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"Ich fühle mich wohl": Neuer Basler Sicherheitsdirektor Dürr
Baschi Dürr will "weniger Kontrollen und mehr Führung"
Der neue Basler Sicherheitsdirektor zog nach hundert Tagen eine erste Bilanz
Von Peter Knechtli
Die massive Zunahme an Raubüberfällen und Einbrüchen in Basel-Stadt beschäftigt auch den neuen Sicherheitsdirektor Baschi Dürr (FDP). Nach rund hundert Tagen präsentierte er heute Donnerstag eine erste Bilanz.
Bevor er heute Morgen erstmals in seiner Funktion als Regierungsrat vor die Journalisten trat, hatte der neue Justiz- und Sicherheitsdirektor noch die allerletzte der 20 Abteilungen seines knapp 2'000 Angestellte umfassenden Departements besucht: die Bewährungshilfe. Dann trug er vor zahlreichen Medienschaffenden und Kadermitarbeitern eine erste Bilanz rund drei Monate nach Stellenantritt als Nachfolger seines freisinnigen Parteikollegen Hanspeter Gass. "Ich fühle mich wohl", sagte Dürr, vermutlich auch an die anwesenden Führungskräfte gerichtet, und bedankte sich "für die gute Aufnahme".
Departement "etwas überadministriert"
Grosse Würfe konnte der junge Politiker verständlicherweise noch keine präsentieren. Doch erste Eindrücke und Änderungs-Ideen haben sich in zahlreichen internen Gesprächen und Begegnungen seit Arbeitsaufnahme im "Spiegelhof" konkretisiert. Das Departement, so Dürr, sei "etwas überadministriert und überkontrolliert". Ihm schwebe vor, weniger zu kontrollieren, dafür mehr zu führen. Unter anderem stellt er nur noch das Kader ab Lohnklasse 18 an. Alle Entscheide über Personalanstellungen, die darunter liegen, sind neuerdings Sache der Bereichsleiter.
Mit der Wahl von David Frey zum neuen Generalsekretär und gleichzeitig zum Kommunikations-Chef (diese Funktion übte bis zu seiner Pensionierung Klaus Mannhart aus) habe er "eine Stelle einsparen können", verkündete der höchste politische Polizist Basels nicht ohne Stolz.
Deutlich erhöhte Verhaftungsquote
Mehr oder weniger mit Dürrs Amtsübernahme am 1. Februar akzentuierte sich in Basel eine noch nie dagewesene Welle an Einbrüchen – davon war der Politiker kürzlich selbst betroffen – und Raubüberfällen. Diesen beiden Arten von Vermögensdelikten will er mit "mehr Kontrollen" ein besonderes Augenmerk schenken. Ganz machtlos ist die Polizei nicht: Seit Anfang Jahr kommt es wöchentlich im Durchschnitt zu 47 Verhaftungen – rund fünfzig Prozent mehr als im vergangenen Jahr, als die Quote bei 30 Verhaftungen pro Woche lag. Dieser Festnahme-Erfolg stehe nicht im Zusammenhang mit seinem neuen Einfluss, sagte Dürr auf eine OnlineReports-Frage.
Auffällig ist seit Anfang Jahr, dass 95 Prozent der Einbrüche und 86 Prozent der Raubüberfälle, die zu Verhaftungen führten, Ausländer in Verdacht stehen – vor allem Asylbewerber (Einbruch) und Kriminaltouristen (Raub). Laut Dürr agieren in Basel "wahrscheinlich Dutzende Banden mit schätzungsweise hundert Delinquenten". Zu seinem Anspruch an sein Korps, "im Alltag besser zu werden", gehöre auch die gute Zusammenarbeit zwischen allen Behörden der Sicherheit und Strafverfolgung sowie mit der Bevölkerung: "Es ist an allen, der Polizei zu melden, wenn etwas vorgefallen ist."
Die digitale Strafanzeige kommt
Ganz im Sinn der Entbürokratisierung will Dürr "50 Prozent weniger Schreibarbeit auf den Posten" und die elektronische Strafanzeige bei Bagatelldelikten einführen, wodurch physisches Erscheinen auf dem Polizeiposten nicht mehr erforderlich ist. Ebenso sollen bestehende Daten vermehrt als Führungsinstrumente genutzt werden: "Der nächste Schritt muss ein qualitativer sein." Derzeit wird das Korps bis 2015 um 45 Stellen erweitert.
