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"Ein rentables Geschäft": Begehrter Wasserverbraucher St. Jakobs-Halle
Nachbarliche Wasser-Schlacht um die neue St. Jakobs-Halle
Wie ein Schildbürgerstreich, aber ernst gemeint: Standort-Gemeinde Münchenstein will künftig das Wasser liefern – und die IWB ausstechen
Von Peter Knechtli
Um die Totalsanierung der Basler St. Jakobs-Halle bahnt sich ein delikates politisches Nebengeschäft an. Die Standort-Gemeinde Münchenstein deponierte im Stadtkanton Begehrlichkeiten: Sie will künftig die Halle mit Wasser beliefern – und damit die langjährige Lieferantin IWB ausstechen. Bloss: Sie müsste eine neue Leitung Brüglinger Ebene bauen, obschon längst ein Wasseranschluss besteht.
Auch wenn sich Tennis-Star Roger Federer nach einem Spiel in der Basler St. Jakobs-Halle duscht, fliesst bloss ganz gewöhnliches Wasser aus der Brause. Dieses Wasser liefern die Industriellen Werke Basel (IWB) seit 1937 über die Kantonsgrenze in die benachbarte Sport- und Konzerthalle. So auch in ein paar Tagen, wenn der Dalai Lama Basel seinen versammelten Anhängern und der Basler Regierung die Aufwartung macht.
Doch wie OnlineReports erfuhr, zogen vor kürzerer Zeit düstere Wolken der Ungewissheit über einem Versorgungsmodell auf, das sich über alle die Jahre hinweg als eine Selbstverständlichkeit bewährt hat.
Anlass sind Pläne, die St. Jakobs-Halle mit einem Aufwand von mehr als 100 Millionen Franken komplett zu sanieren. Die Finanzen dazu stellt Basel-Stadt zur Verfügung, die politischen Entscheide über das Projekt aber werden in der Baselbieter Nachbargemeinde Münchenstein gefällt. Grund: Das mächtige Event-Gebäude liegt zwar auf Land, das dem Kanton Basel-Stadt gehört, aber auf Münchensteiner Boden liegt. Und was auf Münchensteiner Boden liegt, hat Münchensteiner Recht zu folgen.
"Es gilt das Territorialprinzip"
Mit der Auflage des St. Jakob-Quartierplans – gegenwärtig läuft die öffentliche Mitwirkung – durchzuckte die Münchensteiner Gemeindebehörden ein kommerzieller Geistesblitz: Was bisher so war, braucht nicht ewig so zu bleiben. Das Bauvorhaben erschien ihnen als Anlass zur Anmeldung des Anspruchs, die Event-Halle künftig mit Münchensteiner Wasser zu versorgen. Zumal im komplett sanierten Gebäude künftig mehr Aktivitäten stattfinden dürften als bisher.
Die Forderung, die die Gemeinde vor nicht allzu langer Zeit an die Basler Regierung stellt, begründete Gemeindepräsident Giorgio Lüthi mit dem "Territorialprinzip". Im kommunalen Abwasserreglement vom 20. September 2006 steht der Satz: "Das Recht zur Versorgung mit Trinkwasser steht ausschliesslich der Gemeinde zu." Ausserdem beruft sich Münchenstein auf das kantonale Gemeindegesetz, wonach der Einwohnergemeinde auf ihrem Bann die "Gebietshoheit" zusteht, worunter auch die Wasserversorgung fällt.
Laut Gemeindepräsident Lüthi ist die Forderung der Gemeinde legitim – nicht nur aus rechtlichen Überlegungen: Münchenstein habe "Überkapazitäten an Wasser", so dass sich mit einer Belieferung der St. Jakobs-Halle ein "rentables Geschäft" zuhanden der kommunalen Wasserkasse entwickeln liesse.
Neue Leitung durch Brüglinger Ebene?
Doch einfach ist das Vorhaben nicht. Erstens endet das Münchensteiner Wasserleitungsnetz im Bereich "Seegarten" im "Grün 80"-Gelände. Konsequenz: Wollte Münchenstein Hallen-Wasser liefern, müsste es durch die Brüglinger Ebene eine neue Wasserleitung bauen, obschon die IWB-Leitung längst existiert. Zweitens – und dieser Punkt ist entscheidender: Die IWB und Basel-Stadt lassen sich das Wasser nicht widerstandlos abgraben.
Recherchen von OnlineReports erwiesen sich allerdings als ungewohnt schwierig, weil alle beteiligten Partner die öffentliche Darlegung des Wasser-Knatschs fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Die IWB weisen lediglich darauf hin, "dass das Unternehmen seit Bestand der St. Jakobs-Halle und den Bauten in der Brüglinger Ebene umfassende Investitionen in die dortige Energie- und Wasserversorgung sowie in die öffentliche Beleuchtung getätigt hat". Diese Investitionen stellten "gleichzeitig die Versorgung der Randgebiete zu Basel-Stadt im Perimeter Brüglinger-Ebene sicher".
Die Münchensteiner Forderung hat die politischen und operativen Akteure in Basel offensichtlich überrascht. Thomas Fries, Bereichsleiter Hochbau im Basler Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) und zuständig für staatliche Kultur- und Sportbauten, hat mit diesem "Ansinnen" (so Mediensprecher Marc Keller) "gar nicht gerechnet".
