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"Nicht der Wollsocken-Birkenstock-Typ": Bürgerliche Regierungsrats-Kandidatin Gautschi
"Ich hätte von Tanja Soland mehr Energie und Gegensteuer erwartet"
Die bürgerliche Basler Regierungsrats-Kandidatin Nadine Gautschi soll die rot-grüne Mehrheit brechen
Von Peter Knechtli
Im Basler Regierungs-Wahlkampf ist die Freisinnige Nadine Gautschi die Gegenkandidatin der Sozialdemokratin Tanja Soland. Mit ihr wollen die Bürgerlichen die rot-grüne Vorherrschaft in der Exekutive sprengen. Eine Frau, die ein klares Kontrastprogramm zu ihrer linken Konkurrentin bietet.
Anders als in linken Parteien dominieren bei den Basler Freisinnigen die Männer im Grossen Rat: Nur gerade eine Frau – erst noch die von den Grünliberalen übergesprungene Martina Bernasconi – gehört der elfköpfigen Fraktion an. Noch nie sass eine Freisinnige in der baselstädtischen Regierung.
Das soll jetzt ändern mit der 47-jährigen Ökonomin Nadine Gautschi. Sie bewirbt sich in einer Ersatzwahl gegen SP-Hauptkonkurrentin Tanja Soland um den Sitz der Sozialdemokratin Eva Herzog, die Ende Januar zurücktritt und am 20. Oktober den frei werdenden Basler Ständeratssitz anstrebt.
Den Freisinnigen geht es aber nicht nur darum, ihr Image als Männer-Partei zu korrigieren. Es geht um viel mehr: Nadine Gautschi soll nicht nur einen zweiten FDP-Sitz – der bisher einzige wird gehalten von Justiz- und Sicherheitsdirektor Baschi Dürr – erobern, sondern die Machtverhältnisse im Rathaus kippen, wo Links-Grün seit Herbst 2004 vier von sieben Regierungsräten stellt. Die Rückeroberung der bürgerlichen Dominanz ist das vorrangige Ziel.
Sie legte sich mit Wessels an
Auch wenn sich die Basler FDP-Frauenförderung bisher in der Fraktion nicht abbildet, sieht sich Regierungs-Kandidatin nicht als feminines Feigenblatt einer Partei, in der Männer den Ton angeben: "Daran kann ich mich nicht aufhalten", meint Nadine Gautschi im Gespräch mit OnlineReports und verweist auf ihre Position als Vizepräsidentin der Kantonalpartei: "Ich fände viel schlimmer, wenn man sagte, ein Mann werde nicht nominiert, weil er ein Mann sei." Frauen hätten in der FDP dieselben Chancen, sich für Funktionen zu bewerben wie Männer.
So sei es auch ihre Partei gewesen, "die mich in den Verwaltungsrat der Basler Verkehrsbetriebe gebracht hat". In diesem Strategiegremium sass Nadine Gautschi von 2013 bis 2017 in einer Phase, in der sich die BVB längst in einem personellen und führungspolitischen Schlamassel befanden.
Ihr Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat war nicht freiwillig: Sie überwarf sich mit dem für die BVB politisch verantwortlichen SP-Regierungsrat Hans-Peter Wessels, weil sie sich im Zusammenhang mit dem Bau der grenzüberschreitenden Tramlinie 3 energisch gegen die umstrittene Überweisung einer Million Euro an die elsässischen Partner gewehrt hatte. Wessels habe wichtige BVB-Entscheidungen "zu leichtfertig" getroffen. "Ich war in der Opposition, und das kostete mich den Job."
Für Autos und Parkings
Die Mutter dreier Kinder im Alter von 11, 15 und 17 Jahren vertritt ihre Meinung ohne falsche Rücksichten fadengerade und nimmt Widerspruch in Kauf. So sagt sie, sie finde Basel "keine tolle Velostadt", weshalb sie "nicht gern Velo fährt". Man könne "nicht ein Verkehrsmittel auf Kosten eines andern fördern". Gemeint ist die Verdrängung der Autos aus der Stadt.
