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"Sag nie nie": Potenzieller Graf-Herausforderer Inäbnit

Das Wahl-Debakel bringt bürgerliche Parteien in die Zwickmühle

Sie greifen Favoritin Maya Grafs grünen Ständeratssitz an, FDP-Landrat Sven Inäbnit wills wagen


Von Peter Knechtli


Das historische Debakel der bürgerlichen Parteien bei den Regierungsrats-Wahlen vom Februar prägt auch wichtige strategische Überlegungen zum Vorgehen bei den eidgenössischen Wahlen vom Herbst: Die Sollberger-Nichtwahl entfaltet ihre Wirkung erst jetzt so richtig. Die Stimmung innerhalb der Freisinnigen ist getrübt, die Unterstützungslust der SVP fraglich.


Die historische "Bürgerliche Allianz" der drei Parteien SVP, FDF und "Mitte" war während sieben Jahrzehnten die Garantie für bürgerlichen Wahlerfolg. Doch am 12. Februar stürzte das Bündnis in den Abgrund: Entgegen allen ursprünglichen Erwartungen misslang es ihm, die Mehrheit in der fünfköpfigen Regierung zu sichern.

Der Liestaler SVP-Kandidatin Sandra Sollberger, seit acht Jahren Nationalrätin, gelang es im Rahmen ihres völlig vergeigten Wahlkampfs nicht, den Sitz ihres zurücktretenden Parteikollegen Thomas Weber zu verteidigen. Die Partei, die als stärkste aus den Landratswahlen hervorging, flog aus der Regierung.


SVP wies FDP in die Schranken
 

Die Konsternation vor allem unter der SVP- und FDP-Führungsriege war mit Händen zu greifen. Dass die Rechnung nicht aufging, hatte sie nicht im Traum erwartet. Dabei war als Vorbedingung die Hackordnung klar: Die SVP wies die FDP mit ihrem Plan in die Schranken, mit Landrat Sven Inäbnit eine zweite Kandidatur zu stellen, um die bürgerliche Mehrheit solide abzusichern. Dafür, so die informelle Abmachung, hätten die Freisinnigen in den Ständeratswahlen Nominationsvorrang.

 

Ein Geschenk ist dieser Vorrang allerdings nicht, denn gegen die vor vier Jahren in die Kleine Kammer gewählte Grüne Maya Graf (61) wird im Baselbiet kein Kraut gewachsen sein. Wer gegen sie antritt, muss sich mit grösster Wahrscheinlichkeit auf den Ehrenplatz gefasst machen.


Die Treueschwüre stehen noch aus
 

Der eher introvertierte, aber dossierfeste Roche-Kadermann Sven Inäbnit (59) könnte indes die Gelegenheit nutzen, die wenig chancenreiche Herausforderung Grafs zur signifikanten Erhöhung seines Bekanntheitsgrades zu nutzen. Damit könnte er sich für eine mögliche Regierungsrats-Ersatzwahl in die Position zu bringen und den Sprung in die Regierung sodann ohne Veto der SVP schaffen.

 

Aber noch sind viele Fragen offen. Denn bei Erfolg wirken Wahlbündnisse beflügelnd, bei Niederlagen wecken sie bohrenden Argwohn unter den Partnern.

 

Bis heute liegen noch keine parteiübergreifenden Treueschwüre vor, die Person der Graf-Herausforderung zu unterstützen. Beschlossene Sache ist aber, dass das bürgerliche Parteien-Trio gewillt sind, den Graf-Sitz anzugreifen. Nur hält sich im Freisinn die Lust, sich in der Herausforderer-Rolle "verheizen" zu lassen, in engen Grenzen.

 

Stückelbergers Verzicht auf eine Kandidatur

 

Der liberale Arlesheimer Landrat Balz Stückelberger, dessen Name seit Jahren als Anwärter auf ein Mandat im Bundeshaus genannt wird, dürfte unter diesen Risiko-Umständen nicht der richtige Ständerats-Wahlkämpfer sein, zumal ihm zusätzliche Publizität auf kantonaler Ebene nichts nützte: Als Ehemann der Ersten Staatsanwältin fällt für ihn, der – wie Inäbnit vor der letzten Amtszeit als Landrat steht – ein Regierungsmandat ausser Betracht.

 

Auch mit Blick auf eine Nationalrats-Kandidatur fehlt dem potenten Stimmensammler, der vor vier Jahren den dritten Rang erreichte, eine realistische Gewinn-Perspektive: Laut OnlineReports-Recherchen wird er weder für den Nationalrat noch für den Ständerat kandidieren.


Absprachen unter Freundinnen
 

Denn seine Parteikollegin Daniela Schneeberger (55) tritt unangefochten zu ihrer vierten Legislatur als Nationalrätin an. Der Thürner Treuhänderin dürfte die Sitz-Bestätigung sicher sein. Falls sie sich zu einem vorzeitigen Rücktritt entschlösse, könnte die aktuell Zweitplatzierte Saskia Schenker in die Grosse Kammer nachrücken, wenn sie auch in den Herbst-Wahlen wieder Rang zwei erreicht. Die beiden Frauen sind Sektionskolleginnen und privat so eng befreundet, dass von vertraulichen Absprachen ausgegangen werden darf.

 

Allerdings hat die karrierebewusste Politologin Saskia Schenker, die für OnlineReports nicht erreichbar war, etwas von ihren Nimbus als Shooting Star eingebüsst.

