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"Bisher fiel mir alles vor die Füsse": Der Basler Mitte-Aufsteiger Patrick Huber.
Patrick Huber: Das Talent im Windschatten von Balz Herter
Der Nationalratskandidat der Basler Mitte ist ein Tiefstapler mit Potenzial. Wann tritt er hervor? Ein Porträt.
Von Peter Knechtli
Die Partei-Grössen haben seinen Nutzwert schon lange erkannt. An jenem 21. März 2014, als bei der Präsentation von Lukas Engelberger als Regierungsrats-Kandidat auf seinem Namensschild der Annex "Wahlkampfleiter" stand, war er erst Anfang zwanzig.
Jetzt ist Patrick Huber 32 Jahre alt und hat schon rund ein halbes Dutzend Wahlkämpfe für die Basler Mitte geleitet; die meisten auf kantonaler Ebene, aber auch in seiner Wohn- und Heimatgemeinde Riehen. Dort nimmt ihn ein SP-Exponent schon als "Architekt der Bürgerlichen" wahr, als "strategisch denkenden Fuchs, der Pflöcke einschlagen kann".
Dieses Engagement ist aussergewöhnlich für einen Jungpolitiker. Es könnte zur Annahme verleiten, Patrick Huber tue alles, um möglichst rasch politisch Karriere zu machen. Doch weit gefehlt!
"Wenn ich im Kleinbasel in einer Beiz sitze,
kennt mich kein Schwanz."
Huber trat der Jungen CVP bei, weil dort "alles familiär" war. Bei den Jungfreisinnigen, bei denen es Mitglieder gab, "die schon im Anzug herumliefen", fühlte sich der Riehener mit langen Haaren, Skateboard und Haifischzahn um den Hals nicht wohl.
Später, als juveniler Wahlstratege, glich er äusserlich einem braven Musterschüler. Heute trägt er Bart und eine elegante rötlich-braune Brille – aber noch immer deutet nichts auf eine "Hoppla, jetzt komm' ich"-Erscheinung hin. Er pflegt das Understatement. "In Riehen kennt mich jeder. Aber wenn ich im Kleinbasel in einer Beiz sitze, kennt mich kein Schwanz", schätzt sich Huber ein und fügt sogleich an: "Ich geniesse das."
Diese Zurückhaltung ist ungewöhnlich für einen Politiker, der als führender Hoffnungsträger der Basler Mitte gilt. Aber der erfahrene Basis-Arbeiter Huber verfügt über einen so "guten Instinkt" (wie ein Riehener SP-Exponent meint), dass er sich auf das Credo verlassen kann: "Wir sind eine Partei, die Freiwilligenarbeit honoriert", sagt Huber. Er wirkte schon während des Studiums auf dem CVP-Sekretariat.
Er kultiviert die Windschatten-Position
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit richtet er sich derzeit in der Windschatten-Position ein. Erst im dritten Wahlgang liess er sich vergangenes Jahr für die Gemeinderatswahlen aufstellen – und gewann überraschend deutlich mit einem Vorsprung von fast 600 Stimmen vor seinem EVP-Mitbewerber Daniele Agnolazza.
In der Exekutive seiner Wohngemeinde ist der studierte Volkswirtschafter seither für Finanzen und Steuern zuständig. Eigentlich hatte er darauf spekuliert, dass sein Parteikollege und Grossrat Daniel Albietz zum neuen Gemeindepräsidenten gewählt und ihm als Nachrückendem den Sitz im Kantonsparlament überlassen würde. Doch diese Rechnung ging nicht auf: Die EVP-Frau Christine Kaufmann übertrumpfte Albietz und verdrängte ihn damit aus der kommunalen Exekutive. Dafür rettete Parteifreund Huber den Mitte-Sitz.
Die Windschatten-Rolle kultiviert Huber auch bei den Nationalratswahlen, für die er auf der Mitte-Hauptliste mit dem Kantonalpräsidenten und Spitzenbewerber Balz Herter (39) kandidiert. Mit einer Doppelkandidatur dürfte Herter (in einer Kleinbasler Beiz kennt ihn jeder) seine bescheidenen Wahlchancen optimieren und sich gleichzeitig als potenziellen Nachfolger von Mitte-Regierungsrat Lukas Engelberger empfehlen wollen.
