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"Das schwerwiegendste Problem": Wirkstoff-Entdecker Hartmann Stähelin

Die Frage bleibt: Wer hat's erfunden – das Sandimmun?

Über den Jahrzehnte dauernden Streit um die Entdeckung des Erfolgsmedikaments von Sandoz/Novartis ist nun ein Buch erschienen


Von Peter Knechtli


Das Medikament Sandimmun von Sandoz/Novartis zählt zu den erfolgreichsten und gewinnträchtigsten Präparaten der Pharma-Geschichte. Doch seit seiner Entdeckung vor über 37 Jahren herrscht ein erbitterter Kampf darüber, wer der wirkliche Erfinder des Wirkstoffs war: Jean-François Borel oder doch Hartmann Stähelin? Ein soeben erschienenes Buch vermittelt tiefere Einblicke.


Sandimmun* mit seinen Milliardenumsätzen zählt zu den erfolgreichsten Produkten des Pharmakonzerns Novartis. Nachdem am 3. Dezember 1967 die erste Herztransplantation gelang, hat das Medikament schon Hundertausenden das Leben gerettet: Das Immunsuppressivum verhindert, das Spenderorgane vom Empfangenden abgestossen werden. Nur: Wer hat es erfunden, das Sandimmun?

Ehre für den Falschen?

Nach offizieller Lesart war es während vielen Jahren der Neuenburger Agronom Jean François Borel (Bild), ein damaliger Laborchef und Prokurist der Pharmadivision von Sandoz, einer der Vorgängerfirmen von Novartis. Borel, ein ehrgeiziger Wissenschafter und blendender Rhetoriker, heimste dafür zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen, Preise in Geldform und den Ehrendoktortitel der Universität Basel ein. Doch seit 1992 ist Borels Sandimmun-Vaterschaft heftig umstritten: Die "Weltwoche" berichtete in einer dreiteiligen Serie, dass nicht Borel der Entdecker war, sondern sein damaliger Vorgesetzter, der auch heute noch äusserst bescheiden auftretende Hartmann Stähelin. Mit einem von ihm ("Stä") unterzeichneten Dokument vom 31. Januar 1972 legt er einen Beleg vor, der erstmals die starke immunsuppressive Wirkung von Cyclosporin A nachweist.

Seit bald zwanzig Jahren kämpft Stähelin, demnächst 84-jährig, um seine Entdecker-Ehre. Eine von Novartis-Chef Daniel Vasella in Auftrag gegebene (und wohl auch bezahlte) Untersuchung der damaligen Pharma-Forschungschefs Karl Heusler (Ciba-Geigy) und Alfred Pletscher (Hoffmann-La Roche) ergab, dass sich Borel nicht korrekt verhalten habe, und dass Stähelin mindestens ebenso viel zur Entdeckung des entscheidenden Wirkstoffs Cyclosporin A beigetragen habe wie Borel. Es ist hier hilfreich zu wissen, dass der Welsche Borel die Gunst des Welschen Marc Moret, dem damaligen Sandoz-Herrscher, besass, und dass die Ehefrau des heutigen Novartis-Führers Daniel Vasella Morets Nichte ist.

In einer Untersuchung im Jahr 1996 teilte die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften die Verdienste um die Entdeckung an Borel und Stähelin.

Borel soll nicht "demontiert" werden

In diesen Tagen, 37 Jahre nach der Sandimmun-Entdeckung, ist nun ein Buch erschienen im Zürcher Verlag "rüffer & rub" unter dem Titel "Die Akte Sandimmun® – Ein Pharma-Skandal". Autor Stephan Bosch dokumentiert darin einen Brief, den Stähelin einen Tag nach der Besprechung mit Vasella vom 19. Oktober 1999 – Thema war darin unter anderem, wer die pharmakologische Vaterschafts-Untersuchung verfassen soll – an den Novartis-Chef schickte: "Das schwerwiegendste Problem ist Ihre wiederholt geäusserte Absicht, auf keinen Fall Herrn Borel zu 'demontieren'." Entsprechend "lauwarm" und "enttäuschend" (so Stähelin) fiel der Bericht Heusler/Pletscher anschliessend aus. Die Annahme ist zumindest nicht von der Hand zu weisen, dass indirekt Borel-Förderer Moret post mortem nicht durch eine Rehabilitation Stähelins desavouiert werden sollte.

