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"Etwas Neutrales, Unnahbares": Ambitiöse FDP-Politikerin Schenker
Eine "Mona Lisa" soll den Baselbieter Freisinn in Bewegung bringen
Interimspräsidentin Saskia Schenker will offiziell neue Parteipräsidentin werden / Entscheid am 10. April
Von Peter Knechtli
Es wäre verfehlt zu behaupten, die Nachfolge im Präsidium der Baselbieter Freisinnigen sei in den letzten Jahren organisch verlaufen. Als Christine Frey vor zwei Jahren ihren Rücktritt inszenierte und ihr gleich eine Gruppen-Demission aus der Parteileitung folgte, war die Nachfolge ungeklärt.
Da sich offensichtlich niemand um das Knochen- und Spitzenamt riss, schlug die Findungskommission, wohl kaum mit Interessenten überhäuft, den damals 70-jährigen Paul Hofer vor, der fünf Jahre zuvor gegen Frey unterlegen war – und dennoch nicht aufgab.
Doch Hofers Führungsversuch wirkte so skurril, dass ihm bekannte Parteifreunde OnlineReports gegenüber nicht nur schmeichelhafte Prädikate attestieren. Symptomatisch, dass er am 5. Dezember letzten Jahres, weniger als vier Monate vor den kantonalen Wahlen und entwertet durch Vertrauensverlust der Parteileitung, "per sofort" den Bettel hinwarf. Seine Begründung ist wenig glaubwürdig: die "starke berufliche Belastung als CEO eines global tätigen Start-up-Unternehmens, das sich in einer entscheidenden Aufbauphase befindet".
Sofort sprang in der Not eine Frau in die Bresche, die nicht erst eingeschult werden musste: Landrätin Saskia Schenker, die der Parteileitung bereits angehörte und – auch als seinerzeitige Leiterin des Politik-Teams der Wirtschaftskammer Baselland – in der Führung erfolgreicher Wahlkämpfe erfahren war.
"Wir wären froh, wenn
wir auch so jemanden hätten."
Am 10. April, wenn die Freisinnigen in Allschwil ihre Ständerats- und Nationalratskandidaturen nominieren, soll die 39-jährige Politikwissenschafterin offiziell zur Präsidentin gekürt werden. Weitere Bewerbungen sind zwar möglich, aber Opposition gegen sie ist weit und breit nicht in Sicht. Ihre Wahl dürfte ohne Nebengeräusche und wohl auch mit spürbarer Erleichterung erfolgen.
Wo man hinhört, nur Positives. Sie sei für die Freisinnigen ein "unglaublicher Glücksfall", anerkennt CVP-Landrat Pascal Ryf und gesteht: "Wir wären froh, wenn wir auch so jemanden hätten." Der Christdemokrat kommt angesichts ihrer "gewinnbringenden Art" aus dem Schwärmen nicht mehr heraus: "Sie ist eine sehr angenehme, diskrete und offene Kollegin, unaufgeregt, sachlich fundiert."
Gleicher Tenor – andere Worte auch bei der grünen Spitzen-Frau Florence Brenzikofer, die mit Saskia Schenker in der Sola-Landratsstaffel läuft: "Diskussionen mit ihr über Sachthemen sind sehr offen und konstruktiv." Mit ihr könne sie "sehr gut über Parteigrenzen hinweg zusammenarbeiten, auch wenn wir in Finanzfragen nicht unbedingt die gleiche Auffassung haben".
Die schlanke Liberale ist ein Energiebündel und stets in Bewegung. Kommt die Bahn-Pendlerin nach einem Zwölf Stunden-Tag als Stellvertretende Direktorin des Krankenversichungs-Verbandes "Curafutura", den der heutige Bundesrat Ignazio Cassis präsidierte und dem sie beim Vorstellungsgespräch gegenüber sass, von Bern nach Hause in Itingen, hat eine Tätigkeit Priorität: "seggle".
Ferien und Freizeit verbringt sie auch gern mit Wandern und Biken. Wenn sie nebenbei erwähnt, dass sie "viele Höhenmeter" macht, dann leistet sie sportlich, was ihr auch die Politik abverlangt und auch als Präsidentin einer Partei mit nicht wenigen internen Konfliktlinien noch abverlangen wird.
"Unter Druck werde ich ruhig
und abwartend, nicht hypernd."
