Fitness-Wahn auch unter den Älteren
Meine Generation befindet sich ja bekanntlich in einem Fitness-Wahn. Immer mehr Jugendliche gehen in ihrer Freizeit "pumpen" und teilen Spiegel-Selfies aus dem Fitnessstudio. Wer schlacksig statt breit ist, gilt schnell als "Lauch".
Von mir aus können die mich ab jetzt auch Stangensellerie nennen, mir egal. Denn die wahre Sportbegeisterung ist auf dem Vitaparcours beim Allschwiler Weiher zu finden. Die ältere Generation stellt dort jeden "Pumper" in den Schatten.
Im Rahmen des Sportunterrichts drehten wir dort unsere Runden. Das "Outdoor-Workout", wie es am Gymnasium trendig heisst, wurde zu einem Generationen-Wettkampf. Unsere Konkurrenz: Zahlreiche 30 bis 60-Jährige, die verbissen ihre Körper stählen und dabei nicht wirklich glücklich aussehen.
Im Vergleich zu denen schmilzt der "jugendliche Fitness-Wahn" zu einem harmlosen Stangensellerie-Lauch-Smoothie.
"Unsere ältere Konkurrenz trug eine
ganze Fitness-Kollektion im Neon-Look."
Bei jedem Posten, den wir in Angriff nahmen, sassen uns die Vormittags-Sportler dicht im Nacken. Unsere ältere Konkurrenz war einfach immer schneller. Auch wenn ich aufgrund ihrer äusseren Erscheinung erst dachte, die sollten es doch bei Wasser-Aerobic belassen.
Im Langlauf oder Skisport hätte es jetzt geheissen: "Das Material hat den Unterschied ausgemacht." Wir trugen unsere Haustür-Schlüssel lose in der Hand und klemmten sie während den Liegestützen zwischen die Finger. Oder hatten "Turnsäckli" umgehängt, die beim Rennen wie wild auf dem Rücken umherhüpften.
Unsere Konkurrenz hingegen trug eine ganze Fitness-Kollektion im Neon-Look. Das sah verdächtig nach "Sponsoring by Ochsner-Sport" aus.
Inklusive unsexy Hüftgürtel mit Flaschenhalter. Wie gerne hätte ich sie nach der zwanzigsten Liegestütze nach einem Schluck Wasser gefragt. Doch der Sportlehrer gewährte keine Pause und forderte mit seinen gnadenlosen Motivationssprüchen: "No eini fürs Mami, no eini fürs Schätzeli ..."
Die harte Konkurrenz ist aber nicht der einzige Grund, weshalb Jugendliche selten freiwillig auf dem Vitaparcours "pumpen" – es gibt dort keine Spiegel.
Dennoch nahmen wir uns zum Schluss vor, regelmässig in der Freizeit den Vitaparcours zu besuchen. Schon die folgende Woche haben wir diesen Vorsatz fallen lassen, wir Lauche.
Ein Tipp zum Schluss: Seien Sie auf dem Vitaparcours nie, aber wirklich nie ohne Kopfhörer unterwegs. Denn alle anderen ziehen sich ihre "Power-Playlists" rein und nehmen nicht mehr wahr, wie laut sie bei den Übungen stöhnen und schnaufen.
9. September 2019
"Wandelnde Reklamesäulen"
Gut beobachtet lieber Max. Immer mehr fällt die "ältere" Fitness-Generation auf, die als wandelnde Reklamesäulen mit dem neusten und teuersten Material notabene an jeder Ecke um die Kurven hetzen und das nicht nur auf dem Vitaparcours. Dabei gibt es sinnvollere Alternativen (und nicht nur für die "alten Naiven", wie mein Enkel meint, er auch ein Abgänger vom Oberwiler Gymi...).
Persönlich wohne ich im dritten Stock ohne Lift, aber mit 45 Stufen bis dorthin und das 2 bis 3 mal pro Tag macht etwa 270 mal Stufen hoch und runter steigen und das seit 52 Jahren. Das ist für mich Fitness üben und das im Alter von fast achtzig. Und bei den "Naturfreunden Basel" organisieren wir das ganze Jahr an jedem Mittwoch Wanderungen von 2 bis 3 Stunden und das bei jedem Wetter. Da lernt man/frau noch so nebenbei das Baselbiet, das Markgräflerland oder das Elsass kennen, ohne sture Runden zu drehen auf dem Vitaparcours. Und ein Neon-Look ist auch nicht notwendig.
Zufälligerweise sah ich gestern Sonntag, wie ein etwa 40- bis 50-Jähriger mit seinen Utensilien aus einem Oberwiler Fitnessstudio kam (von diesen "Studios" haben wir deren vier in unserer kleinen Gemeinde), sich in einen 8-Zylinder-Jaguar setzte und davon fuhr. Dass passt doch, oder...
Bruno Heuberger, Oberwil