Melania, die Heilige und die Andere
Seit der Amtseinsetzung von Donald Trump kursiert auf Twitter eine einschlägige Bitte: #freeMelania! Die neue First Lady wirkt im Umgang mit dem Präsidenten so gequält, dass Menschen rund um den Globus befürchten, ihr alter, offen sexistischer und stets orange-schimmernder Mann habe sie entführt und zwinge sie zu den Auftritten an seiner Seite. Sie müsse deshalb befreit und vor weiteren Übergriffen geschützt werden. Ich glaube, es ist für alle Beteiligten – Donald, Melania und die weltweit Betroffenen – zielführender, auf das Gegenteil zu hoffen: Melania muss ihren Mann (und uns vor ihm) befreien.
Schon vor 1'600 Jahren hiess eine der reichsten und mächtigsten Frauen der Welt Melania. Sie hatte einen extrem wohlhabenden Erben aus einer senatorischen Familie geheiratet. Zusammen besassen sie ein Haus in Rom, das so teuer war, dass niemand anderes – nicht einmal der kaiserliche Hof! – es kaufen konnte. "Was sie an Reichtum hatten, kann man überhaupt nicht ermessen", schwärmt um das Jahr 450 n.Chr. ihr Biograph, ein Priester aus Jerusalem.
Zum Beweis zitiert er Melania selber: "Wir hatten einen so prächtigen Besitz mit Bad, das alle Schönheit der Welt weit übertraf; denn auf der einen Seite lag das Meer, auf der anderen ein Wald mit allen Baumarten, worin sich Wildschweine, Hirsche und anderes Wild tummelten, so dass die Badegäste vom Strand seewärts die Segelschiffe sahen und auf dem Land die laute Jagd hörten. Der Glanz der bunten Marmorbauten war unvergleichlich, und ich erinnere mich an den ungeheuren Ertrag des ganzen Landgutes, denn ringsum gehörten noch zweiundsechzig Höfe und 400 Sklaven dazu."
"Vielleicht macht Melania Donald Trump
zu einem solidarischen Meschen."
In diesem Luxus-Ressort, in den reichsten Häusern der Stadt Rom oder auf ihren Landbesitzen in Italien, Spanien und Afrika wandelte Melania selbstverständlich in den teuersten Kleidern der antiken Welt.
Sie hätte – wie die meisten reichen Erbinnen vor und nach ihr – dieses Leben in Luxus und grotesker Verschwendung problemlos weiterführen und sich darauf konzentrieren können, ihren Reichtum und vor allem denjenigen ihres Mannes zu vermehren. Aber Melania gehörte zu einer der ersten Generationen reicher Kinder, die eine christliche Erziehung genossen hatten. Und sie entschied sich für ein neues Leben: Sie hat ihren Mann davon überzeugt, die christliche Idee von Armut und Solidarität radikal umzusetzen.
Ihr Handlungsspielraum war eigentlich eingeschränkt. Theoretisch hatte sie als junge Frau nicht viel zu bestimmen. Entsprechend war der Widerstand zunächst in ihrer Familie und dann in der ganzen Stadt riesig, als sie sich einfach dafür entschied, keine Kinder (also Erben) zu bekommen und ihr unvorstellbar grosses Vermögen zu verschenken. Zuerst gelang es ihr – dank eisernem Willen – ihren Mann zu überzeugen, später ihren Vater.
Melania und ihr Mann befreiten ihre 8'000 Sklaven und "machten es sich zur Aufgabe, alle Kranken zu besuchen und sie alle zu pflegen. Sie nahmen Fremde gastlich auf und beschenkten sie reich, allen Armen teilten sie mit vollen Händen aus, sie gingen in Gefängnisse und überallhin, wo Asylanten waren und befreiten so viele wie möglich von ihren Schulden." Sie war so überzeugend, dass sie sogar den Kaiser dazu brachte, umgehend ein Dekret (!) zu erlassen, das ihr den Verkauf ihres Landes und anschliessende Spenden erleichterte.
Die Zeit, in der Melania aufwuchs, ist der unseren in gewisser Hinsicht ähnlich: Die Bewohner des römischen Reiches hatten das unangenehme Gefühl, die Welt, die sie gekannt hatten, sei aus den Fugen geraten. Jahrhundertealte politische Systeme gerieten ins Wanken und Routinen griffen nicht mehr.
Umso bemerkenswerter ist der Befreiungsschlag von Melania. Sie wusste, dass ein radikaler Wandel nötig sei. Ihr Vermögen war so gross, dass ihr Verzicht ein kleines politisches Erdbeben auslöste und sie sich die gesamte verunsicherte Oberschicht zum Feind machte. Aber, so soll sie gesagt haben, sie sei sich "ganz erbärmlich vorgekommen und musste immer daran denken, wie viele nackt und vor Kälte starr auf dem Marktplatz lagen".
Die Superreichen unserer Zeit hoffen nach wie vor auf Donald Trump: Er kann die Verarmten ansprechen und setzt die Interessen der Mächtigen durch. Es wäre aber auch möglich – das hat eine Römerin gezeigt –, dass Melania ihren Mann, der so gerne von "Gott" redet, zu einem solidarischen Menschen macht, der sein ganzes Vermögen spenden und als Heiliger in die Geschichte eingehen will.
13. Februar 2017
"Ein Vögelchen im goldenen Käfig"
Träumen Sie weiter, liebe Sarah Bühler! Träume sind erlaubt und Martin Luther King hat mal gesagt: "I had a dream!" Der seine hat sich halbwegs realisiert, der Ihre wird eine Illusion bleiben.
Die slowenisch-amerikanische Melania unterscheidet sich wesentlich von der römischen, spricht ja kaum die amerikanische Landessprache. Sie mag eine christliche Erziehung genossen haben, hat aber offensichtlich null Einfluss auf ihren egomanen Polteri. Über ihr intellektuelles und ethisches Potenzial ist sozusagen nichts bekannt. Sie ist ein Vögelchen in einem goldenen Käfig, das sich gerade mal mit Donald dem Grossen zeigen darf, aber nichts zu zwitschern hat. Im Gegensatz zum unsäglichen Getwitter ihres aufgeplusterten Paradiesvogels ...
Wer rettet uns vor Donald Trump? Wir können nur hoffen, dass er sich in seiner Megalomanie früher oder später selbst demontiert.
Esther Murbach, z.Z. Galway/Irland