© Foto by Peter Knechtli, OnlineReports.ch
Von SP bis SVP: Breiter Sukkurs für 88 Mio-Steuerpaket
Ein parteipolitisch ungewöhnlich breit abgestütztes Komitee will dem chronischen Basler Steuer-Streit ein Ende setzen: Mit einer Zustimmung zu einem Steuerpaket, das eine Entlastung von 88 Millionen Franken zur Folge hat.
Basel, 16. Februar 2023
Mitglieder von sechs Basler Grossratsfraktionen von SP bis SVP hielten heute Donnerstagmorgen beim Fototermin vor dem Domizil der Handelskammer beider Basel Päckli in der Hand. Damit warben sie für ein Ja zum Steuer-Sparpaket, wie es die mühsam errungene Teilrevision des "Gesetzes über die direkten Steuern" enthält.
Der Gastgeber und freisinnige Finanzexperte Luca Urgese verwies auf die lange Geschichte dieser Gesetzesänderung, die mit einer Gemeindeinitiative in Riehen begann und schliesslich durch verschiedene Vorstösse im Grossen Rat zu einem "breit abgestützten Kompromissvorschlag" führte, der eine grosse Mehrheit fand.
Zur Abstimmung kommt es am 12. März, weil die Juso, "Basta" und die Grünen gegen die nach ihrer Meinung ungerecht konzipierte Steuervorlage das Referendum ergriffen hatten. Die Mindereinnahmen von 88 Millionen Franken fehlten andernorts, etwa im Klimaschutz. Ausserdem werde dadurch die 2019 angenommene Topverdiener-Initiative der Juso verwässert.
"Eine fast historische Chance"
Urgese hält die Steuersenkung jedoch für "sehr gut tragbar", nachdem der Kanton in den letzten zehn Jahren jährliche Überschüsse von über 300 Millionen Franken erzielt habe: "Dem Kanton Basel-Stadt geht es finanziell ausgezeichnet."
Andrea Knellwolf (Mitte) sprach als Präsidentin der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) von einer "fast historischen Chance", die hohe Basler Steuerbelastung nun zu justieren. Besonders freut die Mitte-Politikerin, dass die "Erleichterung beim Abzug der Krankenkassenprämien von 4'000 Franken für alle steuerpflichtigen Personen" jetzt realisiert werden könne. "Da merken die Leute etwas davon."
Knellwolf verschwieg nicht, dass ihre Kommission den Gegenvorschlag von Finanzdirektorin Tanja Soland (SP) "bei den mittleren und höheren Einkommen etwas angepasst" hatte – nach unten. Annina von Falkenstein (LDP) betonte: "Es profitieren wirklich alle von diesem Paket", das auch dem "starken Fachkräftemangel" entgegenwirke. Davon profitiere zwar die Wirtschaft, aber in Form von höheren Unternehmenssteuern auch der Kanton. Es sei schade, wenn gute Steuerzahler in den Speckgürtel ziehen und dort Steuern zahlen, obschon sie von der Infrastruktur und generell vom "tollen Angebot der Stadt" profitieren.
Es bleibe genügend für den Klimaschutz
Den Bedenken der Referendumsträger konnte Niggi Rechsteiner (GLP) nicht folgen: "Trotz dem Steuerpaket bleiben dem Kanton genügend Mittel zur Bewältigung der Aufgaben wie Klimaschutz und weiteren Aufgaben, die den Bewohnerinnen und Bewohnern zugute kommen."
Der Kanton müsse darauf achten, "dass der Wohnort und Wirtschaftsstandort attraktiv ist". Dazu gehöre, dass gute Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf "gewährleistet sind oder möglichst gefördert werden".
Einsparungen konkret
Durch seine Erfahrung als Chef eines international tätigen Unternehmens wisse er, dass "Einkommenssteuern immer ein Thema sind beim Entscheid, wo man sich niederlassen will", bestätigte SVP-Fraktionspräsident Lorenz Amiet und machte die Rechnung auf am Beispiel eines klassischen Singles. Bei einem Brutto-Jahreseinkommen von 50'000 Franken zahlt er bei einer Annahme des Pakets künftig 15 Prozent weniger Steuern (435 Franken).
