Werbung

Peter Achten: Brief aus ...

<< [ 1 | (...) | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 | (...) | 59 ] >>

... Tashkent: Trämli für Kaltduscher

Es gibt viele Arten, eine Stadt zu erkunden. Die beste, bei weitem, ist die Methode des Fussmarsches. Auf den Geschmack gekommen bin ich schon früh. Der knapp sieben Jahre alte Peterli verliess auf seiner allerersten Entdeckungsreise das Kleinbasel (für Nicht-Basler: das mindere Basel jenseits, nördlich des Rheins). Per Pedes über die Mittlere Brücke zum Marktplatz. Bestaunen des Rathauses, dann ab in die Gegenrichtung Hügel aufwärts zum Spalenberg. Endstation war der Polizeiposten Lohnhof. Dort tauchte nach einiger Zeit Peterlis Mutter erleichtert auf. Nie mehr!! Das versprach Peterli unter tränenreichem Schluchzen. Doch er konnte es nicht lassen. Weder als Peterli und noch viel weniger als Peter.

Zugegeben, zu Fuss unterwegs zu sein, ist in manchen Städten mühsam, weitläufig. In Peking etwa, in Ho-Chi-minh-Stadt (Saigon) oder Caracas. Anders ausgedrückt: Wer New York Manhatten nur mit der Metro oder dem Caby er-fahren hat, verpasst Wesentliches. Zu Fuss sieht man einfach mehr, so die Erfahrung, kommt mit Leuten in Kontakt, kann an einer Ecke stehen oder – wie Mitte Oktober im noch immer sommerlichen Tashkent auf der legendären Seidenstrasse – in einem Cafe sitzen bleiben, Leute, Situationen, den Fluss des Verkehrs beobachten. Oder – türkischen Kaffee schlürfend – diesen Brief aus Tashkent zu Papier bringen. Wie alle Briefe, echt, mit Füllfeder auf weisses Papier natürlich ...

Die zweite Art, eine Stadt zu erobern, ist das Trämli. So vorhanden, natürlich. In der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi haben die französischen Kolonialisten ein Trämli gebaut. Heute sieht man da und dort im Asphalt noch einige Schienen-Überreste. Mangels öffentlichen Verkehrsmitteln steht der Verkehr in Hanoi kurz vor dem Kollaps. Motorräder und Roller, seit wenigen Jahren immer mehr Autos und mittendrin das öffentliche Verkehrsmittel Bus, hoffnungslos im Stau wie alle andern.

In Tashkent, der Hauptstadt von Usbekistan, aber verkehren neben einer Untergrundbahn, Motor- und Trolley-Bussen sowie Taxis auch Trämli. Es sind nicht Luxusträmli wie in Basel (grün), Zürich (blau), Bern (rot), sondern alte, uralte Trämli (weiss-grün) aus kolonial-sowjetischer Zeit. Sie schütteln und rütteln sich auf  Breitspur voran. Nicht dass das Tashkenter Trämli sehr populär wäre, denn meist verirren sich ausserhalb der kurzen Stosszeit am Morgen und Abend tagsüber nur wenige Passagiere – wenn überhaupt – in die geräumigen Fahrzeuge. Tashkenterinnen und Tashkenter bevorzugen Busse. Aber auch Privatautos, in denen jedermann und jedefrau gegen ein kleines Entgelt mitfahren kann. Das funktioniert erstaunlich gut. Nachahmung empfohlen.

Auch die monumentale Metro – schönere Exemplare gibt's nur noch in Moskau und in Pjöngjang (Nordkorea) – mit einer grünen, roten und  blauen Linie ist, dem geringen Zuspruch des werten Tashkenter Publikums nach zu schliessen, nicht gerade populär. Es ist wie beim Tram keineswegs eine Frage des Preises. Bus, Tram, Metro – einerlei, alle sind vergleichsweise gleich billig oder gleich teuer. Ein Tram-Billet, ob nun eine oder x Stationen kostet 400 Son oder umgerechnet 25 Rappen, Kaufkraft bereinigt – das heisst, den Tashkenter Durchschnittslohn in Betracht ziehend – wären das etwa anderthalb bis zwei Franken.

Meine Tashkenter Lieblingslinie ist die Nummer 25. Sie verkehrt im Zentrum auf der Navoiy-Strasse Richtung Westen und kurvt mit Getöse – nicht ganz so laut wie einst das Basler Trämli, Trämli, Trämli am Steinenberg beim Stadttheater und Tinguely-Brunnen – auf die Amir-Temur-Strasse Richtung Nord. Kilometer um Kilometer um Kilometer am Fernsehturm vorbei an die Stadt-Peripherie.

An der Endstation gönnt sich Tramführer Jurij fünfzehn Minuten Pause. Wir kommen ins Gespräch. Meine spärlichen Russisch-Kenntnisse reichen knapp. Doch, sagt Jurij, der Job gefalle ihm – choroscho –, auch wenn er nicht gerade gut bezahlt sei, aber es reiche. Das Trämli sei zwar alt, gewiss, aber stabil und zuverlässig.

Wir rattern am Fernsehturm, Regierungsgebäuden und dem Goethe-Institut vorbei ins Zentrum zurück. Hin und wieder betätigt Jurij die schrille, