Peking: Eine Torte, die glücklich macht
Seit jüngsten Jahren bin ich in der Familie und weit darüber hinaus als wählerischer Süssigkeits-Fan bekannt. In China, weltweit anerkannt als der kulinarische Himmel, wird man als bekennendes Schleckmaul westlicher Prägung allerdings nicht so recht glücklich. Sicher, es gibt Desserts ohne Zahl. Nur eben, ein nach französischer Küche und von den weltberühmten Schweizer Zuckerbäckern geschulter Gaumen kann wenig mit den fernöstlichen Süssigkeiten anfangen. So köstlich süss auf der Zunge zerschmelzend sind chinesische Desserts eben nicht.
Das ist erstaunlich, denn Rohr-Zucker wurde vor rund zehntausend Jahren in Borneo domestiziert und trat über Indochina, China und Indien den Siegeszug rund um die Welt an. Zum ersten Mal erwähnt wurde der Zucker vor fünfzehnhundert Jahren in einem indischen Dokument. Und erst vor fünfhundert Jahren hielt Zucker zunächst sehr, sehr langsam Einzug in die europäische Küche dank der christlichen Seefahrt mit Christophorus Columbus oder Bartolomeo Diaz. Zucker bildete zusammen mit Baumwolle vom 16. bis 18. Jahrhundert mit Plantagen und Sklavenhandel die wirtschaftliche Grundlage des unaufhaltsamen Aufstiegs Europas zur Weltmacht.
Dass Zucker besonders unter Kindern sehr beliebt ist, ist kein Geheimnis. Zucker ist in Lebensmitteln heute fast allgegenwärtig. Nicht von ungefähr hat der amerikanische Sozialhistoriker William J.Bernstein in seinem Buch "A Splendid Exchange. How Trade shaped the World" die weisse oder braune Köstlichkeit als das “Heroin der Lebensmittel" bezeichnet.
Als Zuckersüchtiger, sozusagen, muss man in China freilich nicht auf Entzug. Besonders jetzt in der globalisierten Wirtschaft gibt es im Reich der Mitte alles, was das vom Zucker abhängige Herz begehrt. Schokolade, kreiiert von belgischen und schweizerischen Chocolatiers bis hin zur feinsten und ausgetüfteltsten Patisserie ist in teuren Confiserien und Sternen-Restaurants alles zu haben. Selbst Zuger Kirschtorte.
Für mich jedoch ist die Mutter aller Torten die Sachertorte. Zu kaufen da und dort in Pekinger Feinkostgeschäften. Die Torten sind gut, aber natürlich nicht so gut wie in Wien bei k.u.k. Hofzuckerbäcker Demel oder im Hotel Sacher. Denn dort hat die Torte Tradition. Bereits im 18. Jahrhundert wurde etwas Ähnliches in Österreich kreiert, wie Gartler-Hickmanns "Wienerisches bewährtes Kochbuch" anno domini 1749 zeigt. Dank dem grossen Diplomaten Fürst Metternicht wurde dann 1832 die definitive Sachertorte "erfunden".
Schleckmaul Metternich beauftragte die Hofküche, für eine Einladung mit hochrangigen Gästen einen besonderen Nachtisch auf den Tisch zu zaubern. Der Chefkoch war krank und sein 16 Jahre alter Lehrling Franz Sacher übernahm die anspruchsvolle Aufgabe. Wie sich herausstellte zur vollen Zufriedenheit des Auftraggebers Metternich. Der Rest ist, wie es so schön heisst, Geschichte. Heute ist die Sachertorte wohl die bekannteste kulinarische Spezialität Österreichs.
Die beste, die ultimative Sachertorte freilich habe ich nicht in Wien verköstigt, sondern in Peking. Nicht vom Feinkostladen gekauft oder in einem Sternen-Restaurant gekostet, sondern ganz privat. Brigitte de Mas (Bild) heisst die Köchin. Sie arbeitet auf der österreichischen Botschaft in Peking (nicht als Köchin, notabene), kennt die Welt, spricht x Sprachen, und eben, sie kocht, wie es nur wenige können.
Hier das Rezept, aufgezeichnet von Brigitte de Mas – e Guete!!
Sachertorte mit Pariser Crème
Die Grundrezepte stammen von Franz Maier-Bruck aus dem
"Grossen Sacher Kochbuch - die österreichische Küche", herausgegeben 1975
bei der Schuler Verlagsgesellschaft mbH, Herrsching.
Die Torte
Zutaten:
• 130 g Butter
• 110 g Puderzucker
• 1 Briefchen Vanillezucker
• 6 Eidotter
• 130 g Kochschokolade (am besten schmeckt die Manner Chocolade)
• 6 Eiweiss
• 110 g Kristallzucker
• 130 g Mehl;
• Marillenmarmelade (ausserhalb Österreichs heisst das Aprikosenkonfitüre)
Zubereitung:
Die weiche Butter wird mit Puderzucker und Vanille flaumig gerührt, einzeln werden die Eidotter hinzu gefügt und danach die dickflüssige Schokolade (siehe Tipp 1) eingerührt. Dann werden die Eiweiss zu Schnee geschlagen, den Kristallzucker erst gegen Ende beigeben und weiter schlagen, bis der Schnee im umgedrehten Gefäss nicht mehr ausfliesst. Mit dem Schneebesen unter die Butter-Dotter Schokolademasse rühren. Anschliessend das gesiebte Mehl vorsichtig mit dem Schneebesen darunterheben.
Nun kann man die Masse in die vorbereitete – gebutterte und mit Mehl gestaubte – Tortenform (24 cm) geben, eventuell den Boden der Form mit Pergamentpapier belegen. Die Torte wird in das vorgewärmte Backrohr auf den Gitterrost geschoben und mit etwa 170 Grad mittlerer Hitze eine Stunde gebacken.
Nach dem Auskühlen nimmt man die Torte aus der Form, indem man mit einem dünnen Messer innen entlang der Form schneidet und dann das Backpapier abzieht. Die Torte wird in der Mitte mit einem langen Messer quer durchschnitten (siehe Tipp 2), der Tortenboden mit fast der Hälfte der Pariser Creme bestrichen, dann die obere Tortenhälfte darauf gesetzt. Nun wird die Torte mit einem gehäuften Esslöffel feiner Marillenmarmelade (ohne Fruchtstücke) bestrichen, darauf und entlang des Tortenumfangs wird die restliche Creme verteilt.
Die Torte sollte unbedingt eine Nacht im Kühlschrank verbringen – gut geschützt durch ein passendes Behältnis. Kurz vor einer Geburtstagsfeier kann die Torte mit leicht gesüsstem Schlagobers unter Verwendung einer Dressiertüte mit Rosetten verziert werden, in die je eine Rumkugel oder anderes Schokokonfekt gesetzt wird.
Pariser Crème
Zutaten:
• 250-300 ml Obers
• 200 g Manner Kochschokolade
• etwas Rum
Das Obers wird in einem kleinen, etwas höheren Kochtopf gegeben, ebenso die Schokolade, und auf der Herdplatte oder über der Gasflamme unter ständigem Rühren mit einem Schneebesen zum Kochen gebracht. Sobald die Obers-Schoko-Mischung (siehe Tipp 3) sprudelt, "einen Schuss" Rum – am besten Stroh Rum, 60° oder 80° – dazugeben und noch ein paar Sekunden unter Rühren aufkochen lassen.
Vom Feuer nehmen, auskühlen lassen und danach noch ca. zwei Stunden in den Kühlschrank stellen.
Mit dem elektrischen Handrührgerät bis zur passenden Creme-Konsistenz aufschlagen, es dauert meist nur ein bis zwei Minuten, die vorher dunkelbraune Masse wird hellbraun und cremig.
Tipp 1: Zum Schmelzen der Schokolade diese nicht zerkleinern, sondern im Ganzen auf den Boden einer beschichteten Omelettepfanne legen, kochendes Wasser darüber giessen und ein paar Minuten warten. Die Pfanne nehmen, das Wasser abgiessen, die Schokomasse mit einem breiten Messer zurückhalten und rasch direkt in die Butter-Zucker-Dottermasse einrühren. Das ist die praktischste, schnellste und schonendste Art, Schokolade zu schmelzen – und vielfach erprobt.
Tipp 2: Wie setzt man den Tortendeckel wieder genau passend auf den Tortenboden, damit Unebenheiten beim Durchschneiden nicht zu einer schiefen Torte führen: Man markiert mit zwei Zahnstocherhälften an der Seite die gleiche Stelle von Boden und Deckel, man darf aber nicht vergessen, nach dem Aufsetzen des Deckels auf die mit Creme bestrichene untere Tortenhälfte die Zahnstocherteile wieder zu entfernen.
Tipp 3: Das richtige Mengenverhältnis Obers/Schokolade sollte bei derPariser Creme jede Köchin bzw. jeder Koch selbst herausfinden, durch Zugabe von mehr oder weniger Obers bzw. Schokolade. Ob die mit der Torte Beschenkten mehr das Schokoladige oder das Schlagobers-Cremige schätzen – diese Torte macht glücklich.
23. Januar 2012