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"Gut untermauert mit den bösen Beispielen": SRF-Gesicht "Tagesschau", Logo
Kim Jong-un und Hans-Ulrich Biglers "Staatsfernsehen"
Gastkommentar: Die Debatte zur Abstimmung um das Radio- und Fernsehgesetz aus der Distanz betrachtet
Von Peter Achten
Die Schweiz eine Bananen-Republik? Nein! Bei der Beobachtung des Abstimmungskampfes über die SRG-Gebühren, Verzeihung "Zwangsgebühren" allerdings ergibt sich das unschöne Bild einer Bananen-Demokratie. Im Fokus stehen FDP-Politiker. Ein Zwischenruf aus Peking.
Seit Jahren schreibe ich jedem Kollegen und jeder Kollegin, welche im Zusammenhang mit SRF und SRG den Ausdruck "Staatsfernsehen" oder "Staatsrundfunk" verwendet, ein kurzes E-mail ins Stammbuch: "Liebe Kollegin, lieber Kollege, Staatsfernsehen gibt es zum Beispiel in Nordkorea, China, Vietnam, Laos, Usbekistan, Turkmenistan, Cuba, Zimbabwe oder Kasachstan. Die SRG dagegen ist eine öffentlich rechtliche Anstalt in einem demokratisch verfassten Land. Mit kollegialen Grüssen, PA."
Natürlich weiss ich, dass SRF-"Staatsfernsehen" ein innenpolitischer Kampfbegriff ist. So wie einst mein verehrter Geschichtsprofessor Walther Hofer (SVP) schon vor vierzig Jahren wider besseres Wissen stets behauptet hat, alle SRG-Journalisten seien "links". Meine damaligen Kollegen Werner Vetterli und Maximilian Reimann, beide SVP, lassen grüssen. Was allerdings der Begriff "Staatsfernsehen" in solchen Medien zu tun hat, die immer betonen, "Qualitätsjournalismus" zu betreiben, übersteigt meine Vorstellungskraft.
"Glanz&Gloria" für Kim junior
Was Staatsfernsehen und Service public leisten kann, mag beispielhaft Nordkorea zeigen. Der junge Kim Jong-un – Fünf-Stern-General, Sonne des Ostens und Gebieter über 22 Millionen Nordkoreanerinnen und Nordkoreaner – ist, Buddha sei Dank, in jungen Jahren in Bern zur Schule gegangen. Noch heute spricht er – tatsächlich – Berndeutsch mit nordkoreanischem Akzent. Jedenfalls muss er damals das Schweizer Staatsfernsehen genau studiert haben.
Der Service public des nordkoreanischen Radios und Fernsehens ist beispielhaft. Das Programm fängt mit dem jungen Kim an und hört mit dem jungen Kim auf. Viel Kim Jong-un, also Politik, und ein wenig Staats-Unterhaltung. Kein Trash-Fernsehen, keine Reality Shows. Und natürlich kein Privat-Rundfunk, der solche Abfallformate senden könnte. Kurz, Staatsfernsehen vom Besten. "Glanz&Gloria" sozusagen für Kim Jong-uns Service public.
Und man höre und staune, keine Zwangsgebühren. Alles gratis und franko. Auch die Einschaltquoten sind traumhaft, davon können Roger de Weck und Ruedi Matter nur träumen: Nicht selten nämlich weit über 100 Prozent. So ist das in Nordkorea. Und so ist das bei einem echten Staatsfernsehen. Oder wäre vielleicht der Ausdruck Zwangsfernsehen adäquater?
Digitales Stammtisch-Gezwitscher
Und jetzt also die Abstimmung über das Radio- und Fernsehgesetz. Das Abstimmungsmaterial erreicht mich in Peking regelmässig erst nach der Abstimmung. Das hat nichts mit der Schweizer Staatspost und schon gar nicht mit den Post-Zwangsgebühren, will sagen Postgebühren zu tun, sondern mit der etwas behäbigen chinesischen Staatspost. Weil also noch nicht elektronisch abgestimmt werden kann und ergo meine Stimme nicht zählt, erhebe ich für einmal kolumnistisch meine Stimme und mische mich in die inneren Angelegenheiten der Schweiz ein.
