabhängigkeit gegen das Regime der Algorithmen und gegen die sich vertiefende soziale Kluft verteidigen? Und wie soll die Macht der Konsumenten, von der Leonhard sprach, gegen die Herrschaft der Maschinen, selbst der „smarten“ Maschinen, durchgesetzt werden? Ein schwieriger Fall, zugegeben, aber bestimmt kein Grund, es nicht doch zu versuchen. "Vielleicht kommt es gut", meinte Mäder.
Das tönte nicht besonders vertrauensvoll. Doch sollte sich Geschichte in überraschenden Sprüngen und Brüchen vorwärtsbewegen, wie sich nicht ausschliessen lässt, man denke an die Enthüllungen von Edward Snowden, die niemand voraussehen konnte und die die Welt gehörig aufgerüttelt haben, dann ist noch nicht alles zu Ende.