Werbung

© Foto by Alessandra Paone, OnlineReports.ch
Vereinspräsident Massimo Pieri ist gerade dabei, mit dem VFR Kleinhüningen Geschichte zu schreiben.

VFR Kleinhüningen gegen Xamax: Aussenseiter fordern Profi-Club heraus

Die Spieler des Kleinbasler Fussballvereins werden als "Ausländerpack" beschimpft und sind mit Disziplinarmassnahmen konfrontiert. Nun stehen sie vor einem historischen Cupspiel.


Von Alessandra Paone


Am Rande der Stadt. Wo alles ist, was im Zentrum nicht sein darf: Kläranlage, Industrieabfälle, Arbeitersiedlungen. Dort liegt Kleinhüningen, das einzige Dorf, das in die Stadt Basel eingemeindet wurde. Ein Quartier mit hohem Ausländeranteil, hoher Sozialhilfequote und ganz wenigen Millionären.

Und mit einem Fussballclub, dem VFR Kleinhüningen; Spiegelbild der Quartierbewohnerinnen und -bewohner und ihren Herausforderungen. Im Verein sind Mitglieder aus 34 Nationen und fünf Kontinenten vertreten. "Wir haben Menschen ohne einen richtigen Job, und Menschen, die über 100 Prozent arbeiten, aber dennoch nicht genug Geld verdienen, um leben zu können", sagt Präsident Massimo Pieri. Er selbst ist Italiener zweiter Generation.

Pieri stellt einen Tisch und zwei Stühle auf die Terrasse des Schore-Clubhüüsli. Die Schorenmatte bei den Langen Erlen ist der Heimplatz des VFR Kleinhüningen. Das Vereinslokal ist an diesem Mittwochabend im August geschlossen. Die Stühle sind hochgestellt, die beiden Rasenfelder leer. Die Trainings finden derzeit auf dem Bäumlihof statt. Die Felder seien zu stark abgenutzt und müssten sich für den Saisonstart erholen, sagt Pieri.

Der 60-Jährige ist erst seit einem Jahr Präsident des VFR Kleinhüningen, er gehört aber seit 20 Jahren dem Vorstand an. "Eigentlich könnte ich als Präsident bereits wieder zurücktreten", sagt er und lacht.

Denn Pieri ist gerade dabei, mit seinem Club Geschichte zu schreiben: Der VFR Kleinhüningen hat dieses Jahr zum ersten Mal eine Frauenmannschaft. Und nach dem Sieg im Basler Cup am 17. Juni hat sich das Drittliga-Männer-Team automatisch für den Schweizer Cup qualifiziert. Am kommenden Sonntag trifft es auf den Westschweizer Club Neuchâtel Xamax, der in der Challenge League spielt.

 

100 Kinder auf der Warteliste

 

Der VFR Kleinhüningen hätte das Sensations-Spiel gerne im Kleinbasel ausgetragen. "Bei uns", wie Präsident Pieri sagt. Die Schorenmatte ist allerdings viel zu klein und ungenügend ausgerüstet für die rund 700 erwarteten Zuschauerinnen und Zuschauer. Obwohl die Sportanlage vor wenigen Jahren für über sieben Millionen Franken saniert wurde, hat sie nur ein reguläres Spielfeld. Der Platzmangel hat harte Konsequenzen: 100 Kinder hoffen auf einen Platz in einer Mannschaft und stehen auf der Warteliste.

Schon der Sieg beim Basler Cup war ein Befreiungsschlag. © Foto by VFR


Das Stadion Rankhof kommt aus Sicherheitsgründen für das Cup-Spiel ebenfalls nicht infrage. Deshalb findet die Partie nun im Stadion Schützenmatte auf der anderen Seite des Rheins statt. Näher am Zentrum.

Noch lieber als gegen Neuchâtel Xamax hätte der VFR Kleinhüningen gegen den FC Basel gespielt. Das Derby hätte mehr Publikum angelockt. Es sah bei der Auslosung auch lange gut aus, aber am Ende hat es dann doch nicht geklappt.