 

Als Kantonalpräsident Paul Hofer im Dezember 2018, vier Monate vor den kantonalen Wahlen, den Bettel hinwarf, hatte Schenker die FDP-Führung zwar Knall auf Fall übernommen und die Freisinnigen wieder geeint und auf Kurs gebracht, was ihr hoch angerechnet wird. In ihrer Fraktion zählt die Direktorin des Arbeitgeberverbandes Basel fraglos zu den führenden Köpfen.

Mitverantwortung am Debakel

 

Irritation unter Parteifreunden hatte sie jedoch im Vorfeld der Regierungsrats-Wahlen ausgelöst. Sie habe – so ist aus FDP-Kreisen zu hören – zu den "treibenden Kräften" gehört, die für den Rückzug von Inäbnit als zweiten FDP-Regierungskandidaten gesorgt hätten. Auch habe sie innerhalb der FDP "massgeblich" für die nahezu euphorische Unterstützung der SVP-Hardlinerin Sandra Sollberger die Trommel gerührt – wohl in der Absicht, sich auf diese Weise bei künftigen Ambitionen die SVP-Gunst zu sichern.

 

Erst als Sollbergers Wahlkampf unter dem stetigen Auftrumpfen des unerwartet angetretenen EVP-Kandidaten Thomi Jourdan vollends aus dem Ruder lief und sich im bürgerlichen Lager wachsende Verunsicherung zeigte, schien Schenker, die vor zwölf Jahren noch für Martin Bäumles Berner Grünliberale kandidieren wollte, den Risikofaktor der Sollberger-Kandidatur erkannt zu haben. Prompt schlug Jourdan Sollberger.

 

Zeitpunkt noch nicht gekommen

 

Nach der bürgerlichen Abfuhr haben einige Parteifreunde Schenkers Fehleinschätzung in der Wahlkampf-Inszenierung nicht vergessen. Sie wurde zwar mit ausgezeichnetem Ergebnis als Landrätin bestätigt, ihr Stern ist innerhalb der Partei aber etwas verblasst.

 

Dennoch gilt sie als eine Art Edelstein, der nur geduldig darauf wartet, zum richtigen Zeitpunkt erleuchtet zu werden. Dieser Zeitpunkt ist mit den Ständeratswahlen diesen Herbst noch nicht gekommen. Saskia Schenker ist der berechnende Typ, der antritt, um zu siegen. Die Priorität im FDP-Kalkül dürfte somit auf einer Wiederholung des Schneeberger-Schenker-Gespanns in den Nationalratswahlen gründen.

Es bleibt nur ein Name

Laut aktuellem Stand wünscht die FDP aber – anders als vor vier Jahren mit Daniela Schneeberger und vor acht Jahren mit Christoph Buser – kein Modell einer Doppelkandidatur, sondern "bevorzugt" (so Präsident Ferdinand Pulver zu OnlineReports) eine Einerkandidatur.

 

Wenn nun Balz Stückelberger von einer Bewerbung auf Bundesebene generell absieht und Saskia Schenker die aussichtsreiche Nationalrats-Schiene dem riskanten Ständerats-Kampf vorzieht, bleibt in der Analyse nur ein Name als Favorit auf der freisinnigen Ständerats-Rechnung: jener von Sven Inäbnit, der nicht auf der Nationalrats-Liste figurieren wird, wie er OnlineReports bestätigte.

 

Thomas Weber Schwing-Hypothek
 

Bei der Baselbieter SVP liegen in den Bundeswahlen keine allzu grossen Bewegungen in der Luft. Der in der Bevölkerung wohlgelittene abtretende Regierungsrat Thomas Weber hätte ein gewisses Potenzial, Maya Graf gefährlich zu werden.

 

Doch das Restdefizit des von Weber präsidierten Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests letzten August in Pratteln, das durch den Kanton bezahlt werden soll, machte ihm einen Strich durch die Rechnung: Mitten in die Nominationen der Parteien fällt das Referendum gegen die staatliche Defizit-Beteiligung.

 

Rein rechnerisch wäre eine Teilnahme Webers an den Nationalratswahlen verlockend: Er könnte viele Fremdstimmen akquirieren, die im besten aller Fälle zu einem dritten Sitz führten, an dem die SVP vor vier Jahren vorbeigeschrammt war. Doch gegenüber OlineReports winkte der 61-jähriger Buusner ab: Eine Nationalrats-Kandidatur sehe er "nicht vor".

Sicherheit bei SVP und "Mitte"

Damit dürften Sandra Sollberger und Thomas de Courten ihre Parlaments-Mandate sicher bestätigen können. Auch die "Mitte" braucht sich um ihren Besitzstand kaum zu sorgen: Elisabeth Schneider-Schneiter, die Präsidentin der Handelskammer beider Basel, hat intakte Aussichten, als Exponentin der Mitte-Parteien die Wiederwahl zu schaffen.

 

Mit grossen Bewegungen im bürgerlichen Lager ist somit kaum zu rechnen. "Die Musik wird erst in vier Jahren spielen. Dann werden die Karten neu gemischt", sagen viele, die dannzumal vom Rücktritt der scheinbar unbezwingbaren Grünen Graf ausgehen.

 

Die 61-Jährige kündigte gegenüber OnlineReports an, die kommende Amtsperiode ganz zu absolvieren und 2027 "voraussichtlich" nicht erneut anzutreten. Aber, fügte sie dann sibyllinisch an, "man soll nie nie sagen".


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11. März 2023

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