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"Ich hatte einen blühenden Garten": Entlassene Organistin Mondry
Peterskirche: Die Entlassung der Organistin zieht Kreise
Reformierte Kirche Basel-Stadt entlässt die Musikerin Babette Mondry, ohne sie und die Kirchgemeinde über die konkreten Gründe zu informieren
Von Peter Knechtli
Der Konflikt um die Entlassung von Babette Mondry, der Organistin der Basler Peterskirche, weitet sich aus: Jetzt wollen Kirchgemeinde-Mitglieder eine ausserordentliche Kirchgemeinde-Versammlung erzwingen. Unklar ist dabei die Hintergrund-Rolle des früheren Regierungsrats Hans Martin Tschudi.
Die 48-jährige Berufsmusikerin Babette Mondry gilt über die Landesgrenzen hinaus als Orgel-Kapazität. Seit 15 Jahren ist die Organistin der Peterskirche und als Organisatorin von Konzertreihen eng vernetzt mit der Musik-Akademie, der Universität und mit international renommierten Solisten.
Doch Ende letzten Jahres kam es zur abrupten Trennung, wie die "Basellandschaftliche Zeitung" im Frühjahr berichtete: Die reformierte Kirchgemeinde Basel-Stadt, deren Angestellte sie war, schickte der gebürtigen Deutschen – ohne Anhörung – am 27. November die von Kirchenratspräsident Lukas Kundert unterschriebene Kündigung. Am 1. Dezember wurde sie freigestellt, am 9. Dezember musste sie die Kirchenschlüssel abgeben. Unmittelbar zuvor war Babette Mondry als künstlerische Leiterin des "Freundeskreises Orgelmusik St. Peter" unter Fortzahlung ihres Honorars beurlaubt worden, obschon noch am 21. Oktober die Weiterführung einer "Probezeit" von sechs Monaten beschlossen worden war.
Die betroffene Musikerin sagt: "Ich hatte beruflich einen blühenden Garten. Jetzt werde ich ohne triftigen Grund aus der Gemeinde gestossen."
Kirchgemeinde-Versammlung "nicht zuständig"
Über 200 ahnungslose Mitglieder sowohl der Kirchgemeinde wie auch des "Freundeskreises" wollen die abrupte Entlassung der ebenso beliebten wie engagierten Organistin aber nicht hinnehmen und stellten den Antrag auf Einberufung einer ausserordentlichen Kirchgemeinde-Versammlung. Doch die Kirchen-Oberen lehnten ab mit der Begründung, dass dieses Geschäft nicht in die Zuständigkeit dieser Versammlung falle. Den Antragstellern wurde lediglich eine "nichtöffentliche Aussprache" mit einer auf 15 beschränkten Teilnehmerzahl unter mehreren Bedingungen angeboten – unter anderem, dass über die Gründe von Mondrys Entlassung nicht gesprochen werde.
Kirchen-Mitglieder kritisieren die Nicht-Information durch ihre Behörden und bestehen aufgrund der geltenden Kirchgemeinde-Ordnung auf Einberufung einer ausserordentlichen Versammlung. Der Antrag der Unterzeichner verlange nicht den Rückzug der Kündigung, sondern einzig "Klarheit über die Umstände" der Trennung. Es sei nichts weiter als eine demokratische Pflicht der Behörden – jener einer evangelischen Kirche insbesondere –, die Basis korrekt zu informieren.
Gericht verfügt vorläufige Schlüssel-Rückgabe
Inzwischen sind zahllose Briefe geschrieben und Begehren gestellt worden – doch die Kirchenbehörden bleiben unverrückbar bei ihrer Haltung. Diese Woche hat Babette Mondry vor Gericht immerhin einen Zwischenerfolg erzielt: Die Kirchgemeinde muss ihr den Schlüssel zurückgeben: Bis zum 31. Juli darf sie die Silbermann/Lhôte-Orgel der Petersgasse zu Übungszwecken und zur Begleitung der Universitäts-Gottesdienste weiter benützen. Was danach ist, bleibt offen.
