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"Die ökologische Revolution wird folgen": Grossrätliche Klima-Kommission

Ohne sanften Staats-Zwang wird Klimaschutz nicht möglich sein

Was vom Schlussbericht zur Klimapolitik der grossrätlichen Basler Spezialkommission zu halten ist


Von Peter Knechtli


Es zählt nicht zu den Spezialitäten unserer politischen Kultur, dem Volk stets reinen Wein einzuschenken. Der Refrain der Gesundheitsbehörden "Es braucht jetzt noch den entscheidenden Ruck" aus der Pandemie-Debatte erscheint uns wie eine Endlos-Aufmunterung aus dem Hamsterrad, während die Infektionszahlen neue Höchstwerte erreichen.

 

In eine ähnliche Kategorie gehört die politische Kommunikation im Bereich des Klimawandels. Obschon erste zerstörerische Folgen der Erderwärmung längst erkennbar sind, üben sich die behördlichen Akteure oft noch in verbaler Zurückhaltung nach dem Motto: Die Naturereignisse werden dann schon eine deutlichere Sprache sprechen.

 

Der Anspruch wäre indes nicht vermessen, wenn die Umweltbehörden ihrer Bevölkerung in Deutlichkeit vor Augen führten, wohin die Reise gehen muss, wenn die Spezies Mensch noch eine Weile überleben will. Es braucht eine radikale Bewusstseins-Änderung, was unseren Lebensstil betrifft im Umgang mit unnötigem Konsum, Wasserverbrauch, Mobilität, Energie, Rohstoff-Kreisläufen und vielem mehr.

Eine steigende Zahl Bürgerinnen und Bürger mit erhöhter Sensibilität richtet sich schon im Stillen eigenverantwortlich auf die anbrechenden Zeiten neuer Entbehrungen, aber auch neuer Möglichkeiten ein.

"Mit dem Fortgang der bisherigen
Lebensgewohnheiten ist nicht zu rechnen."

An aktuellen Indizien, wie vielfältig der Kampf gegen den Klimawandel unser künftiges Leben bestimmen wird, fehlt es nicht. In Basel publizierte die Regierung dieses Jahr ein Stadtklima-Konzept, das mehr Grünraum nicht zum allgemein erhöhten Wohlbefinden anstrebt, sondern zum Schutz der Bevölkerung vor gesundheitlicher Gefährdung durch sommerliche Gluthitze, wie sie künftig zu erwarten ist.

 

Jetzt legte eine Spezialkommission des Grossen Rates ihren Schlussbericht vor, der stärker als Schriftstücke anderer Kantonsparlamente die Konturen und Konsequenzen einer künftigen Klimapolitik aufzeigt. Grob gesagt: Mit dem Fortgang der bisherigen Lebensgewohnheiten ist nicht mehr zu rechnen. Der digitalen Revolution wird die ökologische folgen.

 

Dabei hat man sich nicht eine unmittelbare Abkehr von allem Gewohnten vorzustellen, sondern – wenn auch unter zeitlichem Handlungsdruck – eine zügige organische Anpassung, die ihre Wurzeln aber bis weit in die Gesetzgebung hinein treiben wird.

Der 136-seitige Report hat zwar über einige Strecken Hearing-Protokoll-Charakter und sein beachtlicher Umfang ist weder Folge eines überladenen Forderungspakets noch exklusive Eigenleistung. Vielmehr gleicht er über weite Strecken dem umfangreichen regierungsrätlichen Klimaschutz-Bericht aus dem Jahr 2019 mit Expertenmeinungen und dem Kommissions-Standpunkt ab.

Dennoch offeriert er zahlreiche Hinweise darauf, wohin die Reise gehen wird. Das Ende fossiler Heizenergie schon ab 2035 ist nur das griffigste Beispiel. Nur: Neu ist dieser Ansatz nicht. Mehrheitsfähig und als "weicher Faktor" einzustufen ist auch die energetische Gebäudesanierung, deren Aussicht auf Auftragsbeschaffung im Gewerbe für Stimmung sorgen dürfte.

Die gesellschaftspolitisch heiklen Passagen betreffen Bereiche, in denen die alltägliche Wahlfreiheit und die wachsende Regelungshoheit des Staates zur Disposition stehen. Ein Beispiel sind – verordnete? – verdichtete modulare Wohnformen, mit denen Raum und Energie besser genutzt werden können. Hochgradiger Lenkungsbedarf besteht in umstrittenen verkehrs- und energiepolitischen Handlungsfeldern (Mobility Pricing, Wahl der Verkehrsmittel, Ressourcen-Minimierung).

