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Claude Bühler – Premiere am Theater Basel

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Theater Basel, Grosse Bühne
Premiere
 
"Wilhelm Tell"
 
Koproduktion des Theater Basel mit dem Schauspiel Köln
 
Inszenierung: Stefan Bachmann
Bühne: Olaf Altmann
Kostüme: Jana Findelklee, Joki Tewes
Körperarbeit: Sabina Perry
Komposition: Balthasar Streiff, Singoh Nketia
Licht: Roland Edrich
Dramaturgie: Barbara Sommer
 
Mit Bruno Cathomas, Robert Dölle, Simon Kirsch, Justus Maier, Nicola Mastroberardino, Benedikt Ocker, Wolfgang Pregler, Ilario Raschér, Thomas Reisinger, Max Rotbart, Thiemo Strutzenberger
 
DJ: Singoh Nketia alias DJ Flink
 
Dauer: 2 Stunden ohne Pause


Alpen-Rap mit Pathosschwung

"Stefan"-Rufe, rhythmisches Klatschen, Jubelgejohle, Pfiffe: So begrüsste Basel seinen einstigen Schauspielspieldirektor Stefan Bachmann, der nach 14 Jahren erstmals wieder am Haus inszenierte. Hatte er damals mit frechem "Unterhosen"-Theater das Publikum gespalten, so kehrte er dieses Mal zurück, so scheint es, es wieder zu einen. Die Freunde leichtfüssig dargebrachter Pop-Bühnenkunst befriedigte er zum mindesten, aber auch Schiller-Puritaner werden bekennen müssen, dass die Kraft des Dichterworts – man muss es so sagen – das überwältigende Erlebnis der zweistündigen Aufführung bildet.

Dabei forderte Bachmann vom Ensemble, was man Schauspielschülern schon im ersten Ausbildungsjahr austreibt: das Sprechen nach dem Takt vom Blankvers, das Endigen mit dem Zeilenende, das Wiederneuansetzen mit Zeilenbeginn; angetrieben von den Beats des Live-DJs Flink kehrt Bachmann hier aber das Verschroben-Unnatürliche zum Gewollt-Artifiziellen und entfaltet nach strenger Partitur – gerade auch im Gruppensprech oder in kurzen Rap-Passagen – eine virile Macht, wie sie old-school-hip-hop-acts über das Publikum gebieten.

Im Griff der Uhrwerk-Beats im Sekundentakt werden Schillers fünfhebige Jamben, über Strecken sogar mit idealistischem Pathosschwung und schweisstriefendem Angesicht speichelspritzend ins Auditorium gejagt. Beim oft belächelten Rütli-Schwur "Wir wollen sein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr" herrschte gebanntes Schweigen als hätte das Publikum einem magischen Akt beigewohnt.

Bachmann erzählt den Tell aber nicht als chauvinistischen Nationalmythos sondern als ein Märchen, das von einem archaischen Stamm handelt: Das Alpenvolk mit wilden Frisuren, Bärten, freien Brüsten, gekleidet mit Steppjacken, Schlafsäcken, Pelzüberhängen, sieht aus wie eine Mischung aus Stadtrand-Existenzen, Indianern, Wikingern und Galliern. Statt an Hodlers Tell-Bildnis erinnert Bruno Cathomas eher an den feisten Häuptling Majestix.

Wenn sich die Urner, Schwyzer und Unterwaldner über die neuen Zumutungen der habsburgischen Besatzer berichten oder die Befreiung vom Joch erörtern, so klingen die Beats wie das Indianer-Tom-Tom, das über die Täler pocht. Und auf einmal gerät der Gottglauben, auf den diese Leute nach Schillers Original ihr Recht zum Widerstand gegen die Tyrannen gründen, zum pantheistischen Eingebundensein der Kreatur: Mit gewaltigen Widder-Hörnern wie ein Zeremonienmeister ist Landammann Attinghausen ausgestattet; wenn er mit einem euphorischen "einig" stirbt, fährt er, die Arme wie ein Pharao gekreuzt, an Drahtseilen gen Himmel.

Diese Kreaturen, zumal der Tell, sind aber auch naiv, männlich-knorrig, unzivilisiert, offensichtlich Helden wider Willen und reizen das Publikum mit Sätzen wie "Der Starke ist am mächtigsten allein" zum Gelächter. Das Bühnenbild Olaf Altmanns ist eine Männerwelt, in der nur Männer auftreten, wenn auch in Frauenrollen: eine frontale Bollwerk-Bretterwand mit einem vertikalen Schacht, in dem die Älpler vorsichtig und mühsam auf und nieder kraxeln, und einem mittleren Seitengang, in dem man kriecht, weil man nicht darin nicht stehen kann.