Die Gründe der Trennung von der als "künstlerisch unbestrittenen, aber persönlich nicht einfach" beschriebenen Musikerin bleiben aber weiterhin im Dunkeln: Persönliche Animositäten oder Vertrauensverlust zwischen der Organistin und Peterkirche-Pfarrer Benedict Schubert, dem "Freundeskreis"-Vorstand, Siegristinnen und Kirchenbehörde-Mitgliedern? Spielte Mondrys (unerlaubte) Tonband-Aufzeichnung einer "Freundeskreis"-Sitzung im Beisein von Kirchgemeinde-Präsident Leonhard Müller vom 10. November mit? Mondry räumt ein, sich in einer bei Berufsmusikern nicht unüblichen "Sinnkrise" befunden zu haben, doch ein Zerwürfnis mit dem Arbeitgeber sei ihr nicht bewusst.
Verflechtung mit dem "Freundeskreis"
Recherchen von OnlineReports ergaben kein klares Bild. Zutreffen dürften Kompetenzkonflikte zur Zielrichtung mit dem Vorstand des "Freundeskreises Orgelmusik St. Peter", nachdem der frührere Regierungsrat Hans Martin Tschudi, privat selbst Orgelspieler, im Frühjahr 2013 das Präsidium der von Mondry aufgebauten Gruppe übernommen hatte. "Auf meiner Wellenlänge war niemand mehr", sagte sie zu OnlineReports, was auf eine Isolierung hindeutet.
Auch dürfte eine gewisse personelle Verflechtung des "Freundeskreis"-Vorstands mit den Kirchenbehörden die Schwierigkeiten verstärkt haben. Delikater ist ein anderer Umstand: Babette Mondry erklärte gegenüber OnlineReports auch, es habe sich im Rahmen des privaten Orgel-Unterrichts, den sie "Freundeskreis"-Präsident Hans Martin Tschudi erteilt habe, und eines durch ihn betriebenen Coachings eine "Nähe" entwickelt, die "kein Verhältnis war, aber mehr als eine Freundschaft". Letzten Oktober, als es ihr "zuviel" wurde, habe sie sich zurückgezogen, keinen Unterricht mehr erteilt und auch auf SMS nicht reagiert. Ob Pfarrerssohn Tschudi sodann die treibende Kraft hinter der Kündigung war, wie Mondrys Umgebung behauptet, liess sich nicht klären.
Nicht auskunftsfreudig
Auf mehrere konkrete Fragen von OnlineReports antwortete Tschudi nur ausweichend und pauschal: Der Verein Orgelmusik St. Peter habe "keine Befugnisse in arbeitsrechtlichen Fragen". Diese Befugnisse lägen allein bei den kirchlichen Behörden". Eine weitere Beantwortung der Fragen sei "auch aufgrund des hängigen Rechtsverfahrens nicht angebracht". Kirchenrats-Präsident Lukas Kundert reagierte auf eine Kontaktanfrage von OnlineReports nicht.
Auch Kirchgemeinde-Präsident Leonhard Müller – Jurist, Zivilrichter und EVP-Politiker – wollte gegenüber OnlineReports nicht Stellung nehmen und verwies an den beauftragten Anwalt David Jenny. In einem Brief der Kirchgemeinde an Gemeindemitglieder vom 27. November ist von einem "gravierenden Zerwürfnis auf beinahe allen Ebenen der Zusammenarbeit" die Rede, ohne dieses Zerwürfnis zu konkretisieren. Deshalb habe der Kirchenvorstand "im Einvernehmen mit dem Freundeskreis Orgelmusik St. Peter" beschlossen, dem kantonalen Kirchenrat die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beantragen.
Solidaritätskonzert und Kirchenaustritte?
Mitglieder der Kirchgemeinde wollen nicht aufgeben. Sie verlangen jetzt von ihrem Vorstand eine beschwerdefähige Verfügung gegen die Ablehnung ihres Antrags auf eine ausserordentliche Kirchgemeinde-Versammlung. Es sind auf allen Seiten mehrere Anwälte engagiert und auf verschiedenen Ebenen tätig. Unter anderem wird juristisch abgeklärt, ob der "Freundeskreis Orgelmusik St. Peter" mit seinem Vermögen vor kürzerer Zeit rechtskonform in den "Verein Orgelmusik St. Peter" übergeführt wurde. Die Mitglieder des "Freundeskreises" als Einfache Gesellschaft hätten der Umwandlung zustimmen müssen, was nicht erfolgt sei.
