Jörg Schild zu Tibet: "Dialog statt Gewalt"
Jörg Schild, der Präsident von Swiss Olympic, nimmt im Hinblick auf die Sommer-Olympiade in Peking differenziert, aber klar Stellung zu den gewaltsamen Vorgängen im Tibet.
Bern/Lhasa, 16. März 2008
Der frühere Basler Regierungsrat und heutige Präsident von Swiss Olympic, Jörg Schild (Bild) kritisiert das Vorgehen der chinesischen Armee und Sicherheitskräfte. In einer OnlineReports.ch vorliegenden Stellungnahme differenziert Schild seine Haltung zu den aktuellen Vorgängen. Es gehe ihm "nicht um eine Provokation" gegenüber dem Internationalen Olympischen Komitee" (IOC) oder gar gegenüber dessen Präsidenten Jacques Rogge. Aber mit der "nicht unproblematischen Vergabe der Spiele nach Peking" habe das IOC "auch gewisse Erwartungen geknüpft" und dies auch so kommuniziert.
Jörg Schild weiter: "Wir gehen zwar nicht nach China, um zu politisieren. Ich kann es auch nicht zulassen, dass man nun dem Sport eine Verantwortung überträgt, die er nicht wahrnehmen kann, indem man von ihm etwas verlangt, was die Politik bisher nicht zustande gebracht hat. Unsere primäre Aufgabe ist es, unseren Athletinnen und Athleten die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehört auch, zu berücksichtigen, dass sie sich im Moment in der wichtigsten Phase der Vorbereitung befinden, und jede Verunsicherung kontraproduktiv wirkt."
Anderseits mache sich auch "unglaubwürdig", wer vor den momentanen Ereignissen die Augen verschliesst und schweigt, so Schild weiter. Wer nach den jüngsten Ereignissen schweige, erwecke den Eindruck, das Schicksal der Bevölkerung im Veranstalter-Land sei ihm egal. "Man kann mich naiv nennen, aber ich glaube noch an die völkerverbindende Wirkung des Sports. Deshalb vertrete ich auch die Meinung, dass ein Boykott nichts bringt." Leidtragende wären die Athleten, aber auch die Bevölkerung Chinas, die sich eine gewisse Öffnung nach aussen erhofft hat.
Mit der Vergabe der Spiele nach Peking habe das IOC aber auch Verantwortung übernommen - "Verantwortung für den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Olympischen Spiele". Es teile diese mit dem veranstaltenden Staat. Nach Negativschlagzeilen über Doping und Korruption vertrage der Sport und der olympische Gedanke aber "keine weitere Belastung". Aus all diesen Gründen sollte das IOC das Verantalter-Land China "nochmals an die Erwartungen erinnern, die mit der Vergabe der Spiele verknüpft worden waren. Nicht mehr und nicht weniger. Eine Botschaft an China, wonach die Sportwelt darauf vertraut, dass innenpolitische Probleme im Sinne des olympischen Gedankens im Dialog und nicht mit Gewalt gelöst werden".
"Die Arroganz der IOC-Herren"
Aus Anlass des Menschenrechtstages vom 10. Dezember 2006 protestierten Tibeter-Unterstützungsgruppen vor dem Hauptsitz des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Lausanne für die Wahrung der Menschenrechte in China und Tibet. Obwohl Präsident Rogge und andere offizielle Vertreter des IOC die Annahme der Karten verweigert hatten, übergaben wir mehr als 10'000 Protestkarten, die wir im Rahmen der Kampagne "Peking 2008 - China spielt mit den Menschenrechten" gesammelt hatten.
Mit der Karten-Aktion appellierten die Tibet- und Menschenrechtsaktivisten an die Verantwortung des IOC, vom Gastgeberland China die Wahrung der Menschenrechte einzufordern. Das IOC hatte seinerzeit die Vergabe der Spiele an Peking damit gerechtfertigt, dass dieser Entscheid sich positiv auf die Menschenrechtslage in China auswirken werde. Obwohl wir lange im Voraus um einen Gesprächstermin beim IOC gebeten hatten, wurde uns dieser nicht gewährt. Die Verweigerung des Gesprächstermins zeigte deutlich, dass sich die IOC-Herren eigentlich um Menschenrechte foutieren – und ihre masslose Arroganz.
