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"Strategie anpassen": Basler Verleger Matthias Hagemann, verkaufte Titel
Basler Zeitung nach Jean-Frey-Verkauf: Facelifting, Sparkurs und Flirt mit BZ
Nach Verkauf des Jean-Frey-Verlags will die BaZ-Gruppe die regionale Vormachtstellung absichern
Von Peter Knechtli
Mit dem Verkauf des Zürcher Jean-Frey-Verlags hat sich die Basler Mediengruppe (BM) von einer millionenschweren Altlast befreit. Als Regionalverlag wie Anfang der neunziger Jahre muss das Basler Verlagshaus jetzt wieder klein anfangen: Präsident Matthias Hagemann will mit lokalen Vorstössen die regionale publizistische Vormachtstellung absichern. Die "Basler Zeitung" will mehr Profil gewinnen, fährt aber gleichzeitig einen rigiden Sparkurs.
"Ringier will die Jean Frey AG kaufen", titelte die Basler Zeitung (BaZ) am Freitag. Zutreffender ist: Die BaZ-Herausgeberin Basler Mediengruppe muss den Verlag ("Weltwoche", "Beobachter", "Bilanz", "TR7", Fachmedienverlag) verkaufen. Ringier als Branchengewinner des Jahres ist topfit. Dem lange Zeit ebenfalls kerngesunden Basler Familienunternehmen mit massgeblicher Beteiligung der Publigroupe dagegen steht das Wasser wenn nicht am Hals, so doch an der Brust.
Zurück zum Regionalunternehmen
Über hundert Millionen Franken hat der bewunderte medienpolitische "Basler Griff auf Zürich" die Verleger am Rheinknie innerhalb von acht Jahren gekostet. Kaum war der junge BM-Verwaltungsratspräsident Matthias Hagemann (39) daran, Erfahrung als Chef eines Konzerns mit 530 Millionen Franken Umsatz zu sammeln, musste er zum Rotstift der dicksten Sorte greifen. Nach dem weit gehenden Verkauf des Druckgeschäfts - nur Birkhäuser ist noch feil - und des Jean-Frey-Verlags wird das zur Regionalfirma mutierte Verlagshaus noch 350 Millionen Franken umsetzen. Das ist der Stand von 1993, als der damalige Konzernchef Peter Sigrist seine Hunter-Strategie mit dem Erwerb des Zürcher Renommierverlags zum Höhepunkt trieb.
Verlierer will Hagemann nicht sein, sondern zu jenen "Gewinnern" gehören, die "rechtzeitig die Strategie an die Realität angepasst haben". Tatsache ist: Der Versuch, eine nationale publizistische Stimme von Basel aus zu dirigieren, erwies sich zwar als äusserst mutig, wirtschaftlich jedoch als Desaster. Der massgeblichen Verlegerfamilie Hagemann kann attestiert werden, dass sie bis an die Grenzen ihrer eigenen finanziellen Möglichkeiten versucht hat, die "Weltwoche" zu retten.
"Baslerstab" ist keine Goldgrube mehr
Doch innerhalb der Gruppe brannte es ertragsmässig inzwischen an allen Ecken und Enden. Laut Insidern sind die "Banken seit zwei Jahren unruhig", weil die Basler Manager "Loch um Loch stopfen" mussten. So sei beim Verkauf der Druckerei Winterthur an Ringier diesen Sommer kaum Geld nach Basel geflossen. Gleichzeitig führte der konjunkturelle Zusammenbruch laut Hagemann dieses Jahr zu Einbrüchen der Inserateeinnahmen in zweistelliger Millionenhöhe. Zur Abwehr der Pendlerzeitungen musste der früher Millionengewinn bringende Gratisanzeiger "Baslerstab" eine Redaktion aufbauen, die den Profit aufzehrt.
Das Verfalldatum strategischer Aussagen verkürzt sich atemberaubend: Noch im Herbst letzten Jahres stand Matthias Hagemann tapfer zum Jean-Frey-Verlag ("Die 'Weltwoche' wird nicht verkauft"). Die eben noch mit 50 Millionen Franken beschlossene Online-Strategie, die insbesondere auch die Jean-Frey-Titel miteinbezog, wurde kurzfristig massiv zurückgefahren, der jüngst angekündigte Fokus auf "Inhalt und Verlage" durch den Jean-Frey-Verkauf verwässert.
"Basler Zeitung" spart Seiten und Honorare
Dafür sind Sparkonzepte angesagt - auch bei der letzten verbleibenden Cash-Cow "Basler Zeitung". Die Zahl von 800 redaktionellen Seiten, die jährlich laut internen Quellen eingespart werden müssen, dementierte Chefredaktor Hans-Peter Platz, bestätigte aber ein: "Wir sparen Seiten ein." Rigide gekürzt wird auch das Honorarbudget für Freie Journalisten, dafür müssen die Angestellten vermehrt in die Tasten greifen. Die gescheiterte Dreiländer-Beilage "3", später in "Dreiland-Zeitung" umfirmiert, erschien am Donnerstag zum letzten Mal. Neu entsteht daraus das kostengünstigere Veranstaltungsforum "Basler Agenda".
