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Stimmt, was Dietz sagt, oder pokert er nur gut?
Schon im Streit um die Zollfreistrasse hat sich der Wolfgang Dietz (CDU), Oberbürgermeister von Weil am Rhein, als geschickter und widerstandsfähiger Verhandler profiliert. Jetzt, da sich die Finanzierungs-Entscheide um die grenzüberschreitende Tramlinie 8 von Basel in die südbadische Grenzstadt zuspitzen, legt sich Dietz quer.
Weil am Rhein, 20. Februar 2008
Unmittelbar vor dem Entscheid der Weiler Stadtbehörden über eine Kostenbeteiligung, besserte Basel-Stadt sein Mitfinanzierungsangebot bei Kostenüberschreitungen und Unterhalt gestern Dienstag nochmals nach. Zuvor hatte die BVB einen ausserordentlichen Beitrag von 1,6 Millionen Franken beigesteuert. Doch statt sich darüber zu freuen, sprach Dietz gestern Dienstagabend gegenüber TeleBasel mit sorgenschwerer Miene von einem "sehr schwierigen Augenblick" und einer "dramatischen Bedeutung". Es wäre ihm "sehr viel hilfreicher gewesen", er hätte von Basel-Stadt ein "Signal bei den Investitionen bekommen".
Wenn das Bundesland Baden-Württemberg die grösstmöglichen gesetzlichen Finanzierungs-Möglichkeiten ausschöpfe, müsse Weil zusätzlich zum bisherigen Betrag von einer Million Euro immer noch 3,1 Millionen Euro "schultern"; dies bei einem jährlichen Überschuss von 1,2 Millionen Euro in der Stadtkasse.
Die Art, wie hoch Dietz pokert und ein "grenzüberschreitendes Jahrhundertwerk gefährdet" (so eine berufene staatliche Quelle in Basel gegenüber OnlineReports), stösst im Stadtkanton auf zunehmende Irritation. Grund: Vergangenes Jahr habe Weil aufgrund der neuen Gewerbesteuer unerwarteterweise 3,5 Millionen Euro mehr eingenommen. Allein die Höhe dieser Gewerbesteuer sei jetzt "etwa das, was Weil an die Tramverlängerung bezahlen müsste", was durchaus tragbar sei.
Die Quelle weist darauf hin, dass das Gewerbe von Weil "in starkem Mass von einer Tramverlängerung profitiert". Gemeint sind insbesondere Einkaufszentren wie "Marktkauf" oder das neue Shopping-Center in Altweil, die sich bei einem grenzüberschreitenden Tram zusätzliche Basler Kundschaft versprechen dürfen.
Auch in Weil gibt es CDU-Exponenten, die der Meinung sind, jetzt müsse der öffentliche Verkehr gefördert werden, sonst versinke die Stadt "in der Blechlawine". Was Weiler Politiker besonders irritiert: Dietz benützt selbst regelmässig öffentlichen Verkehr.
Dietz: "Tram ist keine Pflichtaufgabe"
Von OnlineReports auf die Mehreinnahmen angesprochen, erklärte Dietz die Finanzknappheit damit, die Stadt Weil habe die "Pflichtaufgabe", ein zweites Gymansium zu bauen. Dies sei - "das war vor einem Jahr noch nicht absehbar" - erst im November wirklich klar geworden. Das Grenz-Tram nach Weil dagegen sei "keine Pflichtaufgabe". Dietz abwehrend: "Ich bin kein Mensch für den Bazar, ich bin nicht am Zocken und am Pokern - ganz im Gegenteil, wir wollen seriös am Thema arbeiten."
Allerdings lässt Dietz, der sich heute auch wegen der Beteiligung des Bundeslandes zu Gesprächen in Stuttgart befindet, doch eine Türe offen: Nach dem letzten Angebot der Basler Regierung habe er veranlasst, dass wir "bei uns im Haus nochmals über die Bücher geht, um die letzten Zitronen auszupressen". Er könne aber "nicht akzeptieren, dass die Stadt Weil in Verschuldung gerät und die die Steuern erhöhen muss, während die Stadt Basel gleichzeitig die Steuern reduziert."
In Basel herrscht der Eindruck, das binationale Tram sei dem Weiler Stadtoberhaupt "keine Herzensangelegenheit". Dazu Wolfgang Dietz: "An Träumen fehlt es mir nicht. Aber Basel spielt Champions League, wir spielen Kreisliga B." Dietz will nicht bestreiten, dass das Weiler Gewerbe von der Tramlinie profitiert: "Fakt ist allerdings, dass bei der Nutzung des Trams sechs von sieben von Freiburg her kommende Passagiere von der Regio-S-Bahn in Weil am Rhein auf das Tram umsteigen statt am Badischen Bahnhof."
Der Basler Wirtschaftsminister und oberste BVB-Chef Ralph Lewin ist dagegen überzeugt, dass nicht nur die Einkaufszentren vom Grenz-Tram profitieren werden, sondern auch die Gemeinde Weil: "Mit dem direkten Tram-Anschluss wird es für Grenzgänger, die in Basel arbeiten, noch attraktiver, nach Weil zu ziehen." Lewin zu OnlineReports: "Das grenzüberschreitende Tram ist eines der wichtigsten Schlüsselprojekte des Euro-Distrikts."
