De Gustibus sagt mit Yunnan-Röschti Adieu
Die Provinz Yunnan ist heute das Tor Chinas nach Südostasien. Ähnlich wie in den Küstenregionen entwickelt sich die Provinz im Südwesten Chinas in rasantem Tempo. Im kolonialen Zeitalter von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten die Franzosen, von ihren Kolonien Vietnam und Laos aus nach China vorzudringen. Die französische Schmalspur-Eisenbahn wurde gar bis zur Provinzhauptstadt Kunming verlängert. Das alles ist der Grund, warum noch heute die Franzosen den grössten Teil der ausländischen Touristen ausmachen.
Heute allerdings ist Yunnan mit seinen Minderheiten – etwa Tibetern in Shangri-la, den Naxi in Li Jiang oder den Bai in Dali – vor allem Ziel chinesischer Touristen. Zig-Millionen strömen jährlich in die faszinierende Provinz von der Grösse Deutschands mit tibetischen Grassteppen, dem über 7'000 Meter hohen Himalaya Gipfeln, Wäldern, Schnee bedeckten Gebirgen und mit den drei wichtigsten Flüssen Chinas und Südostasiens: dem Yangtze-, dem Roten- und dem Mekong-Fluss.
Doch nicht nur Tourismus und Landwirtschaft sind wichtige Pfeiler der Yunnan-Volkswirtschaft. Mit Grenzen zu Vietnam und Myanmar/Burma ist Yunnan auch Drehscheibe für Handel und Investitionen für ganz China in Richtung Südostasien mit einem Markt von rund 500 Millionen Menschen. Symbol ist der Mitte Jahr eröffnete Flughafen in Kunming: gigantisch, top modern, effizient funktionierend und architektonisch ein Meisterstück.
Weniger oder überhaupt nicht bekannt im westlichen Ausland sind die kulinarischen Köstlichkeiten Yunnans. Leider, finde ich. Denn die von der nahen, mit scharfen Gewürzen gesegnete Provinz Sichuan und exotischen vietnamesischen und laotischen Zutaten beeinflusste und von den verschiedenen ethnischen Gruppen geprägte Küche sucht ihresgleichen. Reisnudeln (Guo Qiao Mi Xian) oder das exquisite, im irdenen Topf gegarte Huhn (Qi Guo Ji) sind nicht zu übertreffen. Für Pilzfreunde ist Yunnan ein Paradies. Mogu Huguo, ein Eintopf mit frischen Pilzen, ist ein Gedicht. Und schliesslich der Schinken. Er ist so gut wenn nicht besser als der spanische Serrano- oder der italienischen Parma-Schinken.
Hier soll aber von einer andern Spezialität die Rede sein. Erwähnt in "De Gustibus" wurde sie bereits mehrmals, aber nur am Rande. Weil dies die letzte "De Gustibus"-Kolumne ist, möchte ich diese Köstlichkeit den Gourmet-Lesern und den mit Liebe kochenden Leserinnen nicht vorenthalten.
Von Röschti ist hier die Rede, präziser von Yunnan-Röschti. Sie ist, finde ich, noch ein Quentchen besser als die Schweizer Röschti, will sagen jener Röschti, die ich in den Sommerferien in Truebschachen, also im Emmenthal, mit Gusto verzehrt habe. Aber auch Basler Röschti mit Zwiebeln, oder Tessiner Röschti mit Speckwürfeli sind nicht zu verachten, von der Zürcher, Appenzeller oder Urner Röschti ganz zu schweigen. Die Kartoffel hat – wie übrigens auch die in Südwest-China so beliebten Pfefferschoten – ihren Weg nach China (und Europa) erst vor knapp fünfhundert Jahren gefunden, als die Spanier und Portugiesen Lateinamerika "entdeckt" haben.
So gibt es denn in China dank der Provinz Yunnan auch einen Röschti-Graben, beziehungsweise einen Röschti-Reis-Graben. Im Gegensatz zur Schweiz ist er aber nur sehr klein, auch sehr viel kleiner als der Reis-Nudel-Graben, der China entlang des mächtigen Stroms Yangtze in Nord und Süd teilt. In Yunnan nämlich werden Reis und Nudeln genausogut wie Röschti gegessen. Gut chinesisch also nach dem Prinzip "Sowohl als auch" im Gegensatz zum eher westlichen "Entweder-Oder"-Denken.
Die Yunnan-Röschti wird nicht sehr viel anders zubereitet als in der Schweiz. Dass sie so gut schmeckt, liegt vielleicht auch daran, dass Yunnan so nahe am Himmel ist. Die Provinzhauptstadt Kunming liegt 1'900 Meter über Meer, Dali 2'000 Meter, Li Jiang 2'300 Meter und Shangri-la 3'300 Meter. Wie dem auch sei, hier das Rezept. E Guete!
Yunnan-Röschti
Zutaten (4 Personen)
• 1 Kilogramm rohe Kartoffeln
• 2 Zwiebeln
• Rote Pfefferschoten
• Schwarzer Sichuan Pfeffer
• Salz
• Schweinefett
• Soya-Rapsöl
Zubereitung
Kartoffeln schälen und in feinste Streifen schneiden, desgleichen die Zwiebeln. Die feinen Streifen mit etwas Salz und schwarzem Sichuan Pfeffer vermischen, fein gehackte rote Pfefferschoten und Zwiebelstreifchen dazugeben. Schweinefett in der Bratpfanne erhitzen. Die Kartoffeln hinzufügen, zehn Minuten lang hin und wieder wenden (aber ja nicht verrühren), damit alles mit dem Schweinefett gut vermengt ist. Danach rund 30 Minuten im Soja-Rapsöl braten und wenden.
24. Dezember 2012
"Noch ein einfaches Gericht"
Beim Lesen dieser Kolumne aktivierten sich jeweils meine
Speicheldrüsen, wallte mein (unerfüllbares) Fernweh auf. Und nun ?,
aus ...
Zum endgültigen Schluss vielleicht noch ein einfaches Gericht:
Zutaten: Sagu, Wasser, so verfügbar, Salz. Zubereitung: Sagu,
etwas Wasser, und, so verfügbar, eine Spur Salz, teigartig kneten; in
je zwei Palmblätter längs einwickeln; über/in der Glut der Feuerstelle
garen. Köstlich, im Urwald, zu vergleichen mit "Büürli"/"Batzelaibli".
Gerhard Wegener, Basel