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"Für uns kein Problem": Grüne EnergiepolitikerInnen*
Baselbieter Grüne wollen 50 Prozent erneuerbare Energie
Neue Volksinitiative verlangt, dass bis 2030 mindestens die Hälfte des Energieverbrauchs aus sanften Quellen stammt
Von Peter Knechtli
Den "energiepolitischen Schlendrian" im einstigen Fortschrittskanton wollen die Baselbieter Grünen beenden: Sie lancieren eine Volksinitiative, mit welcher bis ins Jahr 2030 mindestens die Hälfte des Energieverbrauchs im Kanton aus erneuerbaren Quellen stammen soll. Hoch im Kurs stehen bei den Initianten - nebst Sparstrategien - die Geothermie, Bio-, Wind- und Sonnenenergie.
Die Verärgerung der Baselbieter Grünen darüber, wie sich der einstige Pionierkanton Baselland in die energiepolitische Agonie versetzt hat, war mit Händen zu greifen, als sie heute Donnerstagmorgen in Liestal ihre neue Energieinitiative vorstellten. Der Liestaler Stadtrat Lukas Ott sprach gar von einem "energiepolitischen Schlendrian", der sich im Baselbiet breit mache. Deprimierend wäre dies, wenn nicht wenigstens innovationsfreudige Energieversorger aus eigener Initiative für einige Lichtblicke am Horizont sorgten.
Neue Zielmenge-Strategie
Mit einer auf die kantonalen Wahlen hin lancierten Volksinitiative wollen die Grünen der Bau- und Umweltschutzdirektion - auch wenn sie, wie schmunzelnd bemerkt wurde, von einem Politiker aus ihren eigenen Reihen geführt werde - Dampf machen. Ihr Ziel: Bis im Jahr 2030 soll im Baselbiet der Anteil an erneuerbaren Energien am Gesamtverbrauch "mindestens die Hälfte" betragen. Der Kanton müsse dazu gesetzliche Rahmenbedingungen - etwa in den Energie- und Baugesetzen - und die nötigen Massnahmenpläne schaffen.
Die Anstrengungen, im Baselbiet eine Energiewende in Richtung Nachhaltigkeit einzuleiten, gehen Jahrzehnte zurück. Anfänglich machte sich der Kanton im Gefolge der "Kaiseraugst"-Auseinandersetzung mit staatlichen Anreizen um die Nutzung und Förderung der Sonnenenergie verdient. Doch dann war Schluss. Zwar überwies der Landrat in den neunziger Jahren ein Postulat der grünen Landrätin Edith Stauber für eine ökologische Steuerreform, doch zu praktischen Konsequenzen sah sich die Regierung nie veranlasst. Auch die Vorstösse zur kostengerechten Abnahme von Strom aus Photovoltaikanlagen scheiterten. So wurde die Solarinitiative Ende November 2003 vom Volk mit einem Neinstimmen-anteil von 55 Prozent abgelehnt, dafür der regierungsrätliche Gegenvorschlag angenommen, der bisher ein Buchstabenwrack geblieben ist, das Fachleute als völlig untauglich bezeichnen.
Grüne setzen auf Geothermie und Biomasse
Statt nun weitere Instrumente für eine Energiewende in dies Diskussion zu werfen - was den Grünen unerspriesslich erscheint (Ott: "Punktuelle Projekte bringen uns nicht weiter") -, soll nun mit Ziel- und Zeitvorgaben sozusagen "am Ende begonnen" werden: Wird die Initiative vom Volk angenommen, sind die politischen Gremien gezwungen, die Instrumente und Technologien selbst zu definieren, die zur Erreichung des Ziels nötig sind.
Nur gerade 17,2 Prozent (1990: 16,1 Prozent) des heutigen Gesamtenergieverbrauchs im Baselbiet stammen aus erneuerbaren Quellen, darunter mit 14,2 Prozent der Löwenanteil aus Wasserkraft. Geht es nach den Grünen, soll sich die im Jahr 2030 angestrebte Hälfte an erneuerbarer Energie laut Parteipräsident und Landrat Philipp Schoch so aufteilen: Geothermie 20 Prozent, Biomasse 10 Prozent, Wasser 15 Prozent, Wind 1 Prozent und Sonne gerade mal 2 Prozent. Obschon die Sonnenenergie offenbar nicht als sehr potent eingeschätzt wird, wäre ihre "Vernachlässigung ein Fehler, der schnellstmöglich korrigiert werden muss".
Für Windpark auf Jurahöhen
Aufhorchen liess sodann Schochs unwidersprochenes Bekenntnis, die Baselbieter Jurahöhen böten "Potenzial für einen Windpark". Von OnlineReports um Bestätigung dieser Aussage gebeten, sagte Schoch: "Das ist für uns kein Problem. Wir müssen uns dieser Frage stellen." Offenbar rechnen die Initianten nicht mit nennenswertem Widerstand aus Naturschutzkreisen. So gehöre auch Urs Leugger von "Pro Natura" dem Initiativkomitee an. Die Grünen stützen sich in ihren Berechnungen auf Angaben des Kantons, wonach im Baselbieter Jura 48 Windkraft-Anlagen an 16 Standorten "denkbar" wären. Andere Stimmen wie Nationalrätin Maya Graf räumten etwas vorsichtiger ein, es handle sich um einen "Kompromiss" zwischen den Idealen des Landschaftsschutzes und jenen der nachhaltigen Energie.
Auffällig am Konzept der Grünen ist das starke Gewicht, dass der Geothermie und der Biomasse-Verwertung eingeräumt wird - beides Technologien, die in Basel-Stadt und im Baselbiet nächstens oder bereits erprobt werden. Kritisch ist allerdings die Sicherheit, mit der sich die Initianten auf die Geothermie berufen, solange nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass sich die "Schlüsseltechnologie dieses Jahrhunderts" (so EBL-Direktor Urs Steiner) so erfolgreich anwenden lässt, wie dies die regionalen Energiepolitiker erhoffen. Landrätin und Parteivizepräsidentin Sarah Martin führte präzisierend aus, dass den genannten Substitutionsplänen das Szenario zu Grunde liegt, wonach sich bis 2030 durch die Umsetzung realistischer Minergie-Standards 20 Prozent Energie einsparen liessen.
Mit ihrer Initiative sind die Baselbieter Grünen nicht allein. Auch in den Kantonen St. Gallen, Zürich, Luzern, Thurgau und Bern sind ähnliche Begehren spruchreif, wie Maya Graf erklärte.
Grüne Wirtschaft schafft Arbeitsplätze
Den wirtschaftlichen Nutzen der Initiative strich Regierungsratskandidat Isaac Reber heraus: "Die Ökologisierung der Wirtschaft bringt uns Arbeitsplätze zuhauf." Zudem: "Nicht erneuerbare Energien werden immer teurer, erneuerbare Energien immer billiger." Deshalb seien die sanften Energien "ein Wachstumsfaktor erster Güte, den es endlich zu nutzen gilt".
Als Beispiel für praktische Nachhaltigkeit nannte Reber den in Basel gestarteten Solar-Katamaran "Sun21", zu dem er eine Satellitentelefon-Schaltung vornahm und live den Passagier Beat von Scarpatetti. Von ihm war zu erfahren, dass sich das Gefährt nun in der Nähe von Casablanca befinde, dass das Gleiten über die Wellen an eine Fahrt über Dünen erinnere und dass er und sein Mitreisender Martin Vosseler während 12 Stunden von der Seekrankheit befallen worden seien.
* von links.: Isaac Reber, Maya Graf, Sarah Martin, Philipp Schoch, Lukas Ott
7. Dezember 2006