Nur merkt ihr das kaum einer an. Schenker gibt ihre Gedanken nicht leichtfertig preis, manchmal lächelt sie auf eine Art, die das Motiv nicht erkennen lässt. Die Mona Lisa des Baselbieter Freisinns sei stets "kontrolliert", sie "hat sich im Griff", sagt die Muttenzer SVP-Landrätin Anita Biedert: Sie habe "etwas Neutrales, Unnahbares", bleibe immer "sachlich, sehr pragmatisch, kompetent und durchdacht".
Dies illustriert eine Episode, als Landratspräsident Hannes Schweizer (SP) nach einem ihrer Voten zu ihr kam und ihr sagte, sie habe damit "Ruhe in die Debatte gebracht". Dabei war dies gar nicht ihre Absicht: "Ich war auf 180." Das dürfte damit zusammenhängen, dass Saskia Schenker emotional anders tickt: "Unter Druck werde ich ruhig und abwartend, nicht hypernd."
Wenn aber ein Journalist dem Freisinn "Unsinn" vorwirft, hält sie sich gegenüber dem Urheber nicht zurück: "Ich kann schon Gas geben, aber dazu braucht es viel." Sie sei "nicht harmoniesüchtig" und mag nicht "unterschwellig zwischen den Zeilen" lesen. Vielmehr müsse sie "direkt bereinigen", wenn Differenzen entstehen.
Ihren sukzessiven Aufstieg in der Baselbieter FDP hat sie mit Basisarbeit und Zupacken abverdient. Als sie 2011 von ihrem Studien- und Arbeitsort Bern ins Baselbiet zurückkehrte, war sie in der Sissacher Sektion, wo die Affäre um Präsident Marco Born brodelte, rasch willkommen: "Da kam eine, die mitreissen will." Seit fünf Jahren präsidiert sie die Sektion, die sie mit einem "total eingespielten Team" neu aufbaute in der Kadenz: "Aufräumen – machen – tun!"
"Ich bin überzeugt, dass es
die Grünliberalen nicht braucht."
An unserem Gesprächs-Treffpunkt ist ihr Laptop längst aufgeklappt, als sie die Frage nach ihren kontemplativen Seiten kontert: "Kontemplativ – was ist das?"
So entstand "aus dem Kreis der Parteileitung" in Kooperation mit der Wirtschaftskammer-Werbetochter IWF AG kurz vor den Baselbieter Wahlen auch der von der Partei finanzierte Brief, der in einer fünfstelligen Auflage an mittelständische Empfänger vor der "rotgrünen Welle" warnte. Absicht sei es gewesen, wegen Rahmenabkommen mit der EU verunsicherte FDP-Wähler doch noch an die Urne zu bringen.
Das versucht sie auch als Mitglied einer Begleitgruppe um Parteipräsidentin Petra Gössi, die – aufgeschreckt durch jugendlichen Klima-Tsunami – auf die grüne Welle aufspringen und die Meinung der Basis ergründen will. Diese Umfrage mit dem Ansatz, "das Machbare zu machen", sagt Saskia Schenker, finde sie "gut". Die Freisinnigen hätten durchaus "grüne Leute, aber sie streichen sich nicht hervor".
Der frühere FDP-Ständerat René Rhinow befasste sich schon Ende der achtziger Jahre mit Ökoliberalismus, ohne dass er deswegen zum Aktivisten wurde. Auch Saskia Schenker sind grüne Anliegen nicht fremd – "aber ich will liberale Lösungen". Sie besitzt kein Auto, ist seit einem Vierteljahrhundert Vegetarierin und lacht befreit, wenn sie auf ihrem Handy eine Foto abruft, das die mit Hunderten Setzlingen bedeckten Bürotische ihres Ehemannes zeigt, der im übrigen auch noch Bienen hält.
Zu ihren Berner Zeiten war Saskia Schenker nach einer Veranstaltung zum Atomkraftwerk Mühleberg den Grünliberalen beigetreten, weil die damalige Berner FDP "im Bereich der grünen und nachhaltigen Politik zu wenig umsetzte". Zurück im Baselbiet trat sie vor sieben Jahren dem Freisinn bei, den sie als eine "breit aufgestellte liberale Partei" erlebte. Heute ist sie "überzeugt, dass es die Grünliberalen nicht braucht, weil die FDP ihre Themenfelder besetzt".
"Sie ist knallhart, will Steuersenkungen
für Unternehmen und Reiche."
