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"Aus freien Stücken": Sanitäts-Sitz an der Hebelstrasse
Basler Sanitätschefs: Charakterkopf, Sanierer, Ziegenhirt
Die Geschichte der Basler Berufssanität und ihrer Chefs: Auch eine Folge von personeller Unterdotierung, Kommunikations- und Führungsfehlern
Von Fabian Schwarzenbach
So richtig freiwillig ist noch selten ein Chef der Basler Berufssanität abgetreten. Druck von Politik, Mannschaft oder vernichtender Expertisen waren die letzten Jahrzehnte die Auslöser für einen Wechsel auf dem Chefposten. Die Geschichte wiederholt sich.
Wer den Sitz der Basler Sanität an der Hebelstrasse betrachtet, erhält den Eindruck eines kalten funktionalen Zweckbaus, der nur erahnen lässt, was sich in den Büros hinter der Fassade abgespielt haben muss.
In den achtziger und neunziger Jahren war mit Felix D. Pfammatter ein ehemaliger Luftretter der Chef der Basler Berufssanität. Der Walliser kam von der "Air Zermatt" und leitete die Sanität straff organisiert. Zusammen mit seinem Vizechef Jörg Degen, der heute Leiter des Untersuchungsgefängnisses Waaghof ist, kam der Walliser Charakterkopf 1997 in die Schlagzeilen. Die damaligen Vorwürfe gleichen sich denen von heute verblüffend: personelle Unterdotierung, harscher Umgangston oder hohe Absenzenquote kritisierten die Sanitäter.
Via Flüchtlinge zum Sanitätschef der "Expo.02"
Zum Fiasko wurde die Übung "Airport 97", zu der sich nur ein Häufchen Sanitäter einfand. Dies als Protest gegen die Chefs. Die damalige Sanitätsdirektorin Veronica Schaller (SP) beauftragte den Bottminger Unternehmensberater Niggi Starck mit einer Expertise der professionellen Helfer. Starcks Bericht zeigte die Mängel bei der Sanität schonungslos auf. Schaller ordnete eine Reorganisation an, die Strack gleich selber an die Hand nehmen konnte. Pfammatter wollte der Neuausrichtung nicht im Wege stehen und räumte seinen Posten "aus freien Stücken", wie es hiess.
Pfammatter, gleichzeitig noch Präsident und Gründungsmitglied des Samariterverbandes beider Basel, verliess zwar das Schaller-Departement, nicht aber den Staatsdienst: Nach einem Auftrag des Erziehungsdepartementes, die Schulhäuser auf ihre Sicherheit zu untersuchen, wurde er Flüchtlingskoordinator des Kantons, als 1999 eine Welle von Flüchtlingen aus dem Kosovo in die Schweiz trieb. Er blieb aber seinem Kompetenzbereich "Retten" treu, als Sanitätschef der "Expo.02" und als Leiter Fachkurse im Schweizerischen Samariterbund. Er lebt heute wieder im Kanton Wallis. Auch Vizechef Jörg Degen verliess die Sanität.
Knallharter Sanierer und Frauenförderer
Starck liess in den Jahren 1998 und 1999 keinen Stein auf dem anderen und versetzte unter anderem vier von fünf Teamleitern zurück in die Mannschaft. Auch andere Kaderleute fanden sich in der Mannschaft wieder und "einfache" Rettungssanitäter sassen plötzlich auf einem Chefposten. "Jeder hatte die Gelegenheit sich zu bewerben", war die Erklärung von Starck, die bei den Betroffenen sauer aufstiess.
Der ehemalige Kommandant des Infanterieregimentes 22 organisierte die Arbeits- und Betriebsabläufe komplett neu und verzichtete auf einen Stellvertreter des Chefs. Starck holte aber auch mehr Frauen in den bisher fast reinen Männerbetrieb.
Von der Sanität zu den Ziegen
Nach Sanierer Starck kam 1999 mit Kurt Förster ein Chef, der fachlich bei den Leuten war. Nach einer Ausbildung zum Krankenpfleger schloss der gebürtige Düsseldorfer ein Medizinstudium ab und bekleidete vor dem Sanitätschef den Posten als Personalchef des Basler Bürgerspitals. Er war bei der Mannschaft beliebt, musste auch keine harten Entscheide mehr treffen, da sie von Starck bereits vorbereitet worden waren.
