© Foto by Peter Knechtli, OnlineReports.ch / DRG
"Ich kann hier etwas Konkretes machen": Biodiversitäts-Engagierter Straumann
Am Reigoldswiler "Hörnlirain" entsteht ein Biodiversitäts-Labor
Der Regenwaldschützer und Historiker Lukas Straumann lancierte auf seiner Privat-Parzelle ein beachtenswertes Freiland-Projekt
Von Peter Knechtli
Auf einer bisher unauffälligen Landwirtschafts-Parzelle in Reigoldswil tut sich Ungewöhnliches: Besitzer Lukas Straumann hat sich zum Ziel gesetzt, den 67 Aren grossen Obstbaumgarten in ein Biodiversitäts-Labor zu verwandeln. Er setzte dafür auch schweres Gerät ein. Im ersten Jahr haben sich Fauna und Flora schon deutlich sichtbar verändert.
Er ist ausgebildeter Historiker, doch wenn es um die Verarmung der Arten geht, kann er manchen etwas vormachen: Sensibilisiert und ausgebildet im Jugendnaturschutz Baselland erweiterte Lukas Straumann (51) sein biologisches Wissen um eine riesige Dimension, als er 2004 zum Geschäftsführer des Bruno Manser Fonds gewählt wurde, der sich im Wesentlichen für die Erhaltung der Urwälder auf Borneo einsetzt.
Bis ins Mark naturverbunden, sah er vor gut zwei Jahren die Möglichkeit, einen eigenen Beitrag zur Verbesserung der Tier- und Pflanzenvielfalt im Baselbiet zu leisten. Ausgangs Reigoldswil, angrenzend an die Bretzwilerstrasse, hatte er die Möglichkeit, von seinem Vater eine Landwirtschafts-Parzelle zu kaufen, die bisher als Hochstamm-Obstgarten und Weideland genutzt wurde.
Wanderer glaubten an "Erdrutsch"
"Hörnlirain" heisst der Flurname der an einem Nordhang gelegenen Parzelle, die seit hundert Jahren im Familienbesitz ist, und deren südlichster Teil noch auf Lauwiler Boden liegt. "Wenn ich dieses Land übernehme, dann will ich auch etwas aus ihm machen", sagte Straumann bei einem Augenschein zu OnlineReports. In Bern, wo er mit seiner Familie seit 24 Jahren lebt, hält er schon seit sieben Jahren Stadtbienen. In seiner Heimatregion bot sich nun am "Hörnli" die Möglichkeit, Biodiversität an einem ganz praktischen Beispiel intensiv zu fördern.
Wenn Wanderer vom gegenüber liegenden Südhang in letzter Zeit auf den "Hörnlirain" blickten, vermuteten sie aus der Distanz, dort habe sich "ein Erdrutsch" (kleines Bild) ereignet. Mitnichten! Vielmehr hatte Straumann auch schweres Gerät auffahren lassen, um auf seinem Laborgelände erst einmal die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich in diesem bisher kaum aufregenden Grüngürtel wieder Leben regt.
So liess er mit einem Bagger – und der Bewilligung des Kantons – an drei Stellen mit einer Gesamtfläche von etwa drei Aren die dünne Humusschicht entfernen. Darauf wurde aus nahe gelegenen hochwertigen Magerwiesen-Standorten frisch geschnittenes Heugras zum Versamen ausgetragen.
Schon erste Zeichen von Vielfalt
Der Verzicht auf Düngung in einem weiteren Projektstreifen bewirkte, dass auf der früher viermal jährlich gegüllten Fettwiese, auf der noch im Frühling 2019 der leuchtende Löwenzahn das Bild bestimmte, schon ein Jahr später der feinere Scharfe Hahnenfuss auf den Wandel zur Magerwiese signalisierte. Ebenso sei dort der von Hand eingesäte Zottige Klappertopf bereits in wenigen Exemplaren aufgetaucht, wie es in einer ersten Projekt-Bilanz heisst. In den nächsten Jahren wird eine weitere Ausbreitung erwartet.