Etwas überraschend findet es Nadine Gautschi "auch richtig, wenn man Parkplätze von der Strasse wegnimmt, um mehr Platz für Velos zu schaffen, aber dann müssen die Quartier-Parkings kommen" und Neubauten mit Tiefgaragen versehen werden. Weil bei Neubauten wie dem Kinderspital, dem Biozentrum oder dem ETH-Gebäude keine Parkier-Möglichkeiten geplant worden sind, werde jetzt unter der Tschudimatte ein Quartier-Parking gebaut und "die ganze Bevölkerung dort wütend gemacht".
Als eine, die im Bereich "Services" im Justiz- und Sicherheitsdepartement von Baschi Dürr selbst beim Kanton arbeitet, kritisiert Nadine Gautschi, dass "immer mehr Verstaatlichung" es initiativen Leuten schwer mache, Unternehmergeist in der Praxis auszuleben. Dies hätten auch Kollegen erfahren, die versuchen, sich als ETH-Forscher im "Stücki"-Komplex selbstständig zu machen. Und jetzt wird ihre sonst teilweise leise Stimme laut: "Das ist so unglaublich mühsam." Hier Verbesserungen zu erzielen, sei "etwas, für das Tanja Soland nicht steht".
Kritik an Basler Wohnbau-Politik
Nicht im Entferntesten einverstanden ist Nadine Gautschi mit der neuen Basler Wohnbau-Politik. Zwar würden die vom Volk angenommenen Wohnschutz-Initiativen umgesetzt, "aber dadurch entsteht keine einzige neue Wohnung – nicht eine!" Es werde einfach die bestehende Mieterschaft geschützt und Investitionen in den Hausbestand verhindert. Stattdessen müssten mindestens gleichwertig auch private Investoren zum Zug kommen. "Das sind nicht irgendwelche Immobilienhaie, die zehn Prozent Rendite machen. Die gibt es nicht."
Befragt nach ihren pointiertesten Aussagen im bisherigen Wahlkampf, folgt eine Salve an erwarteten Standpunkten: Der Gegenvorschlag zur "Zämme besser"-Verkehrsinitiative des Gewerbeverbands sei eben so schlecht wie das 16-prozentige Wachstum des Staatspersonals in den letzten zehn Jahren, die staatliche Pensionskasse "in einem desolaten Zustand", die Verkehrspolitik "einseitig". Dabei befürwortet Nadine Gautschi einen "Autobahnring" um Basel, ohne allerdings das schon 2013 von Baselbieter FDP-Politikern vorgeschlagene Ringkonzept zu kennen.
Minarett und Muezzin: Kein Problem
Etwas unvorbereitet trifft Nadine Gautschi die Frage nach ihrer Position zu einem in der Bundesverfassung verankerten Burkaverbots. Hier sei sie "zerrissen". Es gehe selbstverständlich nicht an, "dass man eine Frau in ein Zelt steckt". Die Diskussion über dieses Thema sei aber noch zu wenig ausgereift, sie wolle sicher nicht, "dass es herauskommt wie beim Minarettverbot". Denn "wer stört sich wirklich an einem Minarett? Das ist einfach ein Symbol", lässt sie ihre gesellschaftsliberale Haltung erkennen, was die Kirchenrätin der Römisch-katholischen Kirche Basel-Stadt mit dem Satz untermauert: "Einen Muezzin fände ich persönlich nicht so schlimm."
Unsicher und stockend reagierte die Kandidatin vom Bruderholz-Quartier mit "ganz klar bürgerlichem Profil" (Selbsteinschätzung) auf die Frage, was an ihr grün sei. Ein Regierungs-Wahlkampf sei "kein Umweltthema-Wahlkampf", wich sie aus. "Wir sollten unsere Pärke nicht vergiften und keine giftigen Abfälle in den Rhein lassen", sagte sie, um dann zurückzufragen: "Was ist grün? Was ist das?" Offen sodann das Bekenntnis: "Es wäre total unehrlich, wenn ich sagte, ich sei der Wollsocken-Birkenstock-Typ."
