Werbung

© Foto zvg
"Preisabsprachen schon in der Zwischenkriegszeit": Roche-Präparat Redoxon

Der Vitaminskandal war nicht der erste Kartellverstoss

Der Basler Pharmakonzern Hoffmann-La Roche hat ein reichhaltiges Know-how in Preisabsprachen


Von Lukas Straumann


Wegen illegaler Preisabsprachen im Vitamingeschäft hat jetzt auch die EU-Kommission den Pharmakonzern Roche zu saftigen 670 Millionen Franken Busse verurteilt. In der Schweiz dagegen geht der Basler Multi nach dem Verdikt der Wettbewerbskommission (Weko) straffrei aus. Dabei war das Vitamin-Vergehen Roche keineswegs ein Erstlingsvergehen: Roche hat Erfahrung mit der Bildung von Kartellen.


Zwar leitete auch die Wettbewerbskommission eine Untersuchung ein, nachdem Roche und BASF sich im Mai 1999 in einem Vergleich mit dem US-Justizministerium wegen illegaler Marktabsprachen im Vitamingeschäft für schuldig erklärt hatten. Einzige Konsequenz ist jedoch, dass das massgeblich von Roche aufgebaute Vitaminkartell in der Schweiz explizit verboten wurde - was es im Grunde genommen vorher auch schon war. Eine Busse ist laut dem stellvertretenden Weko-Direktor Patrik Ducrey "nicht möglich", da das geltende schweizerische Kartellgesetz Verstösse "nur im Wiederholungsfall mit Sanktionen" ahndet.

Preisabsprachen mit IG Farben schon im Jahr 1941

Juristisch zählt für die Beurteilung der Straffreiheit der Vitaminhersteller in der Schweiz einzig der Zeitraum seit Inkrafttreten des Kartellgesetzes Mitte 1996. Historisch gesehen ist das Vitaminkartell der neunziger Jahre allerdings nur die Neuauflage einer wesentlich älteren Praxis der Pharmaindustrie: Bereits 1941 vereinbarte Roche mit der damaligen BASF-Vorläuferfirma IG Farben unter Umgehung der Behörden Preisabsprachen im Vitaminbereich.

Mitten im Zweiten Weltkrieg, am 23. April 1941, reiste Professor Heinrich Hörlein, Vorstandsmitglied des IG Farben-Konzerns und deutscher Wehrwirtschaftsführer, nach Basel. Der Nationalsozialist Hörlein verhandelte mit Roche über einen Austausch von Lizenzen für die Roche-Patente auf Vitamin C und die IG Farben-Patente auf Vitamin B1.

 

"Eine preisliche Konkurrenzierung
ist nicht beabsichtigt."

 

Nach langem Hin und Her kam es beim Basler Treffen mit Roche-Spitzenleuten zur Einigung: Die Chemiekonzerne vereinbarten gegenseitige Freilizenzen für die während des Krieges besonders begehrten Vitamine. Gleichzeitig versicherten die Unternehmen, sich gegenseitig über Preisänderungen zu informieren, "da zwischen unseren Firmen Übereinstimmung darüber besteht, dass eine preisliche Konkurrenzierung nicht beabsichtigt ist, da diese dem Sinn unserer vertraglichen Abmachungen zuwiderlaufen würde".


Der Passus wurde nicht in den Lizenzvertrag aufgenommen, um eine Überprüfung der Vitaminpreise durch den deutschen Preiskommissar zu vermeiden. Statt dessen verliess sich Roche bei der Absprache mit dem mächtigen deutschen IG Farben-Konzern auf den "Gentlemen-Weg".

Wieder sind Roche und BASF im gleichen Boot

Pikant aus heutiger Sicht: Mit Roche und dem nach Kriegsende durch die Alliierten zerschlagenen BASF-Vorläuferkonzern IG Farben waren schon am Deal von 1941 die zwei Hauptakteure des jetzt gebüssten Vitaminkartells beteiligt. Von den durch die EU-Kommission verhängten Strafen fällt der höchste Betrag auf Roche mit 462 Mio. Euro (670 Millionen Franken), der zweithöchste auf BASF mit 296 Mio. Euro wegen der Anstifterrolle der beiden Konzerne.

In historischer Perspektive war das Vitaminkartell der neunziger Jahre eine Rückbesinnung auf alte Gepflogenheiten. So waren in Europa in der Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg Kartelle in der Chemie branchenüblich - und gesetzlich zulässig. Allein Roche war 1938 an acht verschiedenen internationalen Kartellen und Preiskonventionen auf dem Gebiet pharmazeutischer Wirkstoffe beteiligt, so unter anderem für Opiate, Chinin und Vanillin.

 

"Allein 1938 war Roche an acht Kartellen
und Preiskonventionen beteiligt."

 

Paradebeispiel unter den Chemiekartellen der Zwischenkriegszeit ist aber das seit 1929 unter Anführung von IG Farben errichtete Internationale Farbstoffkartell, dem auch die in der "Basler IG" vereinigten Schweizer Farbstoffproduzenten Ciba, Sandoz und Geigy angehörten. In den dreissiger Jahren kontrollierte das Farbstoffkartell rund zwei Drittel des weltweiten Farbstoffgeschäfts, wovon den Schweizern laut Kartellvertrag eine Verkaufsquote von 17,4 Prozent zustand. Das Farbstoffkartell und verschiedene andere internationale Kartelle wurden nach Beginn des Zweiten Weltkriegs aufgelöst. Dennoch erhob das amerikanische Justizministerium 1942 eine Klage gegen die US-Töchter der Basler IG und andere Farbstoffhersteller, weil sie unerlaubte Absprachen vermutete. Die Klage wurde aus kriegswirtschaftlichen Überlegungen sistiert.

