Theater Basel, Römisches Theater in Augusta Raurica
Premiere
"Was Ihr wollt"
Komödie von William Shakespeare
Inszenierung: Julia Hölscher
Übersetzung: Thomas Brasch
Bühne: Paul Zoller
Kostüme: Esther Biala
Musik: Arno Waschk
Licht: Guido Hölzer
Dramaturgie: Sabrina Hofer
Mit Elias Eilinghoff, Barbara Horvath, Steffen Höld, Nicola Kirsch, Florian von Manteuffel, Max Rotbart, Myriam Schröder, Lisa Stiegler, Thiemo Strutzenberger, Michael Wächter
Krokodillederschuhe und Göbbelsstimme
Basel, 13. August 2016. Bezaubernd das Szenario: In der goldenen August-Sonne strahlen die Bäume auf den Ruinen ihr sattes Grün vor dichtblauem Himmel. Wir sitzen gegen die Zuschauerränge des römischen Theaters, auf denen die Figuren einsam umhergehen. Irgendwo klimpert einer sanft auf der Gitarre.
Man wähnt sich in südlichen Gefilden, wo mit der nahenden Dämmerung der Traum in die Realitäten rückt und damit auch die Poesie; passgenau für jenen Spielort Illyrien, der hier eher Platzhalter für ein unbedeutendes Herzogtum darstellt. Herzog Orsino kann seine Tage damit zubringen, seine unerwiderte Liebessehnsucht zur Gräfin Olivia zu hegen, und die Gräfin die ihren, verschleiert ihre Trauer um ihren verstorbenen Bruder zu pflegen.
In der nicht ganz unbeschwerten Leichtigkeit des Seins schlagen sich der Bruder der Gräfin, Sir Toby Rülps, und sein Kumpane Sir Andrew Leichenwang die Nächte mit Besäufnissen und derben Streichen um die Ohren. Einzig der puritanische Haushofmeister Malvolio stellt sich den Ausuferungen entgegen an diesem Beispielort der Sehnsüchte und falschen Selbstvorstellungen, in dem einzig der Narr zu realistischer Einschätzung taugt.
Wenn nun die adlige Viola als Schiffbrüchige – mit meterlanger Schleppe – in diese stehende Welt rauscht, so stösst sie weniger eine Handlung als mehr einen Reigen von grandiosen Spielszenen an: In ihnen entblösst Shakespeare fast alle Figuren an ihrem wunden Punkt. Dass fast alle nach allerlei Verwirrungen zu einem Komödien-Liebesglück gelangen, scheint nur der Köder zu sein, gegessen wird aber unterwegs.
Das Stück wirkt durch eine fast einmalige Symmetrie: feinsinnig und derb, schön und hässlich, unsinnig und sinnbehaftet, lyrisch und profan, implizit und explizit, tragisch und lustig. Regisseurin Julia Hölscher hat aber bei diesen Gegensatzpaaren fast immer der Nummer zwei den Vorzug gegeben. Nichts ausser die schöne Gegend und Michael Wächters Gitarrenspiel betört die Sinne. Zwei hässliche wie Gummiboote aufgeblasene Riesenherzen, in die sich die Liebesverwirrten hineinwerfen und sich prügeln können, werden auf der Szenerie umher geworfen.
Die Figuren sind so schrill kostümiert und angelegt, dass es für den Narr, den Aussenblick darstellend, kaum Platz hat. Thiemo Strutzenberger zeigt seinen Grafen Orsino in Krokodilleder-Schuhen als so süsslich-weinerlich-selbstisch, dass man ihn schon nach zehn Sekunden als Sonderling abhakt. Steffen Höld mimt den Spiesser Malvolio immer wieder mal mit dem Stimmfall Göbbels. Hölscher sieht ihn laut Programmheft als "Gefahr", begründet ihre Auffassung historisch-politisch.
Aber sie begründet sich nicht auf der Szene, wird zur Plattheit. Nicht die einzige. Wenn er im untergeschobenen Liebesbrief, vermeintlich von seiner Gräfin, liest: "Leg deine Verkleidung des Untergebenen ab", so lässt er die Hose runter. Nachdem ihn die Hofleute mit einem bösen Streich bis auf die Knochen blamiert haben, legt ihm die moderne Thomas Brasch-Übersetzung statt seines originalen Racheschwurs ein "Ausrotten werde ich dieses Pack" in den Mund.
Die generelle Grobheit wirkt über die Zeit wenig dynamisch, lässt einen auch Längen bei subtileren Dialogen empfinden. Um mehr Pfeffer zu geben, lässt man Rülps und Leichenwang gemeinsam onanieren. Besonders Florian von Manteuffel aber auch Elias Eilinghof haben sonst mit ihrem lustvollen Spiel weit mehr überzeugt.
Explizit inszeniert Hölscher "Was Ihr wollt" auch als eine "Genderkomödie" (Programmankündigung). Anlass dazu gibt ihr, dass Viola als Mann, Cesario, verkleidet für Orsino als Liebesbote bei Olivia wirbt. Dass sich Olivia (statt in Orsino) in Cesario verliebt, wird hier so gedeutet, dass sie in Wirklichkeit in Viola liebe. Auch Orsino sei im Grunde schwul: So fällt er zwar leidenschaftlich über Viola-Cesario her, meinte aber in Wirklichkeit, so sieht man es hier in der Schlussszene, Violas Zwillingsbruder Sebastian.
Kann man sich so ausdenken. Erhellend wirkt es kaum, sondern eher als modisches Element draufgesetzt. Unter dem Ansatz leidet die Figurerfindung des Narren, der statt eher ungeschlechtlich als männlich-weiblich dargestellt wird. Eine Korsage für Myriam Schröder, die wenig anarchistischen Witz aufblitzen lässt.
Als tragisch überträgt sich die Figur Olivia. Subtil kehrt Barbara Horvath die Verwirrung heraus: ebenso verbohrt, wie sie sich in die Trauer vergrub, ebenso süchtig jagt sie nun der Verliebtheit nach. Der grosse Sieger bleibt der Autor: Das Ensemble übertrug seinen pointenreichen Text klar verständlich und schwungvoll, das Publikum lachte herzhaft.
14. August 2016