"Mit einfachen Massnahmen kann man Arten wieder fördern", sagt Straumann. So sind am "Hörnlirain" auch Wieselburgen aus Muschelkalkstein ebenso zu finden wie Strünke und Stämme, die einen Wintersturm auf einem dörflichen Hof nicht überlebten. 2019 wurden 26 Strauch- und zwölf Sorten Hochstamm-Obstbäume gepflanzt. Nisthilfen und ein zum Bienenhaus umgebauter ehemaliger Schafstall ergänzen das Bio-Projekt.
Grosser Bruder Obstgarten Farnsberg
Rund um den Obstgarten Farnsberg zwischen Ormalingen und Buus sind, grosszügig angelegt, auch zahlreiche Aufwertungs-Projekte zu beobachten. Auf dem "Hörnlirain" sind diese Massnahmen konzentriert. Die Ziele sind dieselben, nämlich "den Obstgarten aufzuwerten und die ökologische Vielfalt zu stärken" (Straumann). Dazu ist zwar viel Handarbeit nötig, aber "schief gehen kann nicht viel", sagt der engagierte Naturschützer. "Ich kann hier etwas Konkretes machen nach dem Motto global zu denken und lokal zu handeln."
"Besonders rasch", so heisst es im Projektbericht, hätten die Vögel auf die Aufwertungs-Massnahmen reagiert. So sei am 20. Juli letzten Jahres erstmals ein Neuntöter "als Nahrungsgast" am "Hörnlirain" gesichtet worden – eine Vogelart, die in den letzten Jahrzehnten dort noch nie beobachtet worden war. Auch zwei Exemplare der seltenen Zaunammer wurde ebenso gesichtet wie der Gartenbaumläufer oder der Trauerschnäpper, die im Gebiet sogar brüteten.
An Insekten beobachtete Straumann mindestens 14 fliegende Tagfalter-Arten, darunter den seltenen Wachtelweizen-Scheckenfalter. Neu aufgetaucht ist auch schon die Feldgrille. Bei unserem Augenschein auf dem Transformations-Gelände stiessen wir auf ein hüsches Exemplar der Wespenspinne (Bild).
Gespannt in die Vegetationsperiode
Der "Hörnlirain" wird bei einer Pause von zehn Wochen jährlich zweimal geheut, im Herbst beweiden ihn Schafe. Pächter Lukas Weber aus dem benachbarten Bretzwil muss unter dem neuen Regime zehn Prozent der Grasfläche als Rückzugsgebiet stehen lassen. Er hat dadurch weniger Ertrag und nicht genau jenes Gras, das er bräuchte. Dafür erhält er vom Kanton eine Biodiversitäts-Direktzahlung.
Mit Spannung blicken Straumann und seine familiären Helfer auf die bevorstehende Vegetationsperiode und den Fortschritt, den sie sich von ihren Einsätzen am "Hörnlirain" erhoffen. "Es ist ein dynamisches System, die Natur hat sofort reagiert", sagt der professionelle Regenwaldschützer. "Vögel finden ein neues Nahrungsangebot, die Steinburgen wurden sofort genutzt." Besonders gespannt ist er, wie sich das Pflanzenarten-Spektrum entwickeln wird.
Von Staat und Stiftung unterstützt
Straumann spricht von einem "Experiment, das an Schattenlagen noch nicht so häufig gemacht wurde". Für die vielen Stunden, die er mit Familienangehörigen aus ideellem Engagement in das Projekt investiert hat, entschädigen ihn Honig, frische Kirschen, Mirabellen, Äpfel, Birnen, Zwetschgen – und fesselnde Beobachtungen. Auf einen finanziellen Ertrag aus der Ernte sei er "nicht angewiesen".
Einige Bauern der Umgebung haben Mühe mit der Vorstellung, dass eine für die Landwirtschaft ertragreiche Fettwiese plötzlich eine neue Zweckbestimmung – nämlich die Förderung der Biodiversität – erlangt. Aber verschiedene Bauern haben Straumann beim Projekt auch aktiv unterstützt, etwa durch Hilfe beim Ausbringen der Heusaat oder durch Spenden von Strünken und Stämmen.
Das 15'000 Franken teure Projekt, das in diesem Jahr erstmals signifikante Erkenntnisse ergeben soll, wurde finanziell unterstützt durch die Natur- und Landschaftskommission des Kantons sowie durch die Hermann und Elisabeth Walder-Bachmann Stiftung. Vogel- und Naturschutzfachleute standen Straumann beratend zu Seite.
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18. Februar 2021
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