Bei 130'000 Franken Einkommen betrage die Einsparung fünf Prozent oder 1'000 Franken. Einkommenssteuerpflichtig werde ein Single erst ab einem Brutto-Monatslohn von 5'760 Franken. Wer weniger verdient, zahlt keine Einkommenssteuern.
"Substanzieller", so Amiet weiter, sparten Familien mit beispielsweise zwei fremdbetreuten Kindern. Bei 130'000 Franken Brutto-Jahreslohn betrage die Steuer-Einsparung 84 Prozent oder 3'000 Franken. Das sei eine "sehr bedeutende Begünstigung", von der insbesondere Fachkräfte in der Leitbranche Pharma oder Expats profitieren dürften. Bei 200'000 Franken Einkommen liegt die Ersparnis bei 23 Prozent oder 3'600 Franken.
SP betont Kaufkraft-Erhöhung
Die Senkung der mittleren und oberen Steuersätze hätten die bürgerlichen Parlamentarier eingebracht, weil sie sich an der steileren Progressionskurve gestört hätten. Zwar senke sich nun die Kurve ab, aber die Abstände zu unteren Einkommen blieben stabil. Pascal Pfister (SP) als einziger Linker im Komitee verwies auf das eigene "rote" Plakat und seinen Slogan "Mehr Kaufkraft für die Menschen". Der vorgesehene Sozialabzug für den unteren Mittelstand sei einer der Gründe gewesen, weshalb die SP in den Kompromiss eingewilligt habe.
Auf die OnlineReports-Frage, ob in den nächsten drei bis fünf Jahren mit neuen bürgerlichen Steuersenkungs-Forderungen zu rechnen sei, wollte sich Andrea Knellwolf nicht auf längerfristige Prognosen festlegen, meinte aber: "Im Moment sind wir sicher einmal zufrieden. Es wäre noch mehr drin gelegen, ohne dass der Kanton an die Wand gefahren wird." Allerdings sei die Welt derzeit unsicher und es wäre "nicht seriös, jetzt schon von weiteren Steuersenkungen zu reden".
Bild von links: Niggi Rechsteiner (GLP), Lorenz Amiet (SVP), Andrea Knellwolf (Mitte), Pascal Pfister (SP), Annina von Falkenstein (LDP), Luca Urgese (FDP).
"Ein sehr guter Kompromiss"
Juso, Basta und die Grünen haben nur einmal mehr bewiesen, dass sie dermassen auf ihre ureigensten Interessen fixiert sind, aber auch ihren ideologischen Neid auf ihr Feindbild, die sogenannten "Reichen", nicht loslassen können, so dass sie noch nicht mal das Prinzip des politischen Kompromisses mehr verstehen.
Deshalb übersehen sie locker, dass gerade die Ärmsten deutlich profitieren. Zum Beispiel, dass alle den Versicherungsabzug (vulgo Krankenkassenprämienabzug) machen können, ohne die Prämienverbilligung zu berücksichtigen. Wer die erhält, ist wirklich arm; u.a. alle Empfänger von Ergänzungsleistung. Die zahlen dann bis zu rund 600 Franken weniger Steuern! Zusammen mit der Sozialabzug werden tausende ganz Arme – besonders Rentner – deshalb vermutlich ganz aus der Steuerpflicht entlassen.
Grossartig finde ich die Neureglung des Unterstützungsabzuges; auch wenn ich das "ab 500" ganz weggelassen hätte. Weil ich mal die Steuererklärung einer Putzfrau mit zwei volljährigen Kindern in Ausbildung machen musste, denen sie die Ausbildungszulage natürlich zukommen liess, das aber nicht abziehen konnte und somit versteuern musste, weil das gegebene Minimum (pro Kind!) nicht erreicht werden konnte, habe ich diese unsoziale Regel abgelehnt.
Mein Fazit: Ein sehr guter Kompromiss, der alles andere als ein "Steuerpaket für Topverdienende und Vermögende" ist und auch die Ungleichheit nicht vergrössert.
Peter Waldner, Basel