Pieri sieht das Cupspiel als Chance, dem Quartier und den Vereinsmitgliedern Wertschätzung und Anerkennung zukommen zu lassen. Und Stolz! Um für einmal aus der Position des Underdogs herauszukommen. Die Qualifikation ist bereits ein Sieg, alles weitere eine Sensation. "Die Partie gegen Neuchâtel Xamax zu gewinnen, wäre wie der Meistertitel des SSC Napoli", sagt Pieri. Ein Triumph der Armen, wie die "Frankfurter Rundschau" titelte. Der süditalienische Fussballklub eroberte vergangene Saison, 33 Jahren nach dem letzten Meistertitel mit Diego Maradona, den Scudetto.

Pieri: "Unsere Mannschaften werden häufig als Scheiss-Albaner oder Drecks-Portugiesen bezeichnet."

Für viele dieser jungen Erwachsenen ist der Fussball der einzige soziale Bereich, in dem sie sich profilieren können. Doch die Spieler des VFR Kleinhüningen werden auf dem Feld immer wieder auf ihre Herkunft reduziert. 

Der Trash-Talk an Auswärtsspielen sei massiv, sagt Pieri. "Unsere Mannschaften werden provoziert und häufig als Ausländerpack, Scheiss-Albaner oder Drecks-Portugiesen bezeichnet." Vor allem auf dem Land. Die Frustrations- und Toleranzgrenze sei bei einigen VFR-Spielern sehr tief; sie liessen sich zu schnell provozieren und zu Verhaltensweisen hinreissen, die nicht geduldet werden können. Der Verein sei deshalb oft mit Disziplinarmassnahmen konfrontiert.

Der Fussballverband Nordwestschweiz habe sich deswegen auch schon beim Verein beschwert. Pieri hat darauf mit einem Brief reagiert und auf die wichtige Integrationsarbeit des Vereins hingewiesen. "Dank der Vereinsaktivitäten erhalten viele, die keine Arbeit haben, Working-Poors sind, mit einer Sucht oder mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, eine gewisse Struktur im Alltag; sie erhalten dadurch ein soziales Netz und fallen so nicht durch die Maschen", heisst es in dem Schreiben.
 
Das Ziel des Vereins sei es, an dieser Frustrationsgrenze zu arbeiten und die Spieler gegenüber solchen Provokationen und anderen Herausforderungen resistenter und resilienter zu machen, sagt Pieri. Der Fussballverband hat sich inzwischen bereit erklärt, den Verein mit einem Experten für Gewaltprävention zu unterstützen.

 

Nur Tanja Soland geht zum Spiel

 

Die soziale Funktion des VFR Kleinhüningen wird auch in Polit-Kreisen anerkannt. Der Verein sei mit dem Basketballclub Bären Kleinbasel vergleichbar, der ebenfalls wichtige Integrationsarbeit leiste, sagt Heidi Mück. Die Basta-Grossrätin wohnt in Kleinhüningen. Ihre inzwischen erwachsenen Kinder haben vor vielen Jahren im heimischen Fussballclub gespielt.

"Die Integrationsleistung solcher Clubs passiert häufig unter dem Radar", sagt Christoph Brutschin. Der frühere Basler SP-Regierungsrat ist ein begeisterter Fussballfan. Der VFR Kleinhüningen sei als SC Kleinhüningen ein starkes Team gewesen, und die enge Schorenmatte eine Festung. Heute liege der Fokus stärker auf der Beteiligung. "Das finde ich sehr gut."

Die Party nach dem Basler Cup-Sieg. © Foto by VFR 


So sehr sie die Arbeit des VFR Kleinhüningen auch schätzen – weder Mück noch Brutschin werden am Sonntagnachmittag in der Schützenmatte sein. Vielleicht wäre er zum Spiel gegangen, sagt Brutschin. Doch er sei an diesem Tag an einem Geburtstagsfest.

Auch Regierungspräsident Beat Jans hat abgesagt; er sei dann leider anderweitig besetzt. Der Anlass zeige aber, "wie vielfältig der Kanton Basel-Stadt ist, und dass es hier für alle Menschen die Möglichkeit gibt, Erfolg zu haben". 

Von den Regierungsmitgliedern geht nur Tanja Soland zum Spiel. Die SP-Finanzdirektorin stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Sie weiss, wie es ist, am Rand zu spielen.

