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"Spagat zwischen Familien- und Berufsleben": Knabe in der Küche
Die Krux, Beruf und Familie unter einen Hut zu kriegen
Familienfreundlichkeit als Standort-Plus: Kampagne der Basler Fachstelle für Gleichstellung
Von Anna Wegelin
Berufliche Höchstleistung erzielen und gleichzeitig die besten Eltern der Welt sein: Das will geübt sein. Ein Online-Adventsfenster und ein kostenloser Familienplaner, angeboten durch die Basler Fachstelle für Gleichstellung, bescheren Müttern und Vätern praktische Anleitungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Basel, 10. Dezember 2010, UNO-Tag der Menschenrechte. Krippenspiel im Schulhaus, Jahresessen im Geschäft, Kerzen ziehen am Basler Weihnachtsmarkt: Wenn das Christkind naht, wird der ohnehin volle Familienplaner – der familienfreundliche Terminkalender für das ganze Jahr – zu voll. Wenn dann noch das Kind erkrankt, nützt auch der genialste Familienplaner nichts. Ohne geht es ohnehin nicht, wenn beide Eltern erwerbstätig sind, was für die Mehrheit der Familien in der Schweiz zutrifft.
Online-Adventskalender und Facebook-Wünsche
Der Zeitpunkt für die kleine, aber feine Kampagne "Beruf und Familie unter einen Hut bringen!" der Fachstelle Gleichstellung von Frauen und Männern Basel-Stadt, die Anfang Dezember mit einer öffentlichen Veranstaltung auf dem Marktplatz startete, ist deshalb goldrichtig. Der "Basler Familienplaner 2011" und der Online-Adventskalender* sollen Männer und Frauen dabei unterstützen, den "Spagat zwischen Familien- und Berufsleben zu bewältigen".
Der Familienplaner enthält ein herauslösbares Beiblatt mit nützlichen Adressen und liegt auf in Beratungsstellen, Quartiertreffpunkten, der GGG-Hauptbibliothek im Schmiedehof sowie in Kindertagesstätten und kann bei der Fachstelle gratis bezogen werden. Der Adventskalender beschert Eltern tägliche Tipps, Links und einen Cartoon von Renate Alf, Cartoonistin für die Zeitschrift "Wir Eltern". Die bisherigen Themen reichen von "Eltern werden leicht gemacht" über "Wie man die Vaterschaft geniesst" bis "Wenn erwachsene Angehörige Ihre Pflege brauchen".
Und über Facebook können ausserdem persönliche Wünsche zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit anderen geteilt werden. Kein Zweifel, der Wunschkatalog wäre lang: Der Mann mehr zuhause, die Arbeitszeiten flexibel, der Mittagtisch im Schulhaus, Weiterbildung trotz Teilzeitpensum, und und und.
Zu wenig Teilzeitstellen für Eltern
Weshalb ist es für Eltern mit Kindern tatsächlich oft ein Spagat, den Beruf und die Familie intensiv und im besten Fall erfüllt zu leben? Leila Straumann, Leiterin der staatlichen Basler Fachstelle für Gleichstellung, listet einen langen Katalog mit Problemfeldern auf – angefangen bei zu wenig Teilzeitstellen für Mütter und Väter über zu frühe Schliesszeiten in Krippen bis zu jenen Faktoren, die nicht planbar seien und zum Leben gehörten, wenn zum Beispiel eigene Mutter plötzlich tägliche Hilfe braucht oder wenn das Kind eine Behinderung hat.
Die Fachstellen-Leiterin weiss aus eigener Erfahrung, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine ständige Herausforderung darstellt. Auch wenn ihre Familienplanung von aussen betrachtet ziemlich gut aussieht: Sie und ihr Mann aus Kuba, ein Gold- und Silberschmied, der auf dem zweiten Bildungsweg eine Ausbildung im Pflegebereich absolviert hat, hüten ihren gemeinsamen, bald vierjährigen Sohn je einen Tag in der Woche. An drei Tagen ist das Kind in der Krippe – Grosseltern oder andere nahe Verwandte stehen für die Kinderbetreuung nicht zur Verfügung. "Und unser Bub ist selten krank", erzählt Leila Straumann. Das sei "ein Glück".
Fachstelle zeigt, wies geht
Was an diesem "Familienmodell" auffällt: Beide Eltern haben eine verbindliche Kindbetreuungszeit unter der Woche und beide, Frau und Mann, arbeiten teilzeitlich. Für die Fachstellenleiterin ist dies ein zentraler Punkt: "Teilzeitarbeit für beide Eltern hilft, dass Beruf und Familie besser vereinbar sind." Die Fachstelle für Gleichstellung macht es vor: Alle Mitarbeitenden, fünf Frauen und ein Mann, arbeiten in Teilzeitpensen.