Obwohl kaum ein externer Beobachter die Freisinnigen als Umweltpartei wahrnimmt – die Klima-Jugend verulkte das Kürzel FDP mit "Fuck De Planet" –, betont Saskia Schenker etwa die von Freisinnigen angestossene Totalrevision des kantonalen Energiegesetzes, die an der Urne gescheiterte Energieabgabe oder das Gebäudesanierungsprogramm.
Als Herausforderung ihrer Partei erachtet die Tochter eines eidgenössisch diplomierten Sanitärinstallateurs und Schwester eines Schreiners den Fokus auf "Grundlagenarbeit": "Wir sind komplexer und haben längerfristige Perspektiven. Das macht kurzfristige Hypes schwieriger." Zum kürzlichen Versuch einer Ausrufung des Klimanotstands im Baselbiet hat sie sich der Stimme enthalten.
Da hakt SP-Präsident Adil Koller ein, der Saskia Schenker als "sehr umgängliche Person" erlebt. "Das macht sie aber nicht moderater: Sie ist knallhart in der Sache. Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche haben für sie absolute Priorität."
Die designierte Parteichefin bestätigt die Notwendigkeit einer Steuerreform, die die Progression verflacht: "In den Finanzen bin ich hartnäckig. Es ist die DNA unserer Partei, nicht mehr Geld auszugeben als man einnimmt." Die Schuldenbremse und die im Finanzhaushaltsgesetz verankerten "Warnlampen" seien der richtige Weg, nicht wieder in einen defizitären Staatshaushalt zurückzufallen.
Als "gesellschaftspolitisch Liberale" befürwortet sie die gleichgeschlechtliche Ehe und die Einbettung der Frauen in die Arbeitswelt. So fordert sie in einer noch hängigen Motion eine Erhöhung des Maximalabzugs für die Drittbetreuung von Kindern auf mindestens 10'000 Franken.
Mit besonderer Intensität will Schenker darum kämpfen, dass ihrer Sektionskollegin und Nationalrätin Daniela Schneeberger die Wahl in den Ständerat glückt. "Sie hat Chancen, dass sie den Sitz in bürgerliche Hände holt.
"Saskia Schenker will
auch auf die Nationalrats-Liste."
Diese "Chancen" sind auch der Grund, weshalb es dieses Jahr besonders attraktiv ist, einen Platz auf der freisinnigen Nationalrats-Liste zu ergattern: Schafft die Thürner Treuhänderin die Wahl ins "Stöckli", rückt der oder die Zweitplatzierte auf der Liste flugs auf Schneebergers Nationalratssessel nach. OnlineReports weiss, dass auch Saskia Schenker zu den höchst gehandelten Kandidierenden zählt, was sie nicht kommentieren mag. Sie verweist, auf ihre Ambitionen angesprochen, mit Mona Lisa-Miene elegant auf die verschwiegene Arbeit der Findungskommission.
Schon heute aber freut sie sich auf die "unglaublich spannende Zeit" in der neuen Landratsfraktion. "Meine Rolle ist es, der Partei Energie einzuhauchen." Kritiker treten nicht offen in Erscheinung. Selbst SP-Landratspräsident Schweizer fällt auf, dass seine rechte Ratskollegin "nie auf die Person schiesst, aber immer dazu beiträgt, dass die Debatte auf den Punkt kommt".
Auf die Frage, ob sie innerparteilich auch Gegner habe, sagt Saskia Schenker sibyllinisch: "Haifische hat es in jeder Partei." Von ihrem ehemaligen Chef und heutigen Fraktionskollegen Christoph Buser hat sie sich "emotional gelöst". Zu allen Wirtschaftsverbänden halte sie gleichwertige Kontakte. Mehr sagt sie nicht. Persönliches ist ihr nicht einfach zu entlocken.
Geht es jedoch um politische Diskurse, bezieht sie "Position". Opportunismus mag die Vollblutpolitikerin, die sich als "integrierende Person" bezeichnet, die "keinem Flügel zugeordnet werden kann", nicht. "Eine eigene Meinung ist mir aber wichtig. Ich erwarte von Politikern auch, dass sie Meinungen machen." Die FPD, fordert sie, müsse künftig "viel stärker aufzeigen, dass sie eine Mittelstandspartei ist".
Dies wird aber vor allem Aufgabe der belastbaren Liberalen sein, wenn sie nach dem 10. April mit dem Plazet ihrer Basis das Partei-Ruder übernehmen wird. An ihrer glanzvollen Wahl zweifelt niemand. Man wird von Saskia Schenker noch hören.
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5. April 2019
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