Die These des Buchs, von Stähelin zu einem Teil mitfinanziert, ist nicht neu. Borel hatte die Protektion des Top-Managements der damaligen Sandoz, weil er  "blendend repräsentieren, gut reden und durch seine offene, zupackende Art bei der Vermarktung des Medikaments die wichtigen Personen und Institutionen für sich gewinnen" konnte. Dagegen sei der "ruhige, bescheidene Stähelin" dem Management "für diese PR-Aufgabe ungeeignet" erschienen.

Harte Vorwürfe des Vorgesetzten

Detailreich, spannungsvoll und auch für Chemie-Laien gut verständlich schildert die "Akte Sandimmun®", wie Borel seinen Vorgesetzten Stähelin zum Statisten degradierte und um den Ruf des Erfinders brachte. Neu ist aber die Schärfe, mit der sich damalige Insider und hochrangige Akteure über Borels Rolle in der Erfinder-Affäre äusserten. Daniel Hauser, früherer Leiter der Präklinischen Forschung von Sandoz und Vorgesetzter sowohl von Borel wie von Stähelin, lässt sich im Buch mit folgenden Worten zitieren: "Borels Verhalten empfand ich als sehr unfair und peinlich. Ich halte Borel in Sachen Cyclosporin A für einen Hochstapler und Lügner, der die Wahrheit bewusst zu seinen Gunsten unterdrückt".

Die Streitschrift wirft Borel unter anderem auch vor, er habe stets nur sich selbst in den Vordergrund gerückt und sich seine internen Widersacher durch Unterschlagung in der Quellennennung vom Leib gehalten, obschon die Wirkstoff-Entdeckung Teamwork gewesen sei.

Borel wollte sich nicht äussern

Auf Anfrage sagte Autor Bosch gegenüber OnlineReports, Hauser, der heute in New York lebt, habe das Zitat autorisiert. Obschon die gegen ihn erhobenen Vorwürfe gravierend sind, kommt Borel im Buch nicht in direktem Originalton zu Wort, sondern nur aus gedruckten Quellen. Das hat aber mit dem Geehrten zu tun: Er weigerte sich, mit dem Autor zu sprechen und verwies auf 100 Bundesordner im Sandoz-Archiv und "verschiedene Artikel", in denen er "alles ausgesagt" habe, "was aus meiner Sicht zu sagen ist".

Aus der einseitigen Quellenlage wird dem Buch der Vorwurf gemacht werden, es sei eine parteiische Kampfschrift. "Ja, ich bin Partei, weil ich aufgrund meiner Recherchen zur Überzeugung gelangte, dass Stähelin um seine wissenschaftliche Ehre gebracht wurde", sagte Bosch gegenüber OnlineReports. Seine Überzeugung stützt er auf den Eindruck aus zahlreichen Gesprächen, die er mit damals leitenden Kräften aus der Pharma-Forschung von Sandoz führte.

Nahe am Nobelpreis

Auf der andern Seite berührt eigenartig, dass sich Borel weigerte, zu den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen Stellung zu nehmen und die Gründe zu nennen, weshalb er die ihm verliehenen Meriten für gerechtfertigt hält. Und weshalb er laut damaligen Annahmen aus Basler Forschungskreisen nahe daran war, für die von ihm beanspruchten Leistungen den Nobelpreis für Medizin zu empfangen.

Eine ähnliche Erfahrung wie Autor Bosch machte auch Michael Haller, der frühere "Spiegel"-Redaktor und heutige Professor für Journalistik an der Universität Leipzig, der 1992 für die "Weltwoche" die "Sandimmun-Krimi"-Serie schrieb: "Sandoz blockte ab. Man stiess auf eine Mauer des Schweigens." Novartis liess Hartmann Stähelin allerdings trotz seines Kampfes nicht fallen: Zu seinem 80. Geburtstag überreichte ihm Forschungschef Paul Herrling einen Check in sechsstelliger Höhe. 

 

* Das Produkt heisst heute Neroal

Stephan Bosch:
"Die Akte Sandimmun® – Ein Pharma-Skandal", rüffer & rub, Zürich. 176 Seiten. 38 Franken.

30. September 2009

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Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

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