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"Deutlicher und klarer in Richtung links": Designierte "Basta"-Präsidentin Tonja Zürcher
"Mir missfällt an der rot-grünen Politik, dass es keine rot-grüne Politik ist"
Interview mit Tonja Zürcher, der designierten Co-Präsidentin der Basler Oppositions-Partei "Basta"
Von Peter Knechtli
Zwischen den Basler Bündnis-Partnern "Basta" und den Grünen bestehen Unstimmigkeiten. Die designierte "Basta"-Kopräsidentin, die 30-jährige Sozialwissenschafterin Tonja Zürcher, sagt im OnlineReports-Interview, weshalb ihr die rot-grüne Politik missfällt und was sie von den rot-grünen Regierungsräten hält.
OnlineReports: "Basta" ist Teil des Grünen Bündnisses, zu dem auch die Grünen Basel-Stadt gehören. Wer gibt in dieser Allianz den Ton an?
Tonja Zürcher: Das Grüne Bündnis ist primär ein Wahl- und Grossrats-Bündnis in Form einer gemeinsamen Fraktion. Davon abgesehen sind wir zwei selbstständige Parteien, die ihre Politik unabhängig voneinander bestimmen. Die Grünen sind innerhalb der Fraktion stärker, aber es ist nicht so, dass "Basta" unter ihren Druck käme.
OnlineReports: Was werden Sie zusammen mit Copräsidentin Heidi Mück anders machen als Ihr Vorgänger Urs Müller?
Zürcher: Wir werden uns vielleicht etwas anders äussern – im Sinne der Stärkung unseres Profils.
OnlineReports: Heisst das, dass das "Basta"-Profil bisher eher schwammig wahrgenommen wurde?
Zürcher: Von unserer Basis erhielten wir bezüglich der gemeinsamen Wahlliste mit den Grünen relativ viele Rückmeldungen, unsere linken Ansichten kämen dabei zu kurz. Es komme zu Kompromissen, die für beide Parteien nicht ganz zufriedenstellend sind. Wir wollen unsere eigene Position vor den Wahlen wieder deutlicher machen.
"Wir wollen uns stärker
als Oppositions-Partei profilieren."
OnlineReports: In welche Richtung?
Zürcher: Wir wollen deutlicher und klarer in Richtung links gehen und uns stärker als Oppositions-Partei profilieren. Wir wollen ausserdem die Verjüngung der Partei vorantreiben und junge Leute direkt ansprechen. An den Positionen müssen wir nichts Wesentliches ändern. Da stimmt die Linie.
OnlineReports: Wie beurteilen Sie die Leistung der rot-grünen Regierung in den letzten sechs Jahren?
Zürcher: Die Regierung bot nicht das, was die Basler Bevölkerung aus meiner Sicht bräuchte. Es gab in verschiedenen Bereichen Verschlechterungen, so im wohnungspolitischen Bereich mit der Abschaffung des Abbruchschutzes. Viele Leute werden betroffen sein, weil man ihre Wohnungen jetzt leichter abreissen kann, und günstiger Wohnraum verloren geht. Die Regierung fokussiert sich zu stark darauf, für Firmen und gute Steuerzahlende attraktiv zu sein ...
OnlineReports: ... wovon die Bevölkerung auch wieder profitiert.
Zürcher: Das stimmt, was die Steuereinnahmen betrifft. Von einem Profit sehe ich aber nichts, wenn die Bevölkerung ihre Wohnungen verliert.
OnlineReports: Was gefällt Ihnen denn an der rot-grünen Politik nicht?
Zürcher: Dass es keine rot-grüne Politik ist. Es ist keine Politik für die Schwachen in dieser Gesellschaft und keine Politik, die klar für die Umwelt eintritt. Es ist eine Mitte-Rechts-Position, die nicht das herausholt, was man von einer rot-grünen Regierung erwartet.
"Rot-Grün war für die ärmeren
und armen Bewohner keine Erfolgs-Story."
OnlineReports: Was macht die Regierung denn konkret schlecht?
Zürcher: Ich bin sehr enttäuscht vom Bereich der Stadtentwicklung, wie sie das Baudepartement mit seinen grossen Prestige-Projekten wie dem OeV-Projekt "Herzstück", "Rheinhattan" oder die Stadtrandentwicklung Ost betreibt und vor allem die mittleren und oberen Einkommensschichten anzieht. Eine Bankrott-Erklärung war auch die gescheiterte Absicht des Finanzdepartements, die Unternehmenssteuer zu senken ...
OnlineReports: ... aber eine Stadt muss sich auch entwickeln und verändern.
Zürcher: Wir wehren uns ganz sicher nicht, dass sich eine Stadt verändert. Aber es geht darum, dass sich eine Stadt so entwickelt, dass die Veränderung der Bevölkerung, die hier lebt, zugute kommt. Der Staat muss sich vordringlich um die Schwächeren kümmern. Wer genügend Geld hat und vernetzt ist, kann sich eher selbst helfen.
OnlineReports: Rot-Grün scheint für Sie bisher keine Erfolgs-Story zu sein.
Zürcher: Nein – sicher nicht für die ärmeren und armutsbetroffenen Bewohner. Insgesamt spielte sich die Basler Regierung sehr bürgerlich auf. Ihre Politik entspricht nicht dem, was die Bevölkerung bräuchte.
OnlineReports: Welches Regierungsrats-Mitglied macht aus Ihrer Optik den besten Job?
Zürcher: Das kann ich nicht beantworten. Hervorragend finde ich niemanden.
"Der linke SP-Flügel hat in letzter Zeit
an Einfluss verloren."
OnlineReports: Wie nehmen Sie die Grünen und die SP wahr?
Zürcher: Die Grünen sind sehr stark auf die ökologischen Anliegen fokussiert, während der linke Ansatz etwas vernachlässigt wird. Die SP ist eine grosse Partei mit unterschiedlichen Flügeln, wobei nach meiner Wahrnehmung der linke Flügel in letzter Zeit an Einfluss verloren hat.
OnlineReports: Wenn die SP in die Mitte rückt, könnte "Basta" ja profitieren.
Zürcher: Wir haben keine Übertritte von SP-Mitgliedern. Auch profitieren wir als Stadt überhaupt nicht, wenn die SP in die Mitte rutscht. Denn ohne gute Partner-Parteien können auch wir nichts bewirken. Uns wäre viel lieber, wenn die SP eine klar linke Politik betriebe und wir nicht mehr notwendig wären. Am Schluss geht es darum, für linke Anliegen Mehrheiten zu finden.
OnlineReports: Im Grunde beackert "Basta" doch dieselben Themen, die sich die SP auch auf die Fahnen geschrieben hat.
Zürcher: Es sind häufig ähnliche Themen, nur sind die Lösungen, die die SP vor allem im Wohnbereich bringt, ein bisschen Pflästerlipolitik. Wir verlangen im Wohnbereich eine aktivere Rolle des Staates, während die SP zufrieden ist, wenn für die Genossenschaften etwas mehr Geld herausspringt.
OnlineReports: Wen unterstützt "Basta" in der Ersatzwahl von Carlo Conti am 18. Mai?
Zürcher: Wir haben noch keinen Entscheid gefällt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir eine der drei Bewerbungen, die zur Diskussion stehen, unterstützen werden. Alle von ihnen sind weit weg von unseren Positionen.
OnlineReports: An der Medienkonferenz sprachen Sie von einem "rot-grün-bürgerlichen Politikbrei". Nicht gerade schmeichelhaft für Ihre Allianzpartner Grüne und SP.
Zürcher: Das war auch nicht schmeichelhaft gedacht.
OnlineReports: Haben Sie den Eindruck, die Grünen lassen "Basta" zunehmend im Stich – wie kürzlich bei der Abstimmung über den Bau des Claraturms, den "Basta" ablehnte, die Grünen aber unterstützten?
Zürcher: Es gab in letzter Zeit relativ viele Abstimmungen, in denen klar wurde, dass die Positionen von Grünen und "Basta" in Bereichen, die uns wichtig sind, voneinander abweichen. Beispiele sind die Spitalauslagerung, die Unternehmenssteuer-Senkung, das Wohnraumfördergesetz oder der Claraturm.
"Die Stimmung ist nicht mehr so gut,
wie sie auch schon war."
OnlineReports: Gibt es Spannungen zwischen "Basta" und den Grünen?
Zürcher: Auf der persönlichen Ebene gibt es keine Spannungen, aber es gibt Unstimmigkeiten, wenn die Meinungen bei wichtigen Abstimmungen divergieren. Die Stimmung ist vielleicht nicht mehr so gut, wie sie auch schon war.
OnlineReports: In welche Richtung sollte sich Basel verändern, damit "Basta" glücklich wäre?
Zürcher: Der Politikbetrieb müsste sich stärker an den Bedürfnissen der Leute orientieren. Velowege müssten wirklich entstehen, es sollte nicht nur darüber geredet werden. Die Planung müsste auf die Bedürfnisse der Leute eingehen, statt mit hochtrabenden Projekten Standortwettbewerb zu betreiben.
OnlineReports: Wären heute Wahlen: Würden Sie Hans-Peter Wessels wählen?
Zürcher: (überlegt) Ob ich ihn wählen würde? ... Wahrscheinlich eher nicht.
OnlineReports: Wie gut gefällt Ihnen die Arbeit des grünen Regierungspräsidenten Guy Morin?
Zürcher: Er leistete sich in der letzten Zeit ein paar unglückliche Entscheide, so den gemeinsamen Messeauftritt Basels mit dem Agrokonzern Syngenta. Als Chef des Präsidialdepartements ist er auch mitverantwortlich für die verfehlte Stadtentwicklungspolitik mit dem Fokus auf gute Steuerzahlende und Prestigeobjekte. Positiv ist hingegen die beschlossene Duldung des "Wagenplatzes" auf dem ehemaligen Migrol-Areal am Hafen.
OnlineReports: Falls er nochmals zur Wiederwahl anträte – würden Sie seine Kandidatur unterstützen?
Zürcher: Eine Unterstützung wäre nicht im vornherein sicher. Das müssten wir diskutieren.
OnlineReports: Wenn Morin nicht mehr antritt – wen sähen Sie als Repräsentanten oder als Repräsentantin des Grünen Bündnisses in der Regierung?
Zürcher: Es ist noch nicht der Zeitpunkt, irgendwelche Namen ins Spiel zu bringen. Wir sind nicht aktiv im Gespräch mit bestimmten Exponenten.
OnlineReports: Hat "Basta" keinen Anspruch, den nächsten Regierungsrat des Grünen Bündnisses stellen zu können?
Zürcher: Ein vereinbarter Anspruch existiert sicher nicht. Wir müssen jetzt mit unseren Mitgliedern erst diskutieren, wie wir unsere Zukunft sehen – sowohl im Grünen Bündnis als auch im Regierungsrat.
17. März 2014
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