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Schweizer Entwicklungshilfe spült harte Fakten weichEs fehlt an Transparenz, an Kontrolle und an konkreten Leistungs-Nachweisen Von Peter Achten Über fünfzig Jahren Entwicklungshilfe haben der Dritten Welt und der Schweiz wenig gebracht. Die Schweiz erhält von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) trotzdem leidlich gute Noten. Doch die Intransparenz muss ein Ende haben, bessere Kontrollen und Leistungsnachweise sind nötig. Viele der recht bezahlten Beamten der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) in Bundes-Bern wehren sich gegen Reformmassnahmen, die 2008 in Angriff genommenen wurden und zum Ziel haben, mehr Transparenz zu schaffen und die vom Parlament üppig bewilligten Hilfsgelder effizienter und vor allem nachhaltiger einzusetzen. Bis ins Jahr 2017 sollen die meisten Deza-Büros mit den Botschaften zusammengelegt werden. Die spendierfreudigen Deza-Akteure kommen so – endlich – unter bessere Kontrolle. Natürlich passt das vielen amtlichen Entwicklungshelfern nicht. Bis 2008 konnte der ehemalige Deza-Direktor Walter Fust nämlich walten und schalten fast so, wie es ihm beliebte. 3. März 2014
"Kein Afrikaner würde nach Europa fliehen" Herr Anton Kohler spricht in seinem Leserbrief das Kernproblem der "guten Regierungsführung" an. Aber der starke Mann – der niemandem Rechenschaft ablegt – ist in Afrika immer noch sehr populär. Natürlich gibt es Tendenzen hin zur Demokratisierung und Zivilgesellschaft. Aber vielen afrikanischen Politikern fehlt oft das Bewusstsein von der Gestaltbarkeit der Verhältnisse sowie die Wertschätzung des Individuums mit seinen Menschen und Freiheitsrechten. Es fehlt an gemeinwohlorientiertem Handeln und echten Kontrollinstanzen repräsentativ-demokratischer Prozessen. Wenn man in Afrika lebt sieht man, dass viele Machteliten mit unseren gängigen Vorstellungen von Menschenwürde nicht viel gemein haben. Bisherige "Realpolitik" lässt zu, dass europäische Forderungen nach Rechtsstaatlichkeit einfach ignoriert werden können. Sie werden nicht standfest vorgebracht, oftmals offenbar mit augenzwinkernden Hinweis "demokratische Ideale" würden nicht so heiss gegessen wie gekocht. Aber Korruption ruiniert die Institutionen und untergräbt die Zukunftschancen eines Landes. Woher kommt diese Tendenz, autoritäre Regime in Schutz zu nehmen?
Entwicklungspolitiker sollten aus Fehlern lernen. Bern wird in Afrika anders als Paris und Washington keine wirtschaftlichen oder geopolitischen Interessen unterstellt. Kein Afrikaner würde – nach meinen Erfahrungen – unter unsäglichen Bedingungen nach Europa fliehen, wenn der Staat funktioniert und wenn sich die Menschen um Alltagsdinge wie Lebensqualität, effiziente Verwaltung und Korruption keine grossen Gedanken machen müssten. Volker Seitz, Botschafter a.D. und Buchautor, Six Fours les Plages (F) "Deza hat schon einen Sumpf bewässert" Soviel vorweg: Nein, ich will nicht jenen, die Entwicklungs-Zusammenarbeit schlicht abschaffen wollen das Wort reden. Aber ein paar Anmerkungen aus eigener Anschauung zufügen mit dem Ziel, Entwicklungs-Zusammenarbeit (endlich) so zu organisieren, dass sie den Ländern, die von den Geldern aus der ersten Welt profitieren sollen, effektiv etwas bringt und nicht nur das schlechte Gewissen der Geberländer beruhigt.
Beispiel Sudan: Zwei der drei Pumpen vom Typ India 5 in einer kleinen Ortschaft in den Nuba Bergen im Zentralsudan funktionieren nicht mehr. Vor der einig verbliebenen Pumpe stehen die Frauen mit den Kanistern Schlange. Wir fragen, warum sie denn die andern Pumpen nicht flicken würden. Die Antwort "Die Weissen bauten die Pumpen. Sie sollen sie auch flicken. Es sind ihre Pumpen.
Oder noch ein selber erlebtes Beispiel aus dem Sudan, wo ich im Auftrag des Bundes für die Waffenstillstands-Kommission in den Nuba Bergen arbeitete: Eine irische Nichtregierungs-Organisation lässt Kochgeschirr für teures Geld in ein (ehemaliges) Rebellengebiet einfliegen. Die Idee dahinter: Frauen sind für die Ernährung der Familie zuständig. Wenn sie aus dem Flüchtlingslager in Khartum zurück in ihr Dorf kommt, braucht sie folglich Kochgeschirr, um für die Familie zu sorgen. Wochen später sehe ich die Berge von Kochgeschirr noch immer im Lagerhaus der Rebellen. Wenig später verstehe ich wieso das so ist: In der Hauptstadt von Südkordofan (wovon die Nuba Berge ein Teil sind), kommen die Busse mit Flüchtlingen an. Kaum hat der Bus angehalten steigen die jungen Männer auf das Dach und werfen die Bündel mit Kochgeschirr herunter. Dort sammeln die Frauen ihre Habe zusammen. und ich verstehe: Ohne ihr Kochgeschirr reist keine sudanesische Frau. Sie würde unterwegs schlicht nicht überleben, sie ist darauf angewiesen. Wenn sie dann endlich in ihrem Heimatdorf angekommen ist, hat sie das Kochgeschirr mit dabei. Sie braucht keines.