Mein Eindruck aus der Ferne bei der täglichen Durchsicht des Schweizer Bannwalds der Demokratie (für jüngere Leser: die Zeitungen), der Schweizer Internetportale und der einschlägigen Beiträge auf Twitter, Facebook oder WhatsApp sowie dem Lauschen des rauschenden digitalen Stammtisch-Gezwitschers und Geschwätzes: Das Programm von SRF auf sämtlichen Radio- und Fernsehkanälen ist chrottenschlecht. Und dafür – Hergott nochmal! – bezahlen wir auch noch Gebühren, exgisi, Zwangsgebühren! Niemand, muss ich den Kommentaren des Volkes entnehmen, gar niemand hört oder guckt mehr in der Schweiz freiwillig SRF.
Umfragen zeigen ganz andere Ergebnisse
Die Einwände sind natürlich gut untermauert mit den bösen Beispielen, vom Samschtigs-Jass über "The Voice of Switzerland" bis hin zu "Bi de Lütt" oder den unausgewogenen, extrem linken Informationssendungen. Auch Sport schauen sich, so das Geschwätz an den Social-Media-Stammtischen, die meisten auf ARD, ZDF oder ORF an, weil die Schweizer Live-Reporter a) nichts von Sport verstehen und b) sprachlich weder der Akkusativ kennen noch dem Genetiv mächtig sind. Schlechte Zensuren also meist von Leuten, die sprachlich selbstverständlich auf der Höhe sind und praktisch niemals SRF-Radio oder Fernsehen verwenden.
Nur seltsam, dass unabhängige Umfragen zu einem ganz andern Resultat kommen. Nach einer in der NZZ zitierten Studie der Uni Zürich (IPMZ) sind sage und schreibe 68 Prozent der Befragten "eher oder sehr zufrieden" mit dem SRF-Fernsehen, und gar 78 Prozent mit SRF-Radio. Auch "glaubwürdig" ist für 80 Prozent das Fernsehen und 81 Prozent das Radio. Mit der "Ausgewogenheit" sind dann schon weniger Konsumenten zufrieden, aber immer noch 58 Prozent mit dem Fernsehen und 64% mit dem Radio. Die Unterhaltung schneidet am schlechtesten ab. "Eher oder sehr zufrieden" sind da nur noch 46 Prozent mit dem Fernsehen, dafür 67 Prozent mit dem Radio.
Freche Behauptungen
Der vom Schweizerischen Gewerbeverband angeführte Abstimmungskampf ist eine üble Schlammschlacht. Unwahrheiten, Halbwahrheiten und gar freche Lügen (die Zwangsgebühren werden bald auf 1'000 Franken steigen) werden verbreitet. Die obersten SRG- und SRF-Kader werden als hinterhältige Abzocker madig gemacht. Die SRG sei ein mit "Zwangsgebühren" gefütterter Moloch.
Dass FDP-Politiker und Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler (57) so etwas ohne grössere Proteste zunächst seiner eigenen Partei, danach aber auch seines Verbandes und letztlich einer breiten demokratischen Öffentlichkeit tun kann, spricht nicht für die Schweizer Demokratie. Biglers unflätiges Verhalten ist nicht eine Stilfrage, sondern eine Frage des korrekten demokratischen Verhaltens. Neben dem Problem Markwalder müsste FDP-Parteipräsident Müller nun auch ein Problem Bigler haben. Hat er aber nicht. Denn Wischiwaschi-Müller schweigt, obwohl er ja sonst nicht bekannt ist für seine Zurüchaltung, hat er doch neulich einen nicht unbekannten Bankdirektor am Züricher Paradeplatz hochnäsig abgekanzelt mit den Worten: "Ein Arschloch bleibt ein Arschloch."
Rote Karte
Wenn wir keine Bananen-Demokratie sind, dann verdient FDP-Pinocchio Bigler, aber auch Müller und warum nicht Markwalder eine rote Karte. Der Souverän, so ist zu hoffen, wird im Herbst den Nationalrat in spe Bigler des Platzes verweisen.
Ich hätte natürlich Ja gestimmt. Aber auch ein Nein kann ich verstehen. Dafür gibt es Argumente, mit denen es lohnt, sich auseinanderzusetzen. Auch hätte ich mir eine zeitigere Diskussion um den Service public der SRG gewünscht. Aber das Niveau Bigler, Gewerbeverband, FDP, Volkes Stimme in den Social Media – das ist übelste Bananen-Demokratie.
Selbstdeklarierte Interessenlage des Autors: Peter Achten hat jahrzehntelang für Radio und Fernsehen gearbeitet und dabei eine ruhige Kugel geschoben. Es ist dank Zwangsgebühren steinreich geworden.