Allein ist Babette Mondry nicht. Vergangene Woche fand in der Elisabethenkirche ein von 450 Personen besuchtes Solidaritäts-Konzert statt. Ausgestanden ist der Konflikt noch nicht. Die Organistin wäre bereit zu einer Versöhnung, wie sie immer von den Kanzeln gepredigt wird. Kirchen-Rechtsvertreter David Jenny bezeichnet die Kündigung als "unwiderruflich". Zu OnlineReports sagte er: "Dieser Entscheid steht nicht zur Diskussion." Der Arbeitgeber habe "Fürsorgepflichten fürs Ganze". Da dürfe er sich "nicht erpressen lassen, sonst kann er seine Führungsverantwortung nicht mehr wahrnehmen".
Der Umgang mit dem Konflikt hat dazu geführt, dass schon verschiedene Mitglieder den Kirchen-Austritt gegeben haben.
8. Mai 2015
"Grosses Defizit bei der Kirchen-Obrigkeit"
Sehr geehrte Frau Thurneysen, sie in ihrer Position sollten doch wissen, warum es zu solchen Situationen kommt, nämlich dann, wenn man das Kirchenvolk und die Öffentlichkeit in so einem Fall im unklaren lässt und nicht korrekt oder überhaupt nicht informiert. In der Kirche resp. deren Obrigkeit ist in Sachen Aufklärung ein grosses Defizit auszumachen. Aussitzen und Schweigen ist hier sicher das falsche Mittel. Ein sehr ungutes Gefühl wird zurück bleiben.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Innehalten, nachdenken, schweigen"
Ich erlebe und empfinde Unsachlichkeit, Verbogenes, Halbwahrheiten……. Der Friedensengel wird dadurch in seinem Wirken behindert …. NOTWENDIG ist innehalten, nachdenken, schweigen ….
Liselotte Thurneysen, Pfarrfrau, Kirchgemeinde Basel-West, Basel
"Fragen und Quasi-Unterstellungen"
Warum, Herr Goetz, gehen sie mit ihrem scheinbaren Insiderwissen nicht zu ihren Freunden in der Kirchengemeinde, damit diese sich über diesen nicht sehr christlichen Fall endlich äussern? Oder haben sie Bedenken, dass die ganze Wahrheit eh nicht ans Tageslicht kommt oder kommen sollte oder gewissen Kirchenpersonen schaden könnte? Wie zum Beispiel alt-Regierungsrat Tschudi, wie man schon munkeln hört. Sie kolportieren hier öffentlich Fragen und Quasi-Unterstellungen in der Hoffnung, etwas wird schon hängen bleiben. Nicht sehr gentlemanlike.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Immer nur den einen Blickwinkel"
Seit 1999 bin ich bei der Reformierten Kirche Basel Stadt als Organistin angestellt, seit 2004 an der Theodorskirche. In all diesen Jahren habe ich unter anderem auch mit PfarrerInnen aus dem Basel-West zusammen gearbeitet. Es war immer erfüllend und dem Anlass dienend. Der Kirchenvorstand Basel-West hat über seine "Grenzen" hinaus auch Menschen aus anderen Gemeindekreisen unterstützt, unter anderem auch mich in beratender Funktion. Deshalb fällt es mir schwer, immer nur den einen Blickwinkel auf demselben Ausschnitt eines Gesamtbildes in der Presse zu lesen.
Nicoleta Paraschivescu, Organistin St. Theodor / Orgellehrerin an der Musik-Akademie Basel (AMS), Basel
"Anwaltschaftlicher Thesen-Journalismus"
Peter Knechtli stellt in seinem Beitrag vom 8. Mai zur Entlassung der Organistin Babette Mondry vieles korrekt dar, kolportiert aber auch eine ganze Reihe unwahrer Behauptungen, wie sie auch schon andernorts zu lesen waren. Aber lassen wir das einmal stehen. Das wirklich erstaunliche an Peter Knechtlis Artikel ist, dass der sonst als hartnäckiger Rechercheur bekannte Journalist diejenigen Fragen nicht stellt, die eigentlich irgendwie in der Luft liegen. In chronologischer Reihenfolge:
1. Wäre es nicht interessant zu wissen, wie die Don Bosco-Gemeinde in der Breite, wo Babette Mondry vor ihrer Anstellung an der Peterskirche angestellt war, das Wirken ihrer ehemalige Organistin beurteilt?
