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"Generell stellt sich die Frage": Event-Schwerpunkt Barfüsserplatz
Basler City: Wo soll denn die Musik spielen?
Deutliche Töne in der Vernehmlassung zum regierungsrätlichen "Entwicklungsrichtplan Innenstadt"
Von Christof Wamister
Die Basler Regierung will im "Entwicklungsplan Innenstadt" die verschiedenartigen Ansprüche auf den öffentlichen Raum planerisch regeln und die Interessen ausgleichen. Doch in den Vernehmlassungs-Antworten hagelt es Kritik von allen Seiten.
"Entwicklungsrichtplan Innenstadt". Hinter dem sperrigen Wort verbirgt sich eine Debatte, welche die Stadtbasler Öffentlichkeit seit Jahren beschäftigt. Vereinfacht gesagt: Wo soll in der Innenstadt die Musik spielen? Natürlich geht es nicht nur um die akustische Musik, sondern um alle Funktionen und Ansprüche, die an den städtischen Raum gestellt werden. Mit einem breit angelegten Mitwirkungsverfahren wollte die Regierung die widersprüchlichen Stimmen zu Wort kommen lassen und eine Gesamtschau erstellten.
Das Resultat war ein 145-seitiger Bericht, der im Januar dieses Jahres in die Vernehmlassung gegeben wurde. Die Regierung sagt darin, welche Räume, Plätze und Strassen für welche Nutzungen geeignet sind, wo umgestaltet werden muss, wo die Nutzung eher vermindert und wo sie intensiviert werden könnte. Dabei müssen bereits bestehende Gestaltungskonzepte, Teilrichtpläne, die Verkehrsplanung und das Behindertengesetz berücksichtigt werden. Der Entwicklungsrichtplan ist insofern keine Ansammlung von Wunschvorstellungen. Er enthält in Objektblättern zu den einzelnen Orten verbindliche Planungsgrundsätze, Planungsanweisungen und "örtliche Festlegungen".
Grundkonflikt um "Eventitis" bleibt
Was in diesem Richtplan beschlossen wird, soll auch nach 2020 noch Gültigkeit haben. In den jetzt publizierten Vernehmlassungs-Antworten wird der Entwicklungsrichtplan deshalb ernst genommen, und es sind teilweise deutliche Töne zu hören. Der Verein "Kulturstadt jetzt" stimmt den Grundprinzipien zwar zu, weist den Richtplan in seiner jetzigen Form aber zurück. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Regierung mit ihrem Entwurf den Fuss etwas vom Eventitis-Pedal genommen hat.
"Kulturstadt Jetzt" schreibt dagegen klipp und klar: "Wer im Stadtzentrum wohnt, hat ein gewisses Mass an Schall-Emissionen in Kauf zu nehmen." Der Verein schlägt auch vor, den Begriff "Lärm" nicht mehr zu verwenden.
Wo soll denn die Musik in Zukunft spielen? Weiterhin auf dem Barfüsserplatz, aber auch auf dem Münsterplatz: "Kulturstadt Jetzt" fordert eine "konsequente Belebung des Platzes und eine Nutzung durch Grossveranstaltungen". Die Regierung möchte dagegen den Münsterplatz von Monster-Veranstaltungen (mit Ausnahme von Herbstmesse und Fasnacht) eher freihalten und den Barfüsserplatz durch den Theaterplatz und vielleicht auch den Marktplatz oder sogar die Heuwaage entlasten. Das werde nicht funktionieren, meinen dagegen die Kulturstädter.
Schallproblem Theaterplatz
Dieser Meinung sind auch die Bewohner und Stockwerkeigentümer des Lohnhofs, aber aus anderen Gründen. "Es besteht so gut wie kein Lärmschutz zwischen 'Lohnhof' und Theaterplatz", heisst es in einem Schreiben an die Verwaltung. Von lautstarken Veranstaltungen auf dem Theaterplatz seien auch die Bewohner der oberen Freien Strasse und der Elisabethenstrasse betroffen.
Den Innerstadt-Bewohnern ist natürlich bewusst, dass sie nicht auf dem Land leben. Aber das Problem sei, dass sich die Veranstalter früherer Grossanlässe oft nicht an die behördlichen Auflagen gehalten hätten. Die bewilligte Zeit wurde überzogen oder es wurde mitten in der Nacht mit schwerem Gerät abgebaut. Das habe sich allerdings gebessert, sagte ein Bewohner des "Lohnhofs" gegenüber OnlineReports.
SVP spricht von "Buvetten-Irrsinn"
Der Entwicklungsrichtplan enthält auch Angaben dazu, wo weitere Buvetten möglich wären: am St.Alban-Rheinweg, im St. Johanns-Park, beim Waisenhaus und in der Theodorsanlage. Gegen letztere haben Bewohner des Wettsteinquartiers bereits eine Petition lanciert. "Es muss nicht überall etwas belebt werden, und dies nur zu Lasten der Anwohner", heisst es darin. Auch die LDP hält dies für unnötigen Aktivismus.
Die SVP schreibt generell von "Buvetten-Irrsinn" und warnt vor einer unnötigen Konkurrenz für das Gastgewerbe. Auch "Kulturstadt Jetzt" warnt vor einer "Buvettisierung des öffentlichen Raums" und fordert eine liberale Praxis und gleiche Chancen für das etablierte Gastgewerbe. Dass die Regierung die Restaurant-Container nicht mehr als Allzweckmittel betrachtet, ist daran ersichtlich, dass die Buvette Münsterplatz definitiv gestrichen ist. Das Projekt hatte heftige Proteste und Einsprachen provoziert.
Tram durch den Petersgraben?
Das Verkehrsregime für die Innerstadt gibt weiterhin viel zu reden, obwohl bereits feststeht, dass der private Motorfahrzeugverkehr nur noch sehr restriktiv zugelassen wird.
Ein gutes Echo findet in den Vernehmlassungs-Antworten die nicht ganz neue Idee, eine Tramlinie durch den Petersgraben zu führen, um die Talachse zu entlasten. Die SVP schlägt sogar vor, Innerstadt-Tramkurse durch Busse zu ersetzen. Die FDP kritisiert die Idee, die Velo-Parkplätze in wenigen "Velostationen" zu konzentrieren und votiert daneben wie der Gewerbeverband und die SVP für genügend Autoeinstellplätze am Rande der inneren Altstadt.
Noch ohne Gesetz und Verordnung
Der Gewerbeverband und auch die Liberalen äussern den Verdacht, dass sich die Verwaltung trotz des offenen Prozesses für "Qualität im Zentrum" letztlich nicht in die Karten blicken lasse und sich zuviele Kompetenzen reservieren will.
Ein Hauptproblem sei, dass das eng mit dem Entwicklungsrichtplan verbundene Gesetz über die Nutzung des öffentlichen Raums (NöRG) noch nicht verabschiedet ist und vor allem nicht bekannt sei, was in der Verordnung dazu stehe. Die Absicht der Verwaltung, auch bei nicht bewilligungspflichtigen Aktivitäten wenn nötig vermittelnd einzugreifen, sei höchst problematisch. Im Entwurf zum Richtplan ist von einem Ausgleich der verschiedenen Interessen- und Zielgruppen auch bei der nicht bewilligungspflichtigen Nutzung des öffentlichen Raums die Rede. Das weckt ein gewisses Misstrauen. "Generell stellt sich die Frage, ob die Eingriffstiefe dieses Vorhabens gerechtfertigt ist", sinniert die LDP.
9. April 2013
"Musik oft als Lärm empfunden"
"Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden." Oder – wie ich es im Ohr habe: "Musik wird oft als Lärm empfunden, dieweil sie mit Geräusch verbunden." Diesem Wilhelm-Busch-Zitat ist jedenfalls nichts hinzuzufügen.
Gaby Burgermeister, Basel