8. Juni 2015
"Das Schweizbild aus Leutschenbach"
Ein – entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise – richtig blöder, zum Teil auch diffamierender, überheblicher Artikel. Ich wusste gar nicht, dass ein Journalist aus der Ferne solch – entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise nochmals – blöde Artikel schreiben kann. Wie will ein Journalist aus der Ferne urteilen können? Auch sein Artikel ist für mich nichts anders als – um seine eigenen Worte zu gebrauchen – ein Gezwitscher und Geschwätz.
Es ist ja verständlich, dass er als (ehemaliger?) SFR-Journalist für das SFR schreibt. Sich über den Begriff „Staatsfernsehen“ lustig machen, aber selber dafür sein, dass man für ein Monopol in der Schweiz, also auch rein nur mal vom Prinzip her(!), Zwangsgebühren für alle verlangt, also auch für jene (wohl tatsächlich äusserst) Wenigen, ja Vernachlässigbaren, die beispielsweise auf Radio und Fernsehen verzichten, und dieses dadurch zementiert? Könnte man dasselbe mit der Bahn oder der Post tun? Toll.
Ich wäre eher dafür, dass man das SFR abbaut, schwächt und dafür die regionalen Fernseh- und Radiozentren aufbaut, stärkt und so quasi zum neuen Schweizer Fernsehen und Radio umformt – damit alle Regionen, so auch die Kultur- und Wirtschaftsregion Basel und seine Optik, und nicht nur die vier Sprachregionen (respektive allein Zürich in der Deutschschweiz) berücksichtigt werden.
Denn ich hab es satt, immer nur das Schweizbild eines SFR aus Leutschenbach entgegennehmen zu müssen, das da besteht aus Kühen, Bauern, Kuhglocken, also aus Schweizer Folklore und Schweizer Klischees, dann noch, zumindest früher(?), aus Deutschenfeindlichkeit und, heute noch, aus Europa-Hass, SVP- und Banken-Berichterstattung oder aus Paradeplatz, Wetterprognosen mit Blick über Zürich, Schawinsky oder, wenn man die Geschichte der Schweiz darstellt, Alfred Escher. (Wo sind beispielsweise Erasmus von Rotterdam, der Humanismus in der Schweiz oder Peter Ochs(!), Theodor Herzl oder Bundesrat Tschudi, dem wir die AHV zu verdanken haben? Auch ein weltoffener Geist, wie er hier in der trinationalen Region gepflegt wird, ist im SFR nicht zu finden. Er könnte aber das Befinden der Schweizer in Bezug auf Europa, ja in Bezug auf Ausländer generell, positiv verändern.)
Auch, dass man für ein "Millionenspiel", wie ich gestern beim Zappen entdeckt habe, hunderttausende Franken an Gebührengeldern(!) einsetzt, regt mich doch sehr auf – abgesehen davon, dass dieses Fernsehen bereits mit –zig Werbegeldern finanziert wird.
Ja, ich habe Nein gestimmt für die neue Fernsehgebühr. Weil ich auch die Hoffnung, dass sich das SFR nach dieser Abstimmung ändern wird, ganz gewiss nicht habe. Im Gegenteil: Ich gehe davon aus, dass das SFR umso mehr alles beim Alten belässt – weil man ja das Geld dann auf sicher hat.
Oder überlegt man sich in Leutschenbach, beispielsweise einen der drei Deutschschweizer Fernsehkanäle an Basel abzugeben, damit auch der Föderalismus in der Deutschschweiz gelebt und einem Zentralismus entgegengewirkt wird?
Pirmin A. Breig, Basel
"Wo bleiben die vernünftigen Stimmen?"
Einst waren die FDPler in allen Landesteilen stolz auf die einmalige Klammer unserer Landessender im Dienste der Romandie, des Tessins und der Rätoromanen. Wir Deutschschweizer waren bereit, unsere Konzessionsgebühren mit einem Zuschlag zugunsten der Minderheiten zu bezahlen. Nunmehr zerstören die Kleinkrämer Bigler, Müller, Wasserfallen und Buser mit Hilfe eines brutalen SVP-Werbers den guten Ruf unserer einmaligen Institution. Wo bleiben die vernünftigen Stimmen der einstigen SRG-Repräsentanten wie Hans Fünfschilling aus Binningen?
Werner Strüby, Aesch
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