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"Ende einer langjährigen Vernachlässigung": Kritiker Müller, Projektgebiet
Streit um den Stadtrand: "Gigantismus, Ghetto, Grüner Gürtel"
Die Debatte um den Basler Zonenplan geht in die heisse Phase: Gegner präsentieren ihre Argumente
Von Christof Wamister
Die breite und heterogene Formation wehrt sich in Basel gegen die Baupläne im Osten und Süden der Stadt: Heute Mitttwochmorgen stellten sie ihre Argumente auf dem Bruderholzrücken vor, meinten aber auch die geplante Grossüberbauung in Basels Osten.
Das Komitee "2x Nein zur Verbauung von Basler Grünflächen" hat einen sensiblen Ort gewählt, um für seine Argumente zu werben: Das Gartenhäuschen samt Grundstück an der Verzwiegung Auf der Wanne / Hundsbuckel. Es handelt sich um einen der schönsten Aussichtspunkte auf dem Bruderholzrücken, von dem aus sich der Blick in Richtung Rheintal, Birseck und Leimental öffnet. Gemäss dem neuen Basler Zonenplan soll hier die Bauzone bis auf die Höhe der benachbarten Bottminger Bebauung erweitert und eine Siedlung mit Einfamlienhäusern für gehobene Ansprüche errichtet werden.
Eine brisante Koalition
Gegen diese "Stadtrand-Enwicklung Süd" – sie umfasst auch noch eine Parzelle auf der Südseite der Gornicostrasse – und den Bebauungsplan Ost an der Grenzacherstrasse, die durch den Grossen Rat mit knappster Mehrheit aus dem Gesamtpaket Zonenplanrevision ausgegliedert wurden, hat sich ein heterogenes, aber schlagkräftiges Bündnis gebildet: Grüne, Basta, WWF, Pro Natura, Ökostadt, Familiengärten und SVP. Das Gegnerkomitee greift bewusst am vielleicht nicht wichtigsten, aber schwächsten Punkt der Doppelvorlage an.
An einer Podiumsveranstaltung der Architektenverbände BSA und SIA eine Woche vorher machte der SVP-Grossrat und Architekt Roland Lindner auf diese Schwachstelle aufmerksam. Die Einzonungen auf dem Bruderholz seien in der Bevölkerung unpopulär. Sie wurden schon in früheren Abstimmungen (1984 und 2006) verworfen und könnten sich deshalb auch auf das bedeutend grössere Vorhaben im Osten der Stadt, mit dem Wohnraum für 2'000 Menschen geschaffen werden soll, negativ auswirken.
Das Nein-Komitee lehnt auch dieses Grossvorhaben ab, das vom Architekten Roger Diener in einer Testplanung entworfen worden war. Mit den zwölf Hochhäusern entstehe kein günstiger Wohnraum, sagte Patrizia Bernasconi ("Basta"). Die Hochhäuser seien für Familien mit Kindern nur schlecht geeignet. Die Gegner berufen sich dabei auch auf eine Studie, welche die Hochschule Luzern zusammen mit andern Partnern im Auftrag des Kantons Basel-Stadt erarbeitet hat und die sich kritisch zur Nachhaltigkeit dieses Standortes äussert. Statt mit den Hochhäusern am Rhein sollte der genossenschaftliche Wohnungsbau laut Bernasconi vielmehr im unbestrittenen Gebiet am Walkeweg (beim Dreispitz) stattfinden.
Nicht von der Grünsubstanz zehren
Thomas Grossenbacher (Grüne), Mitglied der grossrätlichen Bau-und Planungskommission, bezeichnet es als grundsätzlich falsch, den Grüngürtel anzugreifen, statt im Siedlungsraum der Stadt zu verdichten. Er nannte eine Reihe von Projekten, von der Erlenmatt bis zur Neubebauung Magnolienpark, die beweisen, dass dies möglich sei. Ein moderates Wachstum von 8'000 Personen bis ins Jahr 2030 lasse sich damit auffangen. Mit Bezug auf die Stadtrandentwicklung Ost war an der Medienkonferenz von "Gigantismus" und einem möglichen "Ghetto" die Rede. Die Hochhäuser würden sich wie eine Wand vor den Rhein schieben und das Konzept mit Sportanlagen, Familiengärten und Wohnungen verschiedener Preisklassen werde in der Realität nicht funktionieren.
WWF-Geschäftsführer Jost Müller Vernier, der den Abstimmungskampf managt, betont die oft angezweifelte Bedeutung des Grüngürtels zum Rhein. Durch eine völlige Umgestaltung des Areals wäre die dortige Artenvielfalt bedroht. Dass mit dem neuen Zonenplan Natur und Landschafts-Schutzzonen ausgewiesen werden, sei keine grosse Leistung. "Es ist nur das Ende einer langjährigen Vernachlässigung der raumplanerischen und naturschützerischen Pflichten."
Bauernhof bangt um Existenz
Gegen die Einzonungen wehrt sich auch der Pächter des Bauernguts Kosterfiechten, Kurt Jordi, mit einem offenen Brief: "Dem Hof Klosterfiechten als einzigem und letztem Bauernhof auf Stadtgebiet wird mit dieser Überbauung langsam aber sicher und unwiderruflich die Existenz abgegraben." Die im Komitee engagierten Quartierbewohner machen auch darauf aufmerksam, dass mit den neuen Bauzonen auf dem Bruderholz die Siedlungsgrenze südlich der dortigen Famliengärten vorrückt und diese zu Baulandreserven degradiere. Wertvolles Ackerland werde zur Naturschonzone und schränke die landwirtschaftlichen Möglichkeiten in der Tat ein.
27. August 2014
Weiterführende Links:
"Der Präsident wehrt sich zu Recht"
Der Präsident des Zentralverbands der Familiengärtnervereine Basel wehrt sich zu Recht für seine Familiengärten und gegen die Stadtrandzersiedlung Ost. Dies aus zwei Gründen:
1. Unklar bleibt nämlich der Ersatz für die Familiengärten, die für die Wohntürme aufgehoben werden sollen. Der mögliche Ersatzraum reicht von der Grenzacherstrasse beim Rhein bis zur Riehenstrasse mit der 6er-Tramlinie. Im nördlichen Teil zwischen Bäumlihof- und Riehenstrasse dürfen in der Grünzone jedoch gar keine Gartenhäuschen erstellt werden. Wird hier etwa Ersatz für Familiengärten versprochen, der nur auf dem Papier besteht?
2. Im Zonenplan ist neu eine so genannte Linie zur Siedlungsbegrenzung aufgenommen. Siedlungsbegrenzungen dienen der Trennung zwischen Siedlungsgebiet und Landschaftsraum und damit zur Freihaltung siedlungsnaher Räume für Naherholung und Natur. Die Siedlungsbegrenzungslinie verläuft etwas südlich der Bäumlihofstrasse, womit das nördliche Bäumlihofareal vor Bebbaung geschützt wird. Zugleich wird jedoch das gesamte südliche Gebiet mit allen Familiengärten bis zum Rhein zum potentiellen Bauland, wenn nicht gar zur Baulandreserve.
Ob es sich hierbei bloss um planerisches Ungenügen handelt, muss offen bleiben. Ein Nein zur Zersiedlung Ost schafft jedenfalls Klarheit.
Jost Mèller, Basel
"Unselige Entwicklung Richtung Frankfurt oder New York"
Mit grosser Selbstverständlichkeit wird angenommen, eine dichte, in die Höhe strebende Bebauung wäre landschaftsschonend und für die Bevölkerung und die Stadt umweltverträglich.
Niemand erwähnt u.a. den dichten Verkehr, der sich zwangsläufig neu durch die Grenzacherstrasse wälzen wird. Ist es wirklich die Aufgabe des Staates, den Arbeitenden im Roche-Hochhaus Wohnraum im bis anhin grünen Vorstadtgürtel zur Verfügung zu stellen? Wurde die Bevölkerung im oberen Kleinbasel gefragt, ob sie ein Riesenhochhaus vor die Nase an den Rhein gepflanzt haben will? Es geht eben auch um den Weg, wie wir die bauliche Zukunft Basels gestalten wollen. Wirtschaftliches Wachstum kann und darf nicht dazu führen, rücksichtslos auf Kosten der Umwelt drauflos zu bauen.
Unterbrechen wir die unselige Entwicklung Richtung Frankfurt oder New York! Das (noch) beschauliche Basel sollte sich nicht auf diese zerstörerische Art mit den "Grossen" messen; andernfalls wird es sich auch deren Probleme einhandeln.
Peter Bächle, Basel