"An Freiheit und staatlichem Zwang
scheiden sich die Geister."

Noch sind die Auswirkungen der zahlreichen und im Schlussbericht aufgelisteten Massnahmen und Vorschläge nicht absehbar. Aber absehbar ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Rolle und Einfluss des Staates im Bereich der Klima-Transformation verstärken werden. An Freiheit und staatlichem Zwang scheiden sich die Geister.

Hier liegt Zündstoff begraben. Das lässt sich allein schon daran ablesen, dass das Blut der SVP, deren beide Kommissions-Vertreter dem Bericht die Zustimmung verweigert hatten, schon bei Vorschlägen in Wallung gerät, wenn staatliche oder staatsnahe Stellen ein "Smiley-System" für reduzierten Strom- und Wasserverbrauch auf der Energieabrechnung einführen. "Nudging" heisst diese positive Verhaltens-Animation in Neudeutsch.

 

Klimakampf-Wunder können von einem parlamentarischen Milizgremium nicht erwartet werden. Ihm sind fachliche Grenzen gesetzt. Und viele Lösungsansätze sind schon bekannt. Der "Schlussbericht" ist so ausgefallen, wie wir es von ihm erwartet hatten: nicht revolutionär.


Auch die 13 Vorstösse der Klimagruppe bleiben im unteren Bereich des politischen Schmerz-Levels. Selbst das vorgezogene Verbot fossiler Heizungen tut nicht weh – weder Hauseigentümern noch dem Staat: Einerseits werden viele Ölfeuerungen 2035 ihren Lebenszyklus ohnehin erreicht haben, anderseits wird die Restwert-Abgeltung angesichts ihres Alters so bescheiden sein, dass die Staatskasse todsicher nicht ausbluten wird.

Wichtiger an der aufwändigen Kommissionsarbeit scheint mir der gruppendynamische Prozess zu sein, der sich in einer verbindlichen Verständigung auf Kompromisse äussert. Damit bildet er sozusagen die Volksmeinung ab und ebnet gleichzeitig das Feld für eine tragfähige parlamentarische Debatte. Wenn eine grüne Kommissions-Präsidentin und ein freisinniger Vize öffentlich gemeinsame ökologische Werte präsentieren, ist das allein schon bemerkenswert.

Wie die SVP darauf kommt, von einem "linken Irrsinn auf Kosten von Mietern, Steuerzahlern und der Wirtschaft" zu sprechen, ist mir schleierhaft und umso unverständlicher als sie zur Klimapolitik bisher kaum mehr als Polemik beigetragen hat.

Zu verstehen gilt es auch, dass der grösste gemeinsame Nenner unter den Kommissions-Mitgliedern kein erratischer Wert ist: Klimapolitik bleibt, vielleicht mehr als jede andere politische Disziplin, ein dynamischer Prozess, der sich angesichts der Dringlichkeit aber tendenziell verschärfen wird. Aber ein Zurück zu alten Zeiten wird es nicht geben.

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16. November 2021

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"Staat soll Alternativen ermöglichen"

Danke für diesen Artikel, der einiges zum Verständnis beiträgt. Was meiner Meinung nach halt stets für (zu) grosse Diskussionen führt, ist die "von-oben-nach-unten"-Politik. Einfach (zu?) viele "Leistungen" oder "Verzichte", die per Gesetz dem Bürger auferlegt werden, zu wenig dessen, was der Staat tut.

Nicht, dass Basel-Stadt wenig täte. Der Ausbau der Fernwärme ist ein gutes Beispiel. Aber wenn dann Gas- und Ölheizungen verboten werden, müsste das sogleich mit der Garantie verbunden sein, dass dann alle diese Häuser an das (preiswerte!) Fernwärmenetz angeschlossen sind; oder zumindest (wenn das unmöglich ist) dass die Kosten für Alternativen (Wärmepumpe etc.) subventioniert werden. Nur so macht ein Verbot Sinn.
 

Oder das mit den Schikanen für Autofahrer. In Quartieren ohne nahen Anschluss an den öV bleibt das eben nur eine Schikane. Selbst dann ist es für Alte und Behinderte oft eine Qual, trotz all den anerkennenswerten Leistungen in dieser Hinsicht. Kommt dazu, dass der Detailhandel nur sehr bedingt vom öV profitieren kann; wer mit einem simplen Einkaufswägeli im Tram oder gar Bus fahren muss, weiss das.

 

Fazit: Nur Gesetze mit Regulierungen bringen rein gar nichts, wenn die Alternativen nicht genügen. Diese Alternativen zu ermöglichen – das wäre die Aufgabe des Staates; da muss er zuerst ansetzen.

