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Kalte Raffgier: Die düstere Rückseite der tunesischen FerienkulisseFamilienclans um Präsident Ben Ali plündern das touristisch attraktive Land systematisch aus Von Beat Stauffer Tunesiens Ruf in Sachen Menschenrechten ist seit einigen Jahren schwer angeschlagen. Doch da Präsident Ben Ali stets ein zuverlässiger Bündnispartner des Westens war, die Islamisten mit harter Hand bekämpfte und Tunesien überdies als Insel der Stabilität und Prosperität gilt, waren westliche Regierungen bis anhin bereit wegzusehen. Nun sickert immer mehr nach aussen, dass das Land von einer Hand voll Familienclans systematisch ausplündert wird. Ben Alis Tunesien erinnert immer mehr an die Endphase des Suharto-Regime in Indonesien. Es sollte ein fettes Geschäft werden. Rote Korallen von der unberührten Nordküste Tunesiens bearbeitet, zu Gebetsketten zusammengefügt und nach Saudiarabien exportiert, versprachen satte Gewinnmargen. Der einzige Haken an der Sache: Eine staatliche Lizenz zur Ausbeutung und Ausfuhr der geschützten Korallen war kaum zu erhalten. Es sei denn, man wende sich an Mourad Trabelsi, einen Mann mit dubioser Vergangenheit und besten Beziehungen zum Präsidentenpalast in Karthago: Trabelsi ist der Schwager des tunesischen Präsidenten Ben Ali und Bruder der First Lady Laila Trabelsi, die angeblich hinter den Kulissen die Fäden zieht und über eine unheimliche informelle Macht verfügt. 2. August 2002
TUNESISCHE OPPOSITION
"Tunesien wird immer mehr zu einem Ganovenstaat"
Interview mit dem in Paris lebenden Medizinprofessor und tunesischen Oppositionspolitiker Moncef Marzouki
OnlineReports: Wie beurteilen Sie als ehemaliger Präsident der tunesischen Menschenrechtsliga die gegenwärtige Lage in Tunesien?
Moncef Marzouki: In Tunesien werden regelmässig kriminelle Akte im Auftrag des Staates begangen. Es beunruhigt mich sehr zu sehen, wie sich mein Land mehr und mehr zu einer "Voyoucratie", einem Ganovenstaat entwickelt, in dem selbst elementarste Rechtsgrundsätze verletzt werden. Diese Entwicklung halte ich für sehr gefährlich. Tunesien wird immer mehr zu einem Land, das der rohen Gewalt und dem alltäglichen Terror ausgeliefert ist. Der gegenwärtige Machthaber gibt sich nicht einmal mehr die Mühe zu verhindern, dass gewisse Dinge an der Spitze des Staates nicht geschehen können.
OnlineReports: Ist Präsident Ben Ali für diese Entwicklung verantwortlich?
Marzouki: Ben Ali führt dauernd einen doppelbödigen Diskurs. Ich bin überzeugt, dass er als ehemaliger Geheimdienstoffizier über alle wichtigen Vorgänge in Tunesien informiert ist. Deshalb halte ich ihn dafür verantwortlich. Ein Politiker kann allerdings auch Opfer seines eigenen Systems werden. Es ist vor allem dieses System das mich beunruhigt. Ich könnte mir sehr gut vorstellen dass Ben Ali eines Tages abtreten müsste, das von ihm ins Leben gerufene System aber bliebe. Wir fordern deshalb nicht nur den Weggang von Ben Ali, sondern auch die Auflösung seines Machtapparats.
OnlineReports: Die in Paris erscheindende Oppositionszeitung "L'Audace", aber auch andere Kritiker behaupten, Tunesien werde von einflussreichen Familien im Umkreis des Staatspräsidenten "ausgeplündert".
Marzouki: Alle Tunesier wissen das. Es ist das zentrale Thema auf den Strassen und in den Kaffeehäusern, und dies aus zwei Gründen: Erstens hat die Plünderung des Landes enorme Ausmasse angenommen. Zweitens geben sich die Plünderer nicht mal mehr die Mühe, diskret aufzutreten. Die unglaubliche Korruption ist einer der Hauptgründe, weshalb das tunesische Volk Ben Ali und sein Regime total ablehnen.