Dass der Partei vermutlich weder ein Nationalrats- und erst recht kein Ständeratssitz winkt, lässt Huber nicht gelten: "Ich glaube nicht, dass wir chancenlos sind." Es gehe jedenfalls darum, "die Grünliberalen und die Freisinnigen zu überholen".
Bemerkenswerte Thronfolge-Tradition
Geschickt hält sich Huber zurück, wenn er dennoch seinen sehr gewagten Wunschtraum äussert: Herter Ständerat und er selbst an zweiter Position in den Nationalratswahlen, nachdem er vor vier Jahren auf der Hauptliste noch die rote Laterne trug. Auch wenn der seit neun Jahren amtierende Lukas Engelberger (48) bisher noch keinerlei Signale des Rücktritts oder der Amtsmüdigkeit gesendet hat, sieht Huber seinen Kantonalpräsidenten Herter im Rennen um ein Regierungsmandat in der Poleposition.
Ihm gegenüber will er keinerlei Rivalitäts-Zweifel aufkommen lassen. Huber spricht Klartext: "Ich werde weder nächstes Jahr noch in fünf Jahren als Regierungsrat antreten. Mein Platz ist jetzt in Riehen und dort bleibe ich." Im Herter-Wahlvideo stellt sich Huber vorbehaltlos hinter seinen Partei-Primus: "Ich wähle Balz Herter, weil er alle Menschen gern hat."
In der Basler Mitte herrscht eine bemerkenswert stringente Tradition der Thronfolge: Nach dem gleichen Muster, wie Parteipräsident Carlo Conti Gesundheitsdirektor wurde, schaffte es der damalige Roche-Jurist und Basler CVP-Präsident Lukas Engelberger in die Regierung. Balz Herter, beruflich Zuständiger für Nachbarschaft-Beziehungen bei Roche, wäre eine Fortsetzung dieses Karriere-Modells.
Aber mit Blick auf andere Talente wie Huber kommt die Frage auf, ob die aktuelle Personalplanung unverrückbar ist. Das Wahlresultat der beiden am 22. Oktober könnte einen Einfluss darauf haben, wen die Partei für künftige Posten vorschlägt. Herters Doppelkandidatur ist daher nicht ohne Risiko.
Darauf lässt sich Huber nicht ein. Aber Huber als Herter-Nachfolger in der Regierung? Dieses Gedankenspiel wiederum quittiert er mit der Bemerkung: "Das wäre jetzt eine realistischere Perspektive."
In seiner neuen Funktion als JCVP-Chef, sagt Huber, habe es zwei bis drei Jahre gebraucht, "bis es etwas lustig wurde". Unter seiner Führung verhinderte eine Volksinitiative in letzter Minute Parkgebühren für Roller im Kantonsgebiet, obschon "die Parkfelder schon angemalt waren".
Vater war VPOD-Kassier
Patrick Huber wuchs zusammen mit seinem älteren Bruder in einfachen und friedlichen Verhältnissen ("s Huebers hän gschafft") und traditioneller Rollenteilung auf, wie er sagt. Mittagessen immer en famille zu Hause.
Seine katholische Mutter ist gelernte Kauffrau, sein protestantischer Vater gelernter Verkäufer. Später war Vater Huber Gemeindearbeiter und als Flurbannwart verantwortlich für die Riehener Parkanlagen. Seit zehn Jahren arbeitet er im kommunalen Arbeits- und Reintegrations-Programm, wo er Sozialhilfeempfänger auf ihrem Weg zurück in den Arbeitsmarkt begleitet. Er ist Mitglied der Gewerkschaft VPOD und war jahrelang Kassier der örtlichen Sektion.
Huber junior, dessen Grossväter Lastwagenfahrer und Schlosser waren, studierte Volkswirtschaft an der Universität Basel und während eines Semesters an der kalifornischen Universität Berkeley. An dieser Elite-Kaderschmiede verpasste er, wie er nicht ohne Stolz betont, "keine einzige Stunde".
"Ich habe keinen Blutsvorfahren, der je ein Gymnasium von innen gesehen hat." So beschreibt Huber seine handwerkliche Herkunft und den Beginn seiner akademischen Laufbahn. Diese führte ihn vor fünf Jahren als wissenschaftlichen Mitarbeiter und Geschäftsführer der Basler Banken-Vereinigung in die Handelskammer beider Basel.
