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"Starke Verteidiger": Umstrittenes Denkmal Kaserne Basel
Die Überlebenskraft eines ungeliebten Monumentes
Die Kaserne im Kleinbasler Klingental, an der sich die Geister scheiden, wird 150 Jahre alt
Von Christof Wamister
Nachdem der letzte Sanitätssoldat 1966 die Basler Kaserne verlassen hatte, war sie eigentlich zum Untergang verurteilt. Doch sie steht und lebt besser denn je. Nun ist ein Buch erschienen, das dem Gebäude und seiner Geschichte Gerechtigkeit widerfahren lässt. Es ist ein unausgesprochener Appell für eine Denkpause, bevor an dem Monumentalgebäude herumgebastelt wird.
In den Schweizer Kantonen und insbesondere in Basel gibt es ein politisches Instrument, das besonderes beliebt ist. Nennen wir es die "unformulierte Planungsinitiative".
"Unformuliert" ist Juristensprache und heisst, dass kein ausformulierter Gesetzestext vorliegt. Eine Gruppe von Leuten hat eine gute Idee – oder meint es wenigstens – und möchte mit einer Volksinitiative erreichen, dass der Staat sie umsetzt und dafür auch Geld ausgibt.
Schubladisierung nicht mehr möglich
Früher konnte die Regierung solche eingereichten Initiativen lange schubladisieren. Das berühmteste Beispiel – und eine Lachnummer unter politischen Insidern – war die Initiative für eine Überdeckung der Elsässerbahn, die der "Landesring der Unabhängigen" (LdU) in den fünziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts eingereicht hatte. Sie wurde endlich im November 1993 zur Abstimmung gebracht und mit 75 Prozent Nein-Stimmen haushoch verworfen.
Dieses negative Beispiel hat ein zeitgenössisches Komitee nicht davon abgehalten, eine Initiative für eine Überdeckung des Geleise-Areals beim Bahnhof SBB ("Central Park", siehe Link unten) einzureichen, obwohl die SBB als Grundherren nichts davon wissen wollen. Im Unterschied zum vorherigen Beispiel werden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger aber in absehbarer Zeit darüber abstimmen können oder müssen. Denn eine fast endlose Schubladisierung von Volksinitiativen ist auf Grund strengerer Gesetzbestimmungen nicht mehr möglich.
Die vierte Kasernen-Initiative
Die Kaserne im Kleinbasel beschäftigte die politischen Gemüter immer besonders stark. Nachdem sie ab 1966 nicht mehr militärisch genutzt wurde, entwickelte sich eine lebhafte und fast endlose Diskussion um die neue Nutzung. Nicht weniger als drei Volksinitiativen wurden eingereicht: für einen Park mit unterirdischem Parking, für einen Park ohne Parking und für einen Park und die Einweisung in die Grünzone. Im Laufe der politischen Entwicklung wurden alle drei Initiativen zurückgezogen und der Grundsatzentscheid fiel im April 1987. Die speziellen Bauvorschriften für ein unterirdisches Parking unter dem Kasernenareal wurden mit 54 Prozent Nein-Stimmen verworfen.
Seit kurzem herrscht um die Kaserne wieder Initiativkonjunktur. Ein von SP- bis LDP-Exponenten reichendes Komitee möchte, dass in das Baumonument von 1863 ein Loch geschlagen wird, um einen Durchgang zum Rhein zu ermöglichen. Die Regierung schlägt als Alternative vor, einen seitlichen Durchgang zu öffnen, doch starke Kräfte im Grossen Rat wollen das Anliegen der Initianten weiterverfolgen. Bis zum August dieses Jahres muss die Regierung dem Parlament Bericht erstatten und einen Architekturwettbewerb für die Öffnung des Kaserne-Hautpgebäudes vorbereiten.
Herzog wollte Kaserne sprengen
Die Idee steht seit bald fünfzehn Jahren im Raum und war zuerst noch radikaler formuliert: In einem Interview mit der "Basler Zeitung" schlug der Architekt Jacques Herzog 1998 vor, die Kaserne zu sprengen, um den Durchgang zum Rhein zu öffnen.
So weit wollen die Initianten aus dem Umkreis von "Kulturstadt jetzt" nicht mehr gehen. Denn die Kaserne als Gebäude hat heute starke Verteidiger gefunden. Die Organisatoren und Fans des Militärmusikfestivals "Tattoo", dem die Kaserne als romantische und festungsähnliche Kulisse dient, haben sich mit den Bewahrern des Stadtbildes verbündet. Der Basler Heimatschutz hat kürzlich in seinem Mitteilungsblatt einen kräftigen Akzent für die Kaserne gesetzt. "Tattoo", Heimatschutz und Freiwillige Basler Denkmalpflege verzichten zwar auf ein Referendum gegen die seitliche Öffnung. Ein Durchbruch im Hauptgebäude würde aber "mit allen Mitteln bekämpft".
"Wenig Geschichtsbewusstsein"
David Tréfás, dem Autor des eben erschienenen Buchs "Die Kaserne in Basel", fällt an diesen Debatten auf, "dass wenig Bewusstsein für die Geschichte und die Bedeutung der Kaserne vorhanden ist". Er mischt sich nicht direkt in die politische Diskussion ein. Seine Darstellung ist aber doch ein starkes Argument dafür, den Kasernenbau ernst zu nehmen und nicht ohne Kenntnis seiner Geschichte an ihm herumzubasteln.