2. Wäre es nicht interessant zu wissen, wie Babette Mondry als Co-Präsidentin des Basler Organistenverbandes ihr Amt wahrgenommen hat?
3. Wäre es nicht interessant zu wissen, ob es stimmt, dass die Kirchgemeinde bereits vor etwa drei Jahren nur dank Supervision mit Babette Mondry weiter arbeiten konnte?
4. Wäre es nicht interessant zu erfahren, ob es stimmt, dass Babette Mondry entgegen ihrer mehrfachen Beteuerungen von der vorgesetzten Kirchenbehörde eine mehrseitige Begründung für ihre Kündigung erhalten hat?
Diese Fragen (und noch einige mehr) zu stellen und zu beantworten würde möglicherweise das Bild von der armen, unschuldigen Organistin, die grundlos, überraschend und willkürlich aus dem Amt gejagt wurde, etwas relativieren. Aber das würde natürlich dem anwaltschaftlichen Thesen-Journalismus, der offensichtlich in Sachen Babette Mondry angesagt ist, gewaltig zuwider laufen.
Ulrich Goetz, Basel
"Jetzt sollen die Kircheleute reden"
Herr Frei sagt in seinem Artikel "Frau Mondry kann ihre Kündigung problemlos öffentlich machen". Nun, das hat sie über diverse Kanäle schon zur Genüge getan und die Öffentlichkeit möchte endlich einmal von der Kirche Klarheit erhalten. Die Kirchenleute haben offenbar das Reden verlernt.
Dafür könnte ich mir zwei Gründe vorstellen: Zum einen haben sie nichts Vernünftiges zu sagen, was von begreifbarem Inhalt wäre, und zum andern haben sie etwas zu verbergen, worüber man besser nicht spricht. Wenn sich jemand so verbissen auf die Schweigepflicht und den Persönlichkeitsschutz berufen muss, wie dies von Seiten der Kirche passiert, so steckt ganz gewiss etwas im Hintergrund, das man mit aller Gewalt unter dem Deckel halten will. Wenn alles so klar wäre, dann hätte die Kirche schon längst die Arme ausgebreitet und alle Fragenden zu Gesprächen empfangen.
Und hier frage ich mich auch langsam, wessen Persönlichkeit letztlich eigentlich geschützt werden soll: diejenige von Frau Mondry oder diejenige von Kirchenvertretern und ihren Trabanten in der Funktion von Alt-Regierungsräten.
Richard Bürgi, Basel
"Engagiert und gewissenhaft"
Frau Mondry kann ihre Kündigung problemlos öffentlich machen. Dann wird bestimmt deutlich, dass nicht eine talentierte Organistin von böswilligen Kirchenoberen grundlos entlassen wurde. Wer unsere engagierten PfarrerInnen und die engagierten und gewissenhaften Mitglieder unseres Kirchenvorstands kennt, vertraut darauf, dass diese Kündigung nötig und berechtigt war.
Daniel Frei, Gemeinde Basel-West, Basel
"Graue Männer am Ruder"
Während 15 Jahren habe ich als Leiter des Offenen Singens in der Peterskirche mit Babette Mondry problemlos zusammen gearbeitet und sie dabei als eigenständige wie kooperative Persönlichkeit mit höchsten musikalischen und menschlichen Ansprüchen schätzen gelernt. Nun hat in der Petersgemeinde offensichtlich ein Klimawandel stattgefunden – ich konnte mich rechtzeitig ins Ausland verziehen –, der ihr zum Verhängnis wurde. Graue Männer haben das Ruder des sinkenden Schiffs übernommen und schauen zum Rechten. Rette sich, wer kann!
Georg Hausammann, Vauconcourt F