Zudem: Zurzeit arbeite ich in einem Spital für Bedürftige in Kathmandu (Nepal), wo auch Tausende besorgte tibetische Flüchtlinge leben. Ein Tibeter hat mir erzählt, ein Freund aus Lhasa habe ihm telefonisch berichtet, dass chinesische Polizisten in Lhasa das Gerücht verbreiten würden, dass der Dalai Lama bald nach Lhasa komme und sie deshalb sofort mit den Demonstrationen aufhören sollten. Gutgläubige Tibeter würden nun überall in Lhasa die weissen tibetischen Glückschals ausbreiten, um damit die Ankunft des Dalai Lama vorzubereiten und ihn willkommen zu heissen. Welch hinterlistige Taktik der chinesischen Besatzer!
Ruth Gonseth, derzeit Kathmandu/Nepal
"Das IOC leistet sich ein Trauerspiel"
Ein Trauerspiel diesbezüglich leistet sich das IOC, das Internationale Olympische Komitee mit seinen Präsidenten und Vizepräsidenten Rogge und Braun. So ungefähr mit ihren blauäugigen Aussage: "Wir liefern Sport und Spiele und Politik geht uns nichts an". Es dürfte doch klar sein, dass man sich das gewinnbringende Miliardengeschäft mit dem Sport um alles in der Welt nicht versauen will, wo käme man da auch hin. Da liegt eine hochnotpeinliche Diskussion nicht nur quer in der Landschaft, sondern überhaupt nicht drin. Menschenrechte hin oder her, das Geschäft geht vor.
Wie lange wollen solche Verbands-Exponenten ihren Kopf noch in den Sand stecken? Jörg Schild muss man zu seiner Zivilcourage gratulieren, er zeigte Moral. Hoffentlich fallen ihm die eigenen Sport- Funktionäre nicht in den Rücken. Es reicht, wenn es wahrscheinlich einige Schweizer Politiker noch machen werden!
Bruno Heuberger, Oberwil
"Danke für die mutige Stellungnahme"
Wer zu den Vorkommnissen in Tibet schweigt, schadet der Demokratie und demSport. Gut dass Jörg Schild die Vorkommnisse in Tibet nicht einfach übersieht um sich unbeschwert auf die Olympischen Spiele in China zu freuen.
Wie schon 1936 die Hitler-Diktatur die Olympischen Spiele dazu missbrauchte, um die Welt von seiner Terrorherrschaft abzulenken, spielt sich jetzt im stalinistischen China dasselbe ab. Die menschenverachtende Politik der in China herrschenden Machtelite muss öffentlich gemacht werden, nichts eignet sich besser dazu als ein möglicher Bojkott dieser sogenannten "Spiele".
Dass sich bekannte Basler Stararchitekten dazu hergeben, den Diktatoren ich Peking das Unschuldsmäntelchen in Form eines "Vogelnestes" zu liefern kann, wohl kaum mit Naivität für den "völkerverbindenden Sport" erklärt werden. Wo überall auf der Welt Unrecht geschieht, wird Widerstand zur Pflicht. Danke, Jögge Schild, für Deine mutige Stellungnahme.
Bruno Honold, Basel
"Wohltuende Abhebung von der peinlichen Stille"
Mit seiner Wortmeldung punkto Tibet distanziert sich der Basler alt Regierungsrat Jörg Schild wohltuend von der hochnotpeinlichen Stille, der ethischen Indiffferenz aller Anderen aus Politik und Sport. Er macht klar, dass wer - wohl als Folge der neuen global-ökonomischen Relevanz des stalinistisch-kommunistischen Chinas - schweigt, sich nicht mehr, nicht weniger als der Gehilfenschaft der institutionalisierten Völker-Diskriminierung respektive der Gehilfenschaft an kulturellem Genozid schuldig macht.
Das ist das Holz, aus dem der neue Basler Kantons-Präsident geschnitzt sein sollte.
Patric C. Friedlin, Basel