Seit seiner Beförderung zum Leiter des Bereichs Kampagnen und Strategie-Support ist er als deklarierter Interessenvertreter der Wirtschaft angekommen. Für Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, Präsidentin dieses Wirtschaftsverbands, ist Huber ein "politisches Naturtalent, kein Showman und Narzisst". Er verkaufe sich zwar "unter seinem Wert", sei aber mit seinem "sehr guten Gespür für wirtschaftspolitische Einschätzungen" ein "guter Sparring-Partner".
Für die Linke ist Huber ein
"eher schwieriger politischer Konkurrent".
In seinem Wohnort attestiert ihm die Linke eine "sehr starke Präsenz in der Basisarbeit", sie bezeichnet ihn aber auch als einen "eher schwierigen politischen Konkurrenten". So sei er beispielsweise mit einem Vorstoss für härtere Massnahmen gegen Roma-Bettler "in gewissen Fragen ins rechte Fahrwasser geraten". Gleichzeitig sei er als Gemeinderat finanzpolitisch "absolut kompetent" und als Mensch "sehr gmögig".
Ein bekannter Basler SP-Grossrat bezeichnet den "Mann der Wirtschaft" als "fähigen Typen", dem er "mehr zutraut" als Kantonalpräsident Balz Herter. Eine gestandene Basler Mitte-Politikerin schätzt am Wirtschafts-Liberalen vor allem seine "natürliche Autorität" und die Art, wie prompt er kommuniziere.
Huber bestätigt im Gespräch mit OnlineReports: "Eine aufgeräumte Mailbox am Feierabend finde ich etwas Angenehmes." Geht es um seine emotionale Resilienz, greift er gern zur Ampel-Metapher: "Ich bleibe lange im grünen Bereich, Orange ist sehr kurz. Wenn man mich zu lange reizt, wirds rasch rot."
Velo auf dem Bahngeleise
So beispielsweise damals als Sechstklässler in der Orientierungsschule. Nachdem ihm ein Kamerad das Velo "glüftlet" hatte, warf er dessen Velo aufs Bahngeleise. Seine Eltern trugen es mit Fassung, nach der Devise: "Wurden wir als Kinder angegriffen, durften wir uns schon wehren. Aber man beginnt nicht, jemandem zuleide zu leben."
Sich selbst schreibt Huber durchaus eine gewisse soziale und ökologische Ader zu. "Bei neuen Häusern gehören Solaranlagen aufs Dach. Da gibt es für mich keinen Spielraum." Linken Protest gegen einen Kleinbasler Überflug der "Patrouille Suisse" findet er "lächerlich". Aus ökonomischer Logik will er im Klimaschutz bei "grossen Hebeln" wie etwa dem Ausbau der Fernwärme ansetzen.
Das Verursacherprinzip ist dem Katholiken sakrosankt: "Wer Umweltschäden verursacht, muss diese Umweltschäden bezahlen."
Auch habe der Staat "eine grosse Verantwortung, für die Schwächeren zu schauen". Es enerviert ihn aber, wenn dieser Staat aus Bürokratie-Lust "irgendwelche Broschüren druckt, die keiner liest". Überdies habe er im Einwohnerrat, dem er ab 2012 angehörte, immer auch gegen bürgerliche Kritiker die in Riehen etablierte Regel verteidigt, dass ein Prozent der Einkommenssteuer in die Entwicklungs-Zusammenarbeit investiert wird.
"Ich habe noch lange Zeit"
Patrick Huber ist ledig, aber "in festen Händen", wie er präzisiert. Was seine Perspektiven anbelangt, mag er sich noch nicht verbindlich festlegen. Dass sich der leidenschaftliche Wahlkämpfer und Debattierer jedoch von der Politik und der Aussicht auf höhere Weihen verabschiedet, ist derzeit kaum vorstellbar.
Aber für Patrick Huber ist keine Entscheidungs-Eile angesagt: "Mir ist im Leben immer alles vor die Füsse gefallen. Ich habe bis jetzt allen Grund zur Annahme, dass sich gute Arbeit früher oder später auszahlt. Ich habe noch lange Zeit", sagt er. In drei Amtsperioden ist der Senioren-Fussballer des FC Amicitia Riehen erst 44.
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29. September 2023