Die paritätische Arbeitsteilung sei aus zwei Gründen "sinnvoll", erklärt Straumann: Väter erleben ihren Nachwuchs intensiver und bauen eine Bindung auf, und Mütter und auch Väter können ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit verbessern, was bei der hohen Scheidungsrate zentral sei. Im Jahr 2009 wurden im Kanton Basel-Stadt gemäss Bundesamt für Statistik 52 von 100 Ehen geschieden. Und, so Straumann: Die Wirtschaft profitiere von Eltern, die zu gleichen Teilen im Beruf und daheim engagiert sind.
Teilzeitstellen auch für Kader-Jobs
Ihre These stützt sie ab auf eine Kosten-Nutzen-Analyse von familienfreundlichen Massnahmen in Unternehmen, welche die Fachstelle 2006 anstiess. Die Studie, eine "knallharte Return-on-Investment-Analyse", so Leila Straumann, zeige, dass sich eine familienfreundliche Unternehmenspolitik lohnt und die damit verbundenen Einsparungen die Kosten der Massnahmen "bei weitem übersteigen".
Die Fachfrau für Gleichstellung fordert deshalb: "Firmen müssen Rahmenbedingungen für Teilzeitstellen schaffen, auch in Führungspositionen." Insbesondere Männern müsste vermehrt reduzierte Pensen angeboten werden – ohne gleich als "Halbmänner", "Weicheier" oder illoyal gegenüber ihrem Arbeitgebers taxiert zu werden.
"Die Reduktion der Arbeitszeit ist eine der effektivsten Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie", wird Erwerbstätigen, die ihre Situation am Arbeitsplatz verändern möchten, auch auf der Internetseite des Projekts "Familienfreundliche Wirtschaftsregion Basel"* empfohlen, das die Fachstelle für Gleichstellung im Präsidialdepartement im Zusammenhang mit der erwähnten Untersuchung initiiert hat und leitet.
Familienfreundlichkeit als Standortfaktor
Schweizweit wohl einzigartig ist der daraus resultierende "Round Table Familienfreundliche Wirtschaftsregion Basel", der Ende 2006 ins Leben gerufen wurde und von der Fachstelle koordiniert wird. Ziel der Public-Pivate-Partnerschaft, in der 25 staatliche Institutionen und privatwirtschaftliche Unternehmen inklusive Arbeitgeberverband und Gewerbeverband zusammengschlossen sind, ist es, Basel als familienfreundliche Wirtschaftsregion zu positionieren.
Neben den Empfehlungen an Arbeitgeber, Teilzeitarbeit, flexible Arbeitszeiten, "Topsharing", familienfreundliche Weiterbildung oder Familienzulagen, die über dem gesetzlichen Minimum liegen, einzuführen, ist es Leila Straumann ein weiteres, besonderes Anliegen, dass Frauen in allen Berufen gleich viel verdienen wie die Männer.
Frauen verdienen weniger
In der Schweiz, so Straumann zu OnlineReports, betrage der geschlechterspezifische Lohnunterschied durchschnittlich 20 Prozent. Solange Frauen weniger verdienten, zögen sie sich viel eher aus dem Erwerbsleben zurück. Dies jedenfalls dann, wenn der Mann so viel verdient, dass sich eine Familie mit Kind oder Kindern die traditionelle Arbeitsaufteilung – sie vor allem daheim in unbezahlter Arbeit, er ausser Haus engagiert und fürs Familieneinkommen zuständig – überhaupt leisten kann.
Wie gut Rollenteilung gelingt ist schliesslich, jenseits aller äusseren Sachzwänge wie Lohn, Arbeitsmarktsituation, Gesundheit oder Bildung, auch von der ganz persönlichen Einstellung abhängig. Kann die Frau damit leben, dass sie wegen ihres beruflichen Pensums und Einsatzes schlicht keine Zeit und Musse hat, um mit dem Nachwuchs Zimtsterne, Mailänderli und Brunsli zu backen? Hält es der Mann aus, wenn seine Frau das Geld nach Hause bringt und die Kinder sich über das Mittagessen beschweren, das er für sie gekocht hat?
Die Erfahrung vieler Familien in meinem Umfeld zeigt: Es gibt verschiedene Wege, die zur bestmöglichen Vereinbarkeit von Beruf und Familie führen. Vorausgesetzt, es gibt genügend Stellen, die den überaus spannenden Tanz auf zwei Hochzeiten zulassen.
* www.familienfreundliche-wirtschaftsregion-basel.ch
www.adventskalender-bs.ch
13. Dezember 2010