Sanktionsmöglichkeiten in der Schweiz erst seit 1996

In der Schweiz wurde das erste Kartellgesetz 1962 erlassen und 1985 revidiert. Bis Mitte der neunziger Jahre konnte die damalige Kartellkommission bloss Empfehlungen treffen, hatte aber keine Sanktionsmöglichkeiten. Dies änderte erst 1996 mit dem neuen Kartellgesetz und der Einsetzung der Wettbewerbskommission.

Seit Bekanntwerden des Vitaminkartells wurde eine erneute Revision des Kartellgesetzes in Angriff genommen. Eine vom ehemaligen Zuger SP-Nationalrat Armin Jans eingereichte Motion für eine griffige Bussenregelung im Kartellgesetz überwies der Nationalrat im März 2000 einstimmig. Die soeben durch den Bundesrat verabschiedete Botschaft zur Änderung des Kartellgesetzes soll im nächsten Jahr durch die Eidgenössischen Räte behandelt werden.

 

"Schärfere Sanktionen gegen Kartellverstösse
sind in Vorbereitung."

 

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass der bisher geltende "einmal ist keinmal"-Grundsatz fallengelassen werden soll. Für "besonders schädliche kartellrechtliche Verstösse" - wozu das Vitaminkartell zweifellos zu zählen wäre - sollen nach dem Willen des Bundesrates direkte Sanktionen verhängt werden. Gegen das Kartellrecht verstossende Unternehmen müssen mit Bussen bis in der Höhe von 10 Prozent ihres in der Schweiz erzielten Umsatzes der letzten drei Jahre rechnen - das wären bei Roche immerhin 141 Millionen Franken.

26. November 2001


 Ihre Meinung zu diesem Artikel
(Mails ohne kompletten Absender werden nicht bearbeitet)
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/echo.gif

"Mit China kam bei der Roche Hektik auf"

Vor ein paar Jahren, als die Wirtschaft in der Volksrepublik China auch begann, Vitamin C herzustellen, und dies zu viel tieferen Preisen als sonst auf dem Weltmarkt, kam in der Roche und bei anderen Produzenten Hektik auf. Damit war das Kartell wohl zu Ende, die Konsequenz war, dass die Produktionsanlagen der Roche sich auch nach China verschoben.


Karl Linder, Basel



Was Sie auch noch interessieren könnte

Kitas in Baselland: Personal und Eltern wandern in die Stadt ab

26. März 2024

Eine Kita-Allianz will verhindern, dass die Situation noch prekärer wird.


Reaktionen

Permatrend muss nach
über 46 Jahren schliessen

22. März 2024

Mit dem Textildruck-Betrieb geht auch ein Stück Baselbieter Unternehmensgeschichte.
 


Regierung kontert den
Herr-im-Haus-Standpunkt

22. März 2024

Peter Knechtli zur Unterschutz-Stellung
der verwüsteten Sissacher Tschudy-Villa.


SP wirft Lauber missbräuchliche Budgetierung vor

20. März 2024

Minus von 94 Millionen: Baselbieter Regierung plant "Entlastungsmassnahmen".


Reaktionen

Roger Blum wirft bz
Besprechungs-Boykott vor

8. März 2024

Relevante Ereignisse bleiben in Basler
Leitmedien immer häufiger unbeachtet.


Reaktionen

Heikle Wahl-Werbung
auf dem Handy

28. Februar 2024

Problematisch: SP und Bider & Tanner versenden SMS von derselben Nummer.


Räppli-Krise treibt Fasnächtler
in beiden Basel um

7. Februar 2024

Das Wurfmaterial ist knapp – und seit Corona deutlich teurer.


Haltestelle Feldbergstrasse: Kante zu hoch gebaut

1. Februar 2024

Das Trottoir wird nochmals aufgerissen und die Tramstation temporär versetzt.


Reaktionen

Rechter Verbandsmitarbeiter unter linken Unternehmern

30. Januar 2024

Luca Urgese im Wahlkampf: "Lieber das Original statt die Kopie wählen."


BL-Hauseigentümer stossen
"Transparenz-Initiative" an

26. Januar 2024

Kantonsgericht statt Bundesgericht
soll künftig Verfassungs-Konformität prüfen.


Reaktionen

www.onlinereports.ch - Das unabhängige News-Portal der Nordwestschweiz

© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.

Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigene Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.

Auf dieser Website gibt es Links zu Websites Dritter. Sobald Sie diese anklicken, verlassen Sie unseren Einflussbereich. Für fremde Websites, zu welchen von dieser Website aus ein Link besteht, übernimmt OnlineReports keine inhaltliche oder rechtliche Verantwortung. Dasselbe gilt für Websites Dritter, die auf OnlineReports verlinken.

https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif
"Bais steht vor Gewissens-Entscheid"

OnlineReports.ch
Im Titel des Newsletter-Textes vom 18. April 2024 über die SVP-Basis.
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif

Auch Nomen sind Glückssache.

RückSpiegel

 

Klein Report nimmt die Recherche von OnlineReports über Roger Blums Buch über die Basellandschaftliche Zeitung auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel über die Zerwürfnisse in der Baselbieter SVP auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

Werbung







In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).