Sie ist nicht nur gut für träumerische Bergwelt-Assoziationen, wenn etwa zu psychedelischen Hackbrett-Klängen der Nebel wie am Fels vorüberzieht: Sie erzählt auch von Wehrhaftigkeit, Lebensstrenge, Enge, Hierarchie und Grausamkeit. Letztere erkennt Bachmann offenbar auch im Apfelschuss Tells vom Kopf seines Buben Walther, auch wenn der Schuss von Gessler erzwungen wurde - und kehrt danach, wie um die Schuldfrage zu brechen, die Rollen: Thiemo Strutzenberger wird vom (wunderbar dekadent-hassenswert dargestellten) Gessler zum Tell, der Cathomas als Gessler erschiesst. Der Twist war danach das Foyer-Gespräch. Er wurde von vielen nicht verstanden.

Auch wenn Bachmann mit Wärme den Text zelebriert, uns mit Schillers Spannungsaufbau unterhält, klar mit seinen widerständigen Älplern sympathisiert, so zeigt er doch eine Karikatur, die den Gefühlsreichtum des aufrecht gehenden Menschen, wie ihn Schiller vorstellen wollte, verkürzt. Die Beats, der Rhythmus, der es offenbar erlaubte, die Verse ohne Peinlichkeitsbremse mit ungebrochenem Gefühlsausdruck wiederzugeben, engen diesen auch ein und versetzen die Sprache teilweise in ödes Rezitativ.

Aber es wäre unfair, diesen Tell an diesen Einwänden aufzuhängen. Die Aufführung ist höchst unterhaltsam. Sie öffnet den Blick auf eine neue Lesart jenseits von Schweiztümelei. Das Ensemble läuft zu hoher Form auf, spielt trotz der formalen Strenge mit freiem Elan.

24. Februar 2017
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Claude Bühler, ist Journalist und Schauspieler in Basel. Er arbeitete erst als Freier Journalist bei Printmedien sowie als Medienverantwortlicher von act entertainment. Lange Jahre war er Redaktor und Produzent bei Telebasel. Heute arbeitet er als Redaktor bei "Prime News". Als Schauspieler war er in verschiedenen Regie-Arbeiten der Basler Schauspielerin und Regisseurin Ingeborg Brun sehen, beispielsweise als Jean in "Fräulein Julie" (A. Strindberg), aber auch als Professor Siebegscheit im Märli "Froschkönig" des Theater Fauteuil oder als Lucky in "Warten auf Godot" (S. Beckett) des Theater Marat Sade. © Foto by OnlineReports.ch

Claude.Buehler@gmx.net

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sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)
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"Wunderbares Stück"

Welche Freude, fern vom Theater Basel an einem etwas verregnet daherkommenden barceloner Morgen über Bachmanns Schiller-Jamben dieses wunderbare Stück von Claude Bühler lesen zu können. Grosse Unterhaltung!


Alois-Karl Hürlimann, Barcelona


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"Das Gebiet Rütschete ist tatsächlich ein bekannter Rutsch- oder Kriechhang."

Stellungnahme in der Volksstimme
vom 26. September 2023
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In einem Artikel über die polarisierende Jungpolitikerin Sarah Regez (SVP BL) bezieht sich die Basler Zeitung auf OnlineReports.

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Happy Radio greift den Bericht von OnlineReports über die Deponie Höli Liestal AG auf.

Die Volksstimme bezieht sich in einem Porträt über den freiwilligen Verkehrsregler in Rickenbach, Robert Bussinger, auf einen früheren Artikel von OnlineReports.

Die bz greift den Bericht von OnlineReports über den Eklat am Baselbieter Kantonsgericht mit dem sofortigem Rücktritt eines Vizepräsidenten auf.

Die bz zitiert in ihrem Nachruf auf Hans Rudolf Gysin aus dem OnlineReports-Porträt "Die Hans Rudolf Gysin-Story: Auf der Spur eines Phänomens".

Zahlreiche Medien haben die Nachricht über den Tod von Hans Rudolf Gysin aufgenommen: Basler Zeitung, bz und weitere Titel von CH Media, Prime News, Volksstimme, Bajour, Baseljetzt, SRF-Regionaljournal Basel, Happy Radio, nau.ch.

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