So erfährt man aus dem Werk, dass die Kaserne 1966 praktisch zum Untergang verurteilt war. Keiner der Planungsvorschläge rechnete mit der Weiterverwendung des Baus von 1863, der nach Plänen des Basler Architekten Johann Jakob Stehlin errichtet worden war. Laut Tréfás ist die Kaserne eines der ersten öffentlichen Gebäude aus der Zeit des jungen Bundesstaates und das letzte militärische Gebäude im Basler Stadtzentrum.
Basisdemokratisches Projekt
Da der Bau mit seinem geräumigen Kasernenhof und den Nebengebäuden immer wieder für Zwischennutzungen und Provisorien gebraucht wurde, kam um 1970 keiner der prämierten Vorschläge zur Realisierung. Am Ende setzte sich das basisdemokratisch angehauchte Projekt "Ent-stoh-loh" durch, das auch eine originelle Wortschöpfung war: Die Kaserne stehen lassen und Aktivitäten verschiedenster Art entstehen lassen.
Heute ist die Kaserne mit ihren kulturellen Aktivitäten, dem Restaurant, verschiedenen sozialen Einrichtungen und dem grossen Platz zu einem sicheren Wert geworden. Die Diskussion konzentriert sich jetzt auf zwei Bereiche. Zum einen auf die grosse Innenfläche, die es vor Übernutzung durch Grossanlässe zu bewahren gelte, wie die Einsprache des Vereins "Heb Sorg zum Glaibasel" gegen das "Tattoo" belegt. Zum andern auf das Hauptgebäude, das neu genutzt werden kann, wenn die letzen Schulen und Hochschulen ausgezogen sind.
Dass die Kaserne gegen die Rheinfront wie eine Festung wirkt, war durchaus gewollt. Geschützt von der Stadtmauer und einem Eckturm befand sich hier das Kloster Klingental, in dem später das alte Basel seine Truppen unterbrachte. Das Kasernen-Hauptgebäude ist somit nicht nur ein störendes Relikt aus dem 19. Jahrhundert, sondern es steht für ein bedeutendes, wenn auch nicht immer unproblematisches Stück Basler Geschichte, wie Tréfás erzählt. Auch wenn die Kaserne nicht unter Denkmalschutz steht, handelt es sich doch im eigentlichen Sinne des Wortes um ein Baudenkmal.
Ausgang im ersten Stock?
Widerspricht ein Durchbruch des Hauptgebäudes somit nicht dem ganzen Charakter der Anlage? Der Heimatschutz führt auch ein ganz praktisches Argument gegen einen Kasernendurchgang ins Feld. Denn da zwischen dem Kasernenplatz und der Rheinfront ein Niveauunterschied von 3,5 Metern besteht, käme der Ausgang quasi im ersten Stock über der Rheinpromenade zu liegen – was weitere bauliche Massnahmen nach sich ziehen würde. Öffnungen und Passagen durch bisher Verschlossenes haben dennoch etwas Faszinierendes. Das muss man den Initianten zugestehen.
Solche Konflikte zwischen dem historisch Gewachsenen und gewandelten Ansprüchen sind nicht nur in Basel klassisch. Aber sie werden hier mit besonderer Detailverliebtheit ausgetragen. Die eingangs geschmähten "unformulierten Planungsinitiativen" leisten einen manchmal anregenden Beitrag dazu.
David Tréfás: "Die Kaserne in Basel. Der Bau und seine Geschichte." Christoph Merian Verlag Basel 2012. 25 Franken.
Gleichnamige Ausstellung im Museum Kleines Klingental. 26. Mai bis 14. Oktober; Öffnungszeiten: Mittwoch und Samstag 14-17 h, Sonntag, 10 bis 17 Uhr.
23. Mai 2012
Weiterführende Links:
"Eine neue Aufgabe für ein tolles Gebäude"
Vor Charme rot geworden ist die Kaserne. Damals. Zahlreiche Mythen und Geschichten ranken sich um dieses Bauwerk. Doch sind dies Erzählungen aus vergangenen Zeiten. Was soll mit der Kaserne heute geschehen? Welche Aufgabe soll sie übernehmen? Früher wurden in der Kaserne Männer aus der ganzen Schweiz aufgenommen, damit sie eine gewisse Zeit (Rekrutenschule, Dienst) zusammen verbringen.
In dieser Zeit entstanden, neben dem militärischen Drill auch meist langjährige Freundschaften. Es wurden Kontakte geknüpft und ein Beziehungsnetz aufgebaut. Wenn man(n) es aus dieser Perspektive betrachtet, wäre dies nicht fortsetzenswert? Kann die Kaserne, Frauen heutzutage eingeschlossen, (wieder) als Begegnungsstätte dienen? Ich würde mich freuen, wenn ein Nebeneffekt, der dieses alte und schöne Gebäude einst erfüllte wieder aufleben könnte. Menschen aus dem Kleinbasel, Basel, der Schweiz und anderen Ländern treffen sich, geniessen die alten Mauern und hauchen ihnen neues Leben ein.
Heute sind dies Konzerte (auch das Tattoo zählt hierzu), Cafés und Treffpunkte. Gestaltende Künste wie Bildhauerei, Malerei oder auch moderne Lichtinstallationen könnten in die Gemäuer einziehen. Oder sind Modeschöpfer nicht immer wieder auf der Suche nach ausgefallenen Orten für Ihre Modeshows? Wieso nicht in der Kaserne Haute-Couture präsentieren? Ein Zusammentreffen von vielen verschiedenen Kunstformen und von Personen auf einem Areal. Eine neue Aufgabe für ein tolles Gebäude und ein Quartier mit Charme.
Carmen Kolp, Basel