Der Nichtregierungs-Organisation müsste man sagen: Gut gemeint ist nicht gut genug. Aber ich bin sicher, mit der Kochgeschirr-Aktion liess sich in Europa gutes Geld sammeln, obwohl sie völlig sinnlos war.
Nichtregierungs-Organisationen sind letztlich niemandem verpflichtet. Sie dienen letztlich nur jenen, die dort arbeiten. Und die Geldgeber suhlen sich im guten Gewissen, das sie beim Spenden haben.
Aber auch Regierungs-Gelder brauchen deshalb nicht besser eingesetzt werden. Die Deza hat es, trotz Beratung durch die ETH-Experten schon fertig gebracht, einen Sumpf zu bewässern.
Was wirklich hilft ist letztlich nur das, was auf Englisch "Good Governance" heisst: Regierungen und Staatsoberhäupter müssen begreifen, dass sie Diener ihrer Völker sind und der Staat nicht da ist, um ihre Taschen zu füllen. Oder zurück zum Beispiel Sudan: Warum soll irgend jemand Entwicklungshilfe leisten, wenn die Regierung in der Lage ist, MIG-Kampflugzeuge zu kaufen und sie bar zu bezahlen, während es den Leuten am allernotwendigsten mangelt, an Essen, an Ausbildung und an medizinischer Betreuung. Es geht um die Prioritäten im Staatsbudget: Was hat Priorität, das Wohl der Bevölkerung oder das eigene Prestige. Anton Kohler, Basel "Gierig wie nach Mitleid und Güte" ich habe beobachtet, dass die afrikanischen Länder, die am meisten Entwicklungshilfe erhalten, am wenigsten gegen die Armut unternehmen. Aber nach dem naiven Zeitgeist braucht Afrika unsere Hilfe. Heutzutage streben die Leute nach keinem anderen Vergnügen so gierig wie nach dem Mitleid und der Güte. Inzwischen gibt es aber zahlreiche Afrikaner, die die kargen Ergebnisse der florierenden Hilfsbranche anprangern. Henry Lubega, ein Journalist in Ugandas Hauptstadt Kampala, sagt: "Die wahre Arroganz, der wahre Kolonialismus würde nicht von den Unternehmern, diesen vermeintlichen Ausbeutern, an den Tag gelegt, sondern von den Philanthropen. Sie sollten tun, worauf sie spezialisiert sind: Popmusik machen oder Parteipolitik. Afrika ginge es ohne ihre ständigen Nachstellungen jedenfalls besser. "Wenn Entwicklungshilfe funktioniert, warum geht es dann den meisten afrikanischen Ländern heute schlechter als zum Ende der Kolonialzeit? Die seit Jahrzehnten betriebene Art der Entwicklungspolitik bringt die Länder nicht entscheidend voran, schafft kaum Arbeitsplätze vor Ort, mehrt dort das Wohlergehen einiger weniger , beseitigt aber nicht das breite Elend. Wir wissen dies, aber differenzierter ist der Diskurs mitnichten geworden, sondern eintönig in seinem beflissenen Bemühen, unter allen Umständen der Political Correctness auch hier zu folgen.
Die Erfahrung hat immer wieder gezeigt, dass keine entwicklungspolitische Maßnahme zum anvisierten Ziel führt, wenn sie nicht von den Zielgruppen gewollt und akzeptiert ist, die davon einen Nutzen ziehen sollten. Maßnahmen, die ohne Berücksichtigung dieses Prinzips durchgeführt werden, sind zum Scheitern verurteilt. Eine kleine Auswahl afrikanischer Stimmen: "Man muss den Afrikanern nicht helfen, weil sie ja ach so arm sind. Es würde schon reichen, wenn man sie in Ruhe lässt." Entwicklungshilfe-Organisationen haben in vielen Fällen "das freie Unternehmertum zerstört und Afrikaner zu Bettlern gemacht", sagte kürzlich Jean-Marie Téno Filmemacher aus Kamerun. "Entwicklungshelfer halten politische und korrupte Systeme aufrecht, es ist eine Form des Spätkolonialismus." meint der Autor und Regisseur Aristide Tarnagda aus Burkina Faso.Die Industrieländer sollten dem Kontinent die Chance geben, erwachsen zu werden. sagte James Shikwati.
Auch wenn Politiker lieber auf Claqueure denn auf Kritiker hören, wäre es sicherlich sinnvoll zu Kongressen zum Thema Entwicklungshilfe, auf denen die Geberländer ohnehin meist unter sich sind, auch einmal die afrikanischen Kritiker einzuladen und öffentlich mit ihnen diskutieren. Letztendlich sollten doch Befürworter wie Gegner der Entwicklungshilfe an der Entwicklung Afrikas interessiert sein. Aber ich fürchte, so genau wollen sie es auch nicht wissen. Volker Seitz, Botschafter a.D. und Autor "Afrika wird armregiert", Six Fours les Plages (F) "Man hört wenig von den Verantwortlichen" Wirksamkeit und Effizienz der öffentlichen Entwicklungshilfe sind ständig zu prüfen. Leider hört man dazu in der Öffentlichkeit wenig von den verantwortlichen Stellen (z. B. Deza). Interessieren würde auch, warum sich die Schweiz nicht stärker für eine wirksame Geburtenkontrolle in den ärmsten Ländern einsetzt. Dies wäre das wirksamste Mittel, um den Wohlstand pro Kopf zu steigern. Alex Schneider, Küttigen |
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