Einen einsehbaren und nachvollziehbaren politischen Leistungsausweis kann Nadine Gautschi nicht vorweisen. Eine gewisse Bekanntheit erlangte sie als BVB-Verwaltungsrätin, parlamentarische Erfahrung hat sie nicht. Im Wahlkampf zeigt sie eine erfrischende Offenheit, lässt auch spüren, wo ihre Antworten vage sind und gibt sich kämpferisch. Ihr Brutto-Einkommen aus dem 80 Prozent-Job macht sie transparent: 80'000 Franken.
"Eva Herzog ist eine Marke"
Einen Motivationsschub dürfte ihr die direkte Konkurrentin Tanja Soland gegeben haben mit der Aussage – erstmals in OnlineReports –, dass sie mit einem zweiten Wahlgang rechne. "Das hat mich total überrascht", sagte Gautschi. Überrascht ist sie auch, dass ihre Gegnerin, obschon früher am Start, mit einem "viel grösseren Budget" ausgestattet und in der Pole-Position, "nicht eine grössere Kampagne fährt. Ich hätte von ihr mehr Energie und Gegensteuer erwartet".
Ein drittes Mal "überrascht" ist Nadine Gautschi, dass Soland "von den linken Regierungsräten gar nicht portiert wird". Ebenso hätte sie unter dem Motto "Das ist meine Nachfolgerin" einen Auftritt mit Eva Herzog erwartet. Denn, so einer von Gautschis gemeisselten Sätzen: "Eva Herzog ist eine Marke in Basel. Das ist nicht einmal eine Politikerin."
Falls es zu einem zweiten Wahlgang kommen sollte, wird Nadine Gautschi nochmals antreten, ausser: "Wenn Katja Christ mehr Stimmen macht als ich, dann würde ich meine Kandidatur zurückziehen." Kommt es aber zur Entscheidung zwischen der SP- und der FDP-Frau, hofft diese, dass sie die Unterstützung der Grünliberalen erhält. Gautschi: "Ich stehe für nichts, das für die GLP ein Problem sein könnte."
Schamlose Posts des Ehegatten
Ein Problem für Nadine Gautschi könnten schamlose, teils gegen Rot-Grün gerichtete Einträge sein, die ihr Ehemann Christian Gautschi – Bruder des Generalsekretärs von Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann – auf "Facebook" postete, wie die BZ dokumentierte. Beispiel: Am 29. Mai notierte er zum BVB-Debakel, man sollte "allen Verantwortlichen für Infrastruktur der letzten Jahrzehnte auf dem Marktplatz den nackten Arsch versohlen".
Niemand hat ihm scheinbar geraten, sich im Hinblick auf die Kandidatur seiner Frau etwas zu mässigen. Nadine Gautschi empfindet ihren Gatten als "loyal" und findet diese Posts "nicht gut". Verbieten will und kann sie ihm sie nicht: "Ich bin nicht sein Babysitter und er nicht meiner."
Nadine Gautschis Wahlkampf ist grösstenteils beendet: In den nächsten zwei Wochen macht sie Ferien. Sie fliegt nach Singapur, wo sie schon drei Jahre gelebt hatte.
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27. September 2019
Weiterführende Links:
"Aus einer ideologiefreien Perspektive"
Ich finde, Ihre Kommentare zu den Regierungsrats-Kandidatinnen bringen uns sehr nahe an die Qualitäten und Einstellungen der Kandidierenden. Es wird dadurch immer klarer, wer für die zu besetzende Position geeignet ist. Erhellend auch, wie Sie, anders als fast alle andern lokalen Medien, aus einer ideologiefreien Perspektive uns die Gegebenheiten durch Ihre differenzierten Wahrnehmungen vermitteln. Es braucht Ihre Stimme unbedingt!
Franz Vettiger, Basel
"Nicht ernst gemeint"
Mir scheint der Wahlkampf von Frau Gautschi, der "Kandidatin vom Bruderholz-Quartier mit ganz klar bürgerlichem Profil", nicht ernst gemeint. Ich wünsche der Regierungsrats-Kandidatin schöne und erholsame Ferienwochen in Singapur.
Erwin Schönholzer, Basel