"Herr Dietz ist ein Konservativer"
Das Tram ist ein Mehrheitsprojekt und ist von Weil und von Basel gewollt. Bloss eine Handvoll Konservativer in Weil verhindert, dass die offenen Kräfte beidseits der Grenze dieses Normalprojekt hinkriegen. Jetzt gilt es das Tram aktiv von Schweizer und deutscher Seite umzusetzen. Der Parlamentarier-Aufruf vom Wochenende bildete einen Anfang. Es ist ein Friedensprojekt für die Regio.
Demgegenüber sind alle Verhärtungen falsch. Herr Dietz ist kein Pokerer. Er ist schlicht ein Konservativer, eine Mischung zwichen Zürcher SVP und Innerschweizer CVP. Man tut niemand einen Gefallen, den Hickhack Dietz-Lewin hochzuspielen.
Gerade die Geschichte der letzten Wochen selbst - eine Geschichte des Unwissens über den Nachbarn und seine politische Kultur - belegt die zwingende Notwendigkeit dieses Tramprojekts. Alle offenen Kräfte müssen sich jetzt nochmals hineinknien.
Beat Leuthardt, Basel
"Tramverlängerung wird zunehmend zu einem Heiligtum"
Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin für die konsequente Förderung des öffentlichen Verkehrs. Die Tramverlängerung nach Weil scheint mir jedoch zunehmend zu einem "Heiligtum" zu werden, welches sich jeder Kritik entzieht. Ich habe den Eindruck, dass man sich von diesen wenigen Tramhaltestellen in Weil zu viel verspricht, währenddem die Einrichtung eines S-Bahn-Systems, welches diesen Namen verdient, weiter nicht voran kommt. Hier hat der Kanton, respektive die Region etwa 20 Jahre "verschlafen". Ich könnte mir vorstellen, dass Herr Dietz ähnliche Überlegungen anstellt.
Heinz Bloch, Basel
"Wie weit geht das deutsche Gepokere noch?"
Nach der Lektüre des obengenannten Artikels möchte ich mich kurz fassen. Auch ich frage mich, wie weit das ganze Gepokere seitens der deutschen Seite noch gehen soll. Ich sehe es mit Herrn Lewin: Die Linie nützt beiden Seiten und ist darüber hinaus ein wichtiger Schritt in Richtung der vielbesungenen Regio bzw. des Eurodistriktes im Dreiländereck.
Wenn die Stadt Weil nicht mehr finanzieren kann und der Landkreis seinen Beitrag nicht aufstocken will, so bleibt für mich nur die daraus resultierende Frage: wo bleibt das Land Baden-Württemberg, das doch mindestens genau so in der Pflicht wäre, wie es die Bundesregierung der Schweiz mit ihrem Beitrag vormacht hat. Bleibt vielleicht nichts mehr übrig, wenn in Stuttgart das unsinnige Projekt "Stuttgart 21" gebaut werden sollte? Dies in einem Bundesland, das gewiss nicht "aus dem letzten Loch pfeift".
Eberhard Lohrmann, Basel
"Genau genommen eine Basler Abwehrmassnahme"
Pokert Wolfgang Dietz zu hoch? Wohl kaum, denn er hat in erster Linie die finanzielle Lage der Stadt Weil zu vertreten und ist dafür verantwortlich, dass mit den Steuergeldern der Weiler sorgfältig umgegangen wird. Der "8-er" in Weil bringt für diese Kleinstadt (30'000 Einwohner) Folgekosten, die über Steuern finanziert werden müssen, und da hört bekanntlich die freundnachbarliche Liebe auf. Insbesondere dann, wenn sich der Nutzen dieses Trams für die Stadt Weil und deren umliegende Gemeinden in kleinen Grenzen hält.
Genau betrachtet ist das "grenzüberschreitende Jahrhundertwerk" mit der Verlängerung der Tramlinie 8 von Kleinhüningen bis zur "Insel" in Weil doch in erster Linie eine Abwehrmassnahme von Basel gegen die mit dem Auto nach Basel kommenden Pendler und keineswegs ein Liebesdienst an die Weiler Einzelhändler, denen an der Hauptstrasse in Friedlingen die Parkplätze vor dem Ladengeschäft verloren gehen.
Muss doch Weil auf eigene Kosten - nebst dem, was durch den Betrieb der Tramlinie alles noch anfällt - ein Park&Ride beim Bahnhof bauen, weil absehbar ist, dass es in Basel keine weissen Parkplätze mehr geben wird.
Fragwürdig ist diese Tramverlängerung ins Ausland ohnehin, kann es ja wohl kaum im Sinn des Basler Gewerbes liegen, wenn der jetzt schon beträchtliche Einkaufstourismus - sprich Kaufkraftverlust in der Schweiz - von der rot-grünen Basler Regierung noch gefördert wird. Aus dieser Sicht wäre es einleuchtender, wenn der "8-er" zum neuen Einkaufszentrum, das auf dem Stücki-Areal entsteht, verlängert würde.
Bruno Honold, Basel
"Der Dietz-Auftritt ist strapazierend"
Wie es scheint, hat der abtretende SP-Regierungsrat Ralph Lewin abermals in Aussicht gestellt, tief, sehr tief in die Basler Staatskassen zu greifen und Weil ein mehr als faires, dem historischen Unterfangen würdiges Angebot gemacht. Was jetzt zu tun bleibt, ist, den Worten Taten folgen zu lassen: Das Angebot zu befristen und fertig! Die Art und Weise, wie der Weiler Oberbürgermeister auftritt, ist nicht bloss irritierend, sondern in höchsten Massen strapazierend. Speziell wenn man bedenkt, dass das Dorf ohne die Basler Wirtschaftskraft wohl noch immer Agrarland wäre.
Patric C. Friedlin, Basel