Dafür wird sich Anfang März die Frontseite der "Basler Zeitung" grafisch verändert präsentieren ("in Richtung Lesezeitung"). Auch inhaltlich will die Redaktion der "Regionalzeitung mit Weltformat" (Werbeslogans) "entschlossener auftreten, redaktionellen Willen zeigen und erkennbar machen" (Platz): "Wir wollen deutlicher als bisher herausschälen, was die Redaktion als wichtig erachtet."
Expansionsfelder: Tageszeitungen, Radio und Fernsehen
Eine Konzernstrategie nach dem Rückzug an den Juranordfuss besteht indes nicht, wie Matthias Hagemann bestätigt: "Es ist im Moment nichts Wahnsinniges zu erwarten. Für die strategische Neuorientierung wollen wir uns Zeit lassen." Er sieht "Optionen im Tageszeitungsmarkt, aber auch im Multimedia-Geschäft". Konkret geht es primär um eine Absicherung der publizistischen Vormachtstellung: Eine Annäherung an TeleBasel, Radio Basilisk, Radio Edelweiss und die "Basellandschaftliche Zeitung" (BZ) in Liestal. Im Zuge einer Annäherung der Schweiz an Europa "könnte die Expansionsstrategie auch einmal Richtung Norden gehen".
Für BZ-Verleger Mathis Lüdin steht eine finanzielle Verflechtung "in keiner Weise zur Diskussion". Hingegen könnte er sich eine Kooperation mit der BaZ-Verteilfirma Prevag in der Zeitungs-Frühvertragung - statt durch die Post - und via BaZ eine Andockung an das Anzeigenkombi Swisspool vorstellen. Auch hält er für denkbar, dass die vor allem für den Druck der "Coop-Zeitung" benötigte, soeben für 80 Millionen Franken bestellte neue BaZ-Rotationsmaschine mittel- und längerfristig seine BZ druckt. "Vor etwa drei Monaten", sagt Mathis Lüdin, habe ein Gespräch mit Matthias Hagemann stattgefunden.
Ein BM-Vertrauter glaubt, dass der Ausverkauf innerhalb der Basler Mediengruppe noch nicht beendet ist. Er würde sich nicht verwundern, "wenn die 'Basler Zeitung' in einem Jahr der Tamedia gehört". Davon will Matthias Hagemann nichts wissen. Er signalisiert bereits den Willen zur Expansion in den EU-Raum und langfristig stabile Besitzverhältnisse: "Unsere Familie behält die Mehrheit am Unternehmen. Das gilt stärker denn je."
Mögliche regionale Partner der Basler Mediengruppe
Unternehmen
| Tätigkeit
| Strategisches Interesse
| Kooperations-Interesse
|
Baselland-schaftliche Zeitung
| Druck- und Verlagsfirma mit Sitz in Liestal. Tages-Regionalzeitung "Basellandschaftliche Zeitung" (BZ). | Einziger grösserer Print-Konkurrent in der Region Basel. Aber deutlich kleiner als BaZ. Basler Mediengruppe muss aufpassen, dass BZ nicht in fremde Hände fällt, die einen Keil in die Region treiben. Landschäftler hüten sich anderseits, sich den Baslern sorglos um den Hals zu werfen. | |
TeleBasel
| Fernsehsender der Region Basel. Getragen von einer pluralistischen Stiftung. | Am neuen BaZ-Domizil Aeschenplatz sind TV-Fazilitäten eingerichtet. Auch will die Basler Mediengruppe ihre TV-Aktivitäten ausbauen. Übernahme von TeleBasel aus rechtliche Gründen kaum denkbar. Möglich sind Kooperationen. | |
Radio Basilisk
| Privatradiosender mit Sitz in Basel. | Basler Mediengruppe hält direkt und indirekt schon 40 Prozent an der Holding. Um den "Basler Musigsänder" aber wird im Hintergrund heftig gerungen. Guter Sound ist teuer. | |
Radio Edelweiss
| Privatradiosender mit Sitz in Liestal. | Hat sich in der Region gut etabliert. Hätte Hauptaktionär Bernhard Burgener Verkaufsgelüste, käme wohl die Basler Mediengruppe eher in Frage als ein Züricher Verlagshaus. Es bestehen personelle Verbindungen zwischen Liestal und Basel. | |
Volksstimme
| Druck- und Verlagsfirma mit Sitz in Sissach. Lokalzeitung "Volksstimme" (dreimal wöchentlich). | Bemerkenswertes Nischenprodukt im Oberbaselbiet, das sich redlich halten kann. Strategisches Interesse der Basler Mediengruppe zweitrangig. "Volksstimme" ist und bleibt eine selbstständige Baselbieter Angelegenheit, die von Basel nichts wissen will. | |
30. Dezember 2001