16. August 2023


 Ihre Meinung zu diesem Artikel
(Mails ohne kompletten Absender werden nicht bearbeitet)
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/echo.gif

"Einzigartige Atmosphäre"

Ich bin begeistert, dass es ein Amateurverein geschafft hat, einen Profi-Verein herauszufordern. Dass OnlineReports darüber berichtet, ist lobenswert. Es zeigt auch, dass der Fussball in Basel nicht nur aus dem FCB besteht. Als langjähriger Fussballschiedsrichter in den unteren Ligen habe ich oft Spiele auf der Schorenmatte gepfiffen. Es war immer eine einzigartige Atmosphäre. Ich wünsche dem VFR Kleinhüningen viel Glück. Vielleicht erleben wir ja auf der Schützenmatte ein Fussballwunder.


Paul Wenger, Reinach



Was Sie auch noch interessieren könnte

Platznot in den
Baselbieter Gefängnissen

16. Februar 2024

Der Kanton muss auf den geschlossenen Standort in Sissach zurückgreifen.


Haltestelle Hirzbrunnen:
Auch hier sind Fehler passiert

6. Februar 2024

Quartierbewohner beschweren sich über weniger Komfort nach der Sanierung.


Reaktionen

Haltestelle Feldbergstrasse: Kante zu hoch gebaut

1. Februar 2024

Das Trottoir wird nochmals aufgerissen und die Tramstation temporär versetzt.


Reaktionen

20 Jahre Joker in
Sissach – mit demselben Wirt

18. Januar 2024

Didi Wanner hat mit seinem Nachtlokal viele andere Clubs in der Region überlebt.


Neue Chefredaktorin Kleinbasler Zeitung: Melina Schneider

15. Januar 2024

Prime News in Bewegung: ein Abgang, zwei Neuzugänge, eine Beförderung.


Keine Führungen mehr
im Fernsehturm

8. Dezember 2023

Swisscom stellt die öffentlichen Besichtigungen auf St. Chrischona ein.


Reaktionen

Eltern und Kinder irritiert:
Warum ist das Karussell stumm?

1. Dezember 2023

Der langjährige Konflikt um den Münsterplatz nimmt absurde Züge an.


Reaktionen

152 Tage und weiterhin
voller Tatendrang

29. November 2023

Jan Amsler und Alessandra Paone geben Einblick in ihre erste Zeit bei OnlineReports.


Ungetreue Kirchen-Kassiererin
wehrt sich vor Bundesgericht

16. November 2023

Die Frau aus Grellingen schädigte die
katholische Kirchgemeinde und die CVP.


Nach 43 Jahren ist
Schluss für Rapunzel 

13. November 2023

Die Buchhandlung im Liestaler Kulturhaus Palazzo schliesst Ende Januar.


Reaktionen

www.onlinereports.ch - Das unabhängige News-Portal der Nordwestschweiz

© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.

Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigene Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.

Auf dieser Website gibt es Links zu Websites Dritter. Sobald Sie diese anklicken, verlassen Sie unseren Einflussbereich. Für fremde Websites, zu welchen von dieser Website aus ein Link besteht, übernimmt OnlineReports keine inhaltliche oder rechtliche Verantwortung. Dasselbe gilt für Websites Dritter, die auf OnlineReports verlinken.

https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif
"JA zum Gesetz über eine
sichere Stromversorgung
mit erneuerbaren Energien"

SVP Baselland
in einer Medienmitteilung
vom 26. April 2024
zu den Abstimmungsvorlagen
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif

Die parteiinternen
Klima-Kapriolen haben der Baselbieter SVP zugesetzt.

RückSpiegel

 

Das Regionaljournal Basel veweist in einem Beitrag über die Probleme der Kitas im Baselbiet auf OnlineReports.

Der Klein Report nimmt die Recherche von OnlineReports über Roger Blums Buch über die Basellandschaftliche Zeitung auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel über die Zerwürfnisse in der Baselbieter SVP auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.
 

Weitere RückSpiegel

Werbung







In einem Satz


Die Baselbieter Regierung hat Kathrin Choffat und Roger Müller als neue Mitglieder des Bankrats der BLKB für die laufende Amtsperiode bis Mitte 2027 gewählt. 

Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).