 

Und dann – es sollte einfach nicht nach dem üblichen, staatlichen "von-hinten-durch-die-Brust-ins-Auge"-Prinzip verkompliziert und bürokratisiert werden. Für mich ein Beispiel war die gescheiterte Vorlage für das Co2-Gesetz, wo die Politiker eine Kompensation der Einnahmen schlicht am Volk vorbei phantasierten. Ich meine, das Gesetz wäre durchgekommen, hätte man die Kompensation in die AHV (und/oder Krankenkassenprämien) gesteckt. Eine zusätzliche Co2-Steuer und dann gleichzeitig (!) auch noch die Ankündigung höherer Lohnabzüge und Mehrwertsteuer zugunsten der AHV – das musste ja schief gehen!


Peter Waldner, Basel




"Ökologische Revolution wird treuer Begleiter"

Es ist ja schon sehr bemerkenswert, wie in den letzten knapp zwei Jahren die politischen Gremien weltweit, insbesondere der industrialisierten Ländern, aktiv wurden und tausende von Milliarden locker machten, um das Leben eines relativ kleinen Teils der gefährdeten Einwohnerinnen und Einwohner zu schützen.

Hoffentlich legen sie keine Verschnaufpause ein, sollte die Pandemie vorüber sein. Die ökologische Revolution wird nicht nur ein paar Jahre dauern, auch ein paar Jahrzehnte werden nicht reichen. Sie könnte ein treuer Begleiter der Menschheit werden, die grösstenteils auf der Flucht vor der Hitze sein wird.

Vielleicht lohnt es sich schon bald nach einem Eisberg in Grönland Ausschau zu halten. Vorzugsweise nach einem mit festem Untergrund!


Viktor Krummenacher, Bottmingen



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"Bitte schenken Sie uns 2 Minuten Ihrer Zeit und bewerten Ihren Kontakt."

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Bewertungs-Mail an einen Anrufer nach einem Kontakt mit dem Kundendienst am 14. September 2023
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Aber nur, wenn Sie die zehn Minuten in der Warteschlaufe zurückschenken.

RückSpiegel


persoenlich.com vermeldet mit Verweis auf OnlineReports den Wechsel der Basler Journalistin Andrea Fopp von Bajour zur NZZ.

Happy Radio greift den Bericht von OnlineReports über die Deponie Höli Liestal AG auf.

Die Volksstimme bezieht sich in einem Porträt über den freiwilligen Verkehrsregler in Rickenbach, Robert Bussinger, auf einen früheren Artikel von OnlineReports.

Die bz greift den Bericht von OnlineReports über den Eklat am Baselbieter Kantonsgericht mit dem sofortigem Rücktritt eines Vizepräsidenten auf.

Die bz zitiert in ihrem Nachruf auf Hans Rudolf Gysin aus dem OnlineReports-Porträt "Die Hans Rudolf Gysin-Story: Auf der Spur eines Phänomens".

Zahlreiche Medien haben die Nachricht über den Tod von Hans Rudolf Gysin aufgenommen: Basler Zeitung, bz und weitere Titel von CH Media, Prime News, Volksstimme, Bajour, Baseljetzt, SRF-Regionaljournal Basel, Happy Radio, nau.ch.

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).

Am 1. Juni 2024 übernimmt Veronika Röthlisberger die Leitung der Gebäudeversicherung Basel-Stadt von Peter Blumer, der danach pensioniert wird.

Hanspeter Wäspi (57, Rheinfelden) ist neuer Geschäftsleiter von Procap Nordwestschweiz.

Die Leitung der Abteilung Finanzen und Controlling im Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt obliegt ab 1. Dezember Thomas Schneider, der die Nachfolge des Bald-Pensionierten Daniel Hardmeier antritt.

Stefan Binkert wird neuer Rektor des Wirtschaftsgymnasiums und der Wirtschaftsmittelschule Basel; er folgt in dieser Funktion auf Patrick Langloh, der ab 1. Januar 2024 die Leitung des Bereichs Mittelschulen und Berufsbildung im Erziehungsdepartement übernimmt.

Das Co-Präsidium des Jungen Grünen Bündnis Nordwest besteht neu aus Clara Bürge (19, Basel) und Linus Dörflinger (19, Wintersingen).

Jan Blöchliger (Jg. 1977) folgt im August als neuer Vorsteher des Betreibungs- und Konkursamtes Basel-Stadt auf Gerhard Kuhn, der in Pension gehen wird.