Grosse Zurückhaltung auf beiden Seiten
Erziehungsdirektor Christoph Eymann, für das Sportressort zuständig, will "gerne Hand zum Gespräch" bieten. Es dürfe "allerdings nicht sein, dass die Anliegen von Münchenstein den äusserst engen Fahrplan gefährden". Aufgrund der "guten Beziehungen zwischen Münchenstein und Basel", so Eymann weiter, "gehen wir aber nicht davon aus, speziell, da wir die Gemeinde jeweils rechtzeitig über die nächsten Schritte informiert haben und dies auch in Zukunft tun werden".
Dieser Aussage – teilte der sonst auskunftsfreudige BVD-Chef Hans-Peter Wessels OnlineReports per Mail knapp mit – schliesse er sich "gerne" an. Immobilien Basel-Sprecherin Barbara Neidhart will sich derzeit "nicht äussern", da "Gespräche" mit der Standort-Gemeinde im Gange seien. Daran beteiligt sind laut Keller von Basler Seite Immobilien Basel (federführend) und die Werkeigentümerin IWB.
Das durchgehend wahrnehmbare Bemühen aus Basler Sicht, den bisherigen Lieferstatus mit äussersten Zurückhaltung und einem Maximum an Diplomatie zu verteidigen, wird auch in Münchenstein spürbar. Gemeindepräsident Lüthi ist es ein Anliegen, "gemeinsam eine Lösung zu finden". Als Zeichen des guten Willens hat Münchenstein die Wasserversorgung bereits aus dem Quartierplan ausgekoppelt, um die rasche Planung der Hallen-Erneuerung nicht zu gefährden.
Schweigen zu Volumen und Preisen
Zu beobachten ist ein veritabler Eiertanz um alles, was die Interessenvertreter in den "hängigen Gesprächen" in die Waagschale werfen könnten. Unerwartet schweigsam geben sich die Beteiligten auch zur Frage, ob die staatliche St. Jakobs-Halle Steuern nach Münchenstein zahlt.
OnlineReports versuchte wenigstens herauszufinden, welche Wasserpreise gelten und um welches Kubikmeter-Volumen hinter den Kulissen gefeilscht wird. Wir befragten eine halbe Brigade an Mediensprechern – mit niederschmetterndem Erfolg. Der Schweige-Kanon: "Aufgrund der hängigen Gespräche ..." – keine Antwort. Wir wissen also nicht, ob von einem Verbrauch von jährlich 100'000 oder einer Million Kubikmeter Wasser auszugehen ist. Selbst der für Wasser zuständige SP-Gemeinderat Rudolf Bossel machte auf die Frage nach dem Kubikmeterpreis in Münchenstein ein Staatsgeheimnis und verweigerte eine Auskunft: "Das kann ich Ihnen nicht sagen."
Es besteht Verhandlungsmasse
Auch von den IWB noch von der St. Jakobs-Halle selbst war der aktuell verrechnete Kubikmeter-Preis zu erfahren. Die Vermutung liegt nahe: Käme Licht in diese Kalkulation, könnten sich die Münchensteiner Wasser-Kassenwarte eine konkrete Vorstellung darüber machen, welchen Geldsegen sie im Falle eines Verhandlungs-Sieges zu gewärtigen hätten. Darum unsere Schätzung: Ums grosse Geschäft geht es nicht, sondern um jährliche Erträge von einigen zehntausend Franken oder wenig mehr.
Wie sich die "Gespräche" entwickeln, ist offen. Bekannt ist bisher nur, dass Münchenstein als neuer Wasserlieferant auftreten will und die IWB sich anderseits das Wasser nicht abgraben lassen möchten. Inoffiziell zirkulieren schon Alternativ-Szenarien – etwa jenes, dass Münchenstein von Leitungen durch die Brüglinger Ebene absieht und den IWB weiterhin die Versorgung in St. Jakob überlässt, aber dem Basler Betreiber über die kürzestmögliche Leitung Wasser verkauft.
"Sicher nie ein Konflikt"
Dass Münchenstein die Herrschaft über das flüssige Element im Grenzgebiet zu Basel erlangen will, ist noch aus einem andern Grund nachvollziehbar: In St. Jakob entsteht in den nächsten Jahren auch der Sport- und Ernährungs-Campus der Universität – und möglicherweise noch weitere Bauten. Und da möchte die Standort-Gemeinde mit im Boot sein. Die IWB anderseits – genauso nachvollziehbar – wollen sich diesen Teil des Versorgungsgeschäfts nach fast achtzig Betriebsjahren nicht einfach nehmen lassen. Es werden nun Juristen, Finanzer und Gemeinderäte das Wort haben. Es werden Begriffe fallen wie "wohlerworbene Rechte", "Gebietshoheit" oder "Eigentumsgarantie".
Auf einen juristischen Machtkampf indes wollen es weder Münchenstein noch Basel abkommen lassen. Keiner der Partner will am Schluss als nasser Pudel dastehen. Stefan Friedli, Geschäftsleiter der Münchensteiner Gemeindeverwaltung, zu OnlineReports: "Es wird sicher nie zu einem Konflikt kommen."
30. Januar 2015
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