OnlineReports: Hierzulande ist immer wieder die Ansicht zu hören, Ben Ali führe zwar Tunesien mit harter Hand, zu seinen Gunsten sprächen aber die Stabilität und der relative Wohlstand des Landes.
Marzouki: Ich bin entrüstet über einen solchen Diskurs und verurteile kategorisch diese opportunistischen "Demokraten", die für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit in ihren Ländern eintreten, die sich aber anderswo problemlos mit Diktaturen abfinden. Diese "Demokraten" behaupten, Demokratie sei ein Luxus für Länder der sogenannten dritten Welt. Das ist schlicht arrogant. Vor allem aber glauben sie, diese Diktaturen schützten den Westen vor dem Islamismus. Da täuschen sie sich gewaltig. Schauen Sie: Ben Ali hat in den letzten zehn Jahren vor allem Krieg gegen demokratische Parteien und Menschenrechtsgruppierungen geführt. Ich bin überzeugt davon, dass diese sogenannten "Demokraten" sowohl ihren Ländern als auch uns einen sehr schlechten Dienst erweisen. Denn es sind gerade solche diktatorischen Regimes wie dasjenige Ben Alis, die dem Terrorismus Auftrieb geben.
OnlineReports: In welchem Mass ist das Regime von Ben Ali international bereits diskreditiert?
Marzouki: Ben Ali geniesst im Ausland kaum mehr Kredit. Jedermann weiss dass das heutige Tunesien ein undemokratischer Staat ist, in dem Vetternwirtschaft und Korruption blühen. Mit dem tragischen Anschlag in Djerba im April dieses Jahres hat sich gezeigt, dass es auch mit der viel gerühmten Stabilität nicht so weit her ist.OnlineReports: Welche Unterstützung geniesst Ben Ali noch in Tunesien?Marzouki: Ben Ali wurde anfänglich vom gesamten tunesischen Volk und auch von mir persönlich unterstützt. Zwar hatte ich gegenüber Ben Ali aufgrund seiner politischen Laufbahn schon immer Vorbehalte. Doch ich gab ihm in dieser besonderen historischen Situation dennoch einen gewissen Kredit. Diesen Kredit hat er endgültig verspielt. Heute, vierzehn Jahr nach seiner Machtübernahme, hat er das ganze Volk gegen sich: die Islamisten zu hundert Prozent, die Linke, die Kommunisten, die Demokraten und auch die untere Mittelschicht. Dies aus zwei Gründen: Die Elite wegen des Mangels an Freiheiten, die breite Bevölkerung wegen der grassierenden Korruption.
OnlineReports: Das tunesische Volk hat das Referendum, welches Ben Ali eine weitere Amtszeit ermöglicht und lebenslängliche Immunität garantiert, mit offiziell über 99 Prozent der Stimmen angenommen. Was folgern Sie daraus?
Marzouki: Das tunesische Regime hat nach altbewährter Manier die Wahlresultate gefälscht. Für mich ist klar: Präsident Ben Ali muss weg, ansonsten sehe ich schwarz für die Zukunft des Landes. Denn dieser Mann ist weder fähig, das Land auf einen demokratischen Weg zu führen, noch willens, sich zu ändern und die Zeichen der Zeit zu erkennen.
OnlineReports: Welche Botschaft richten Sie an die Menschen in Europa?
Marzouki: Meine Botschaft ist die folgende: Übt Druck aus auf eure Regierungen, damit diese ihrerseits Druck auf Ben Ali ausüben. Ein Machtwechsel in Tunesien ist dringend nötig; Ben Ali muss gehen. Der Übergang zu einer echten Demokratie muss allerdings auf friedliche Weise, ohne Gewaltexzesse und Blutvergiessen vor sich gehen".
Interview: Beat Stauffer
BEZIEHUNGEN
bst. Welche Erfahrungen machen Basler Unternehmen, die in Tunesien tätig sind? OnlineReports hat drei Firmen aus der Region Basel zu diesem Thema befragt: Weitnauer, Novartis und Clariant. |
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"Meine Rolle sieht bequem aus" |
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