In Erinnerung bleibt er bei seinen Leuten auch, weil er bei seiner zweiten Heirat seinen "Mädchennamen" Hildebrandt wieder annahm. Kurt Hildebrandt schloss die von Starck eingeleiteten Revisionsschritte ab. Er haderte aber mit der zögerlichen Politik und der damaligen Philosophie des "New Public Management". Er habe zu wenig Freiraum, liess Hildebrandt den frisch gewählten Sanitätsdirektor Carlo Conti (CVP) wissen und verliess die Berufssanität nach nur zwei Jahren wieder.
Hildebrandt gilt als Aussteiger, weil er sich anschliessend in Südfrankreich der Aufzucht von sechzig Milchziegen widmete. Vorübergehend übernahm Stellvertreter – den es inzwischen wieder gab – Markus Wullschleger die Sanität. Hildebrandt ist übrigens nicht der einzige Aussteiger aus der Sanität. Einer hat einen Wechsel vom Blaulicht zum Rotlicht vollzogen: Er betreibt nun ein Bordell.
Vom Gesundheits- zum Sicherheitsdepartement
Sanitätsdirektor Carlo Conti (CVP) berief 2001 Hans Peter Altermatt auf den Chefposten der Sanität. Der Nunninger absolvierte nach einer technischen Lehre eine Ausbildung zum Rettungssanitäter. Er leitete bis dahin die Sanität Liestal. Nach den langen Auseinandersetzungen innerhalb dieser Rettungseinheit brachte Altermatt erstmals wieder Ruhe in den Betrieb.
Er führte 2005 den Wechsel vom Gesundheits- ins Sicherheitsdepartement zu dessen Vorsteher Jörg Schild (FDP) durch. Gleichzeitig wurde der Organisations-Bereich "Rettung" gegründet, dem mit Christian Schwarz ein ehemaliger Feuerwehrkommandant vorstand. Schwarz räumte Mitte 2007 seinen Posten offiziell auf eigenen Wunsch. Hintergrund sollen aber Differenzen mit dem neuen Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass (FDP) gewesen sein. Sein Nachfolger wurde Dominik Walliser.
Nägelin schützte Altermatt
Der Titterter leitet neben dem Bereich Rettung zurzeit auch die Sanität interimistisch, nachdem Altermatt auf Druck der grossrätlichen Geschäftsprüfungs-Kommission und des neuen Sicherheitsdirektors Baschi Dürr (FDP) den Chefposten abgab. In letzter Zeit wurde massive Kritik an Altermatt laut, unter anderem griff bereits Ende letzten Jahres SVP-Grossrat Eduard Rutschmann den Sanitätschef an. Geschützt wurde Altermatt übrigens von Grossrat Lorenz Nägelin (SVP), der seinen Job als Teamleiter bei der Sanität nun ebenfalls räumen soll.
9. August 2013
"Permanent-Nörgerler sitzen immer noch im Boot"
Lange habe ich mir Gedanken gemacht, ob ich etwas schreiben soll! Wie anno 1998. Was hat sich nach der Zeit von Starck verändert? Von Interesse wäre es, zu erfahren, was Herr Starck nach seiner Zeit an der Sanität und seiner grossen Reorganisation beruflich durchgeführt hat. Kurze Zeit in Riehen, mal im Tessin, mal wieder in Basel, seit Jahren hört man von ihm nichts mehr.
Es liegt nicht nur an der Führung oder Leitung eines Betriebes, um von einem guten Arbeitsklima und zufriedenen Mitarbeitenden zu reden. Bei meiner Zeit an der Sanität haben einige Mitarbeiter klar die Eigenverantwortung für dieses Bestreben nicht übernommen und massiv gegen die Leitung "geschossen". Dem schlossen sich damals einige Mannschaftsleiter an. Das Resultat ist bekannt.
Nun die fast gleiche oder ähnliche Situation. Der Leiter und ein Teamleiter (was ich nicht verstehe) mussten ihren Hut nehmen. Und wenigen Störenden und "Permanent-Nörgerler" der Basis sitzen immer noch im Boot. Es braucht beide Seiten, um diese Situation zu verbessern. Manchmal beginnt es bei der einfachsten Arbeit, das Wischen vor der eigenen Haustüre.
Ich wünsche von Herzen allen Mitarbeitenden der Sanität Basel, dass sie diese Chance gemeinsam anpacken und auch gemeinsam die Vorgaben umsetzen. Dazu braucht es nicht viel.
Jörg Degen, ehem. Leiter-Stv. der Sanität Basel-Stadt (Mai 1987 bis November 1999), Basel