Ambitiös erscheint Dürrs Anspruch, die Bereiche "Community Policing" und "Prävention" in der Stadt "sichtbarer" zu machen: Bis kommendes Jahr soll "die Bevölkerung wissen", welche Polizeikraft für ein Anliegen zuständig sei. Zur Polizeipräsenz-Markierung beitragen sollen auch die zehn bis fünfzehn für die Parkraum-Bewirtschaftung zusätzlich eingestellten "Sicherheits-Assistentinnen": Sie sind mit "Polizei" angeschrieben, was "eine abschreckende Wirkung auf Täter" habe. Bei der Personal-Rekrutierung soll auf Frauen und Migrantinnen und Migranten ein besonderer Fokus gelegt werden.
"Waaghof" randvoll
Sorgen macht Dürr die "historische Rekordbelegung" des Untersuchungsgefängnisses "Waaghof", die zu einem Rückstau auf Polizeiwachen führt. Verschiedene kurz- und mittelfristige Massnahmen – wie die Umnutzung von Militärarrestzellen und die Schaffung verschiedener weiterer Plätze – sollen noch im laufenden Jahr einen Kapazitätsausbau ermöglichen. Der Ausbau des "Bässlerguts" bringt erst ab 2018 Entlastung.
An weiteren Projekten nannte Dürr die Zusammenführung von Sanität und Feuerwehr, die Neuorganisation des Kreiskommandos sowie die Prüfung eines Handelsregisteramtes beider Basel (im grünen Baselbieter Sicherheitsdirektor Isaac Reber "habe ich einen guten Gesprächspartner"). Die bisher staatliche Papierentsorgungszentrale will Baschi Dürr privatisieren und die Polizei-Präsenz in Gerichten optimaler organisieren.
Chef-Büro: Kunst-Schmuck privat finanziert
Eine nicht weltbewegende Pendenz will der neue Regierer staatsquotenneutral erledigen. Bei der künstlerischen Ausstattung seines magistralen Büros wurde Baschi Dürr im Fundes des Kunstmuseums nicht fündig. Jetzt schreibt er einen Nachwuchskünstler-Wettbewerb zum Thema "Sicherheit – zwischen Staat, Gesellschaft und Gemeinschaft" aus. Die 10'000 Franken Honorar, so Dürr, "werde ich selber zahlen".
PS. Baschi Dürrs berühmter Wasch-Halbtag sei nicht nur Ankündigung, sondern mittlerweile Realität – jeweils am Donnerstagnachmittag. "In vier von fünf Fällen klappt es."
2. Mai 2013
Das SVP-Rezept im Wortlaut
Die Basler SVP reagierte auf Dürrs heutige Medienkonferenz mit einem 13 Punkte umfassenden Forderungs-Katalog:
1. Die Kantonspolizei Basel-Stadt verzichtet bis auf Weiteres auf verkehrspolizeiliche Kontrolltätigkeiten wie bspw. das Verteilen von Bussen, Verkehrskontrollen oder anderen Tätigkeiten, welche nicht direkt zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit beitragen.
2. Sollten diese Tätigkeiten unausweichlich sein, so sind hierfür, für einen gewissen Zeitraum, private Sicherheitsdienstleister – ausgestattet mit entsprechenden Genehmigungen – einzusetzen.
3. Zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit sind zwingend zusätzliche Polizeikräfte, nötigenfalls aus anderen Kantonen (im Rahmen des Konkordats), beizuziehen.
4. Gegebenenfalls ist die Armee zur Unterstützung (beispielsweise Militärpolizei) hinzuzuziehen.
5. Das Korps der "Bike-Patrol" ist auszubauen, da diese bei Raubüberfällen rasch eingreifen und Täter möglicherweise stellen können.
6. Fusspatrouillen mit Hundestaffel-Begleitung in den Quartieren sind einzuführen.
7. Die Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist abermals zu prüfen.
8. Die Einbindung von Bürgerpatrouillen und / oder privaten Sicherheitsdienstleistern in den Quartieren – als Ergänzung zur Kantonspolizei – ist zu prüfen.
9. Sämtlichen Bürgerinnen und Bürgern sind Pfefferspray und / oder Selbstverteidigungskurse auf Wunsch – selbstverständlich kostenlos – anzubieten.
10. Zur Verbrechensbekämpfung sind durch den Regierungsrat zwingend zusätzliche finanzielle Mittel zu sprechen. Hierfür sollen andere Ausgaben in sämtlichen Departementen zurückgefahren werden. Die öffentliche Sicherheit hat für den Steuerzahler oberste Priorität und steht vor sämtlichen "nice-to-have-Projekten".
11. Schnellgerichte sind einzuführen, welche die gefasste Täterschaft schnell und hart verurteilt.
12. Das Strafmass für Raubdelikte ist auf Bundesebene zu erhöhen, damit Verurteilungen eine abschreckende Wirkung haben.
13. Für ausländische Täterschaften sind Einreisesperren zu erwirken.
Über die Kostenfolgen, die in die Millonen gehen dürften, macht die SVP keine Angaben.