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© Foto by Jan Amsler, OnlineReports.ch
Bald wieder zu dritt im Regierungsrat?

Basel wählt Mustafa Atici – ein Zeichen für mehr Partizipation

Der Sozialdemokrat ist klarer Favorit im zweiten Wahlgang. Neben Dossier- und Rhetorik-Kenntnissen zählen eben auch andere Kriterien.


Von Alessandra Paone und Jan Amsler


Ist Basel-Stadt bereit für den ersten Regierungsrat mit direktem Migrationshintergrund? Diese Frage hat OnlineReports bereits im November gestellt, als die SP Schweiz Beat Jans aufs Bundesrats-Ticket setzte und Mustafa Atici, der zuvor trotz glanzvollen Resultats als Nationalrat abgewählt worden war, als möglicher Regierungskandidat ins Spiel kam. Die Antwort lautet klar: Ja!

Aticis hervorragendes Resultat (über 43 Prozent) am Sonntag beim ersten Wahlgang der Regierungs-Ersatzwahl ist die Bestätigung dafür. Es zeigt auch, dass er die Zweifel im Zusammenhang mit seinen sprachlichen Defiziten ausräumen konnte. Wer ihn im rot-grünen Lager gewählt hat, dürfte dies aus Überzeugung getan haben, zumal man ja auch die Möglichkeit gehabt hätte, alternativ den Grünen-Kandidaten Jérôme Thiriet zu wählen.

Immerhin weicht Thiriet in sozialen Fragen kaum von der SP ab. Der Grossrat und Unternehmer hat aber vor allem seine eigene Wählerschaft mobilisiert und darüber hinaus wohl ein bisschen im bürgerlichen Teich gefischt.

Thiriets Kandidatur hat die SP gezwungen, einen Zacken zuzulegen.

Thiriet war am Ende also kein Hindernis für Atici. Im Gegenteil: Zwar wäre der Sozialdemokrat ohne die Grünen vermutlich schon im ersten Wahlgang gewählt worden. Seine Kandidatur hat aber die SP gezwungen, einen Zacken zuzulegen und im Wahlkampf alles zu geben.

Im zweiten Wahlgang darf sich die SP der Unterstützung ihrer Bündnispartnerin gewiss sein. Die Grünen hatten ihren Moment des Ruhms und werden sich nun hinter Atici stellen. Weil sie zum einen eine bürgerliche Mehrheit verhindern wollen und zum anderen bei den Gesamterneuerungswahlen im Herbst auf eine funktionierende Zusammenarbeit mit der SP angewiesen sind.

Zum Team Atici dürften neben den Grünen auch die Grünliberalen gehören. Obwohl die Partei offiziell auf eine Wahlempfehlung verzichtete, hat die Basis offensichtlich das Kreuz beim Sozialdemokraten gesetzt. Das dürfte im zweiten Wahlgang nicht anders sein. Die GLP muss im Herbst den Sitz ihrer Regierungsrätin Esther Keller verteidigen. Da kommt ihr eine zufriedene SP gelegen. 

Der bürgerliche Traum einer Regierungsmehrheit ist wieder in die Ferne gerückt.

Auch wenn nach dem ersten Wahlgang alles für Atici spricht, darf sich Rot-Grün nun nicht zurücklehnen. Denn am 7. April wird es keine eidgenössischen Vorlagen geben, die (linke) Wählerinnen und Wähler an die Urne locken. 

Dennoch ist der bürgerliche Traum einer Regierungsmehrheit in Basel-Stadt an diesem Sonntag wieder in die Ferne gerückt. Es bestehen keine Zweifel am Kandidaten Luca Urgese, und er wird auch im zweiten Wahlgang von der Mitte bis zur SVP getragen werden. Allerdings hat er es nicht geschafft, das Wählerpotenzial auszuschöpfen.

Rechnerisch hätte der Freisinnige beim ersten Wahlgang an der Spitze landen müssen. Dass ihm das nicht gelungen ist, führt bei den Bürgerlichen zu Ernüchterung. Denn nun geht eine Dynamik verloren, eine Aussicht darauf, tatsächlich eine Wende einzuleiten.

Zwar wird Urgese weiterhin mit seinem Wegbegleiter Conradin Cramer unterwegs sein, da dieser am Sonntag das absolute Mehr knapp verpasst hat. Der Liberale gilt aber als so gut wie gewählt. Es stellt sich die Frage, wie gross seine Motivation sein wird, Wahlkampf für seinen Mitstreiter zu betreiben. 

Was im zweiten Wahlgang kaum verfangen dürfte, ist die Kritik an Aticis Sprach- und sonstigen Kenntnissen. Auch im Congress Center, dem Wahlfoyer an diesem Sonntag, zeigen Bürgerliche wenig Verständnis für Aticis gutes Resultat. Immer wieder ist von einem "schwachen Kandidaten" die Rede.

Das gute Resultat von Cramer kann auch als Kritik gelesen werden.

Doch die Baslerinnen und Basler haben klargemacht, dass neben Dossierkenntnissen und einwandfreier Rhetorik eben auch andere Kriterien gelten. Mit Atici kann im Erziehungsdepartement in verschiedenen festgefahrenen Dossiers wieder Bewegung hineinkommen, etwa bei der integrativen Schule, der hohen Maturitäts- und der entsprechend tiefen Lehrabschluss-Quote. Das gute Wahlresultat von Conradin Cramer beim Regierungspräsidium kann auch als Kritik an seiner Arbeit im Erziehungsdepartement gelesen werden.

Aber, und das zeigt der erste Wahlgang auch: Die Wahlbevölkerung sieht in Atici auch eine Chance, den vielen Menschen ausländischer Herkunft eine Stimme in der Regierung zu geben – in Basel-Stadt sind dies über 50 Prozent – und damit die Partizipation zu fördern. 

Dass dies funktioniert, sieht man an den zahlreichen Kurdinnen und Kurden, die kurz vor 18 Uhr ins Congress Center gekommen sind, um dabei zu sein, wenn Staatsschreiberin Barbara Schüpbach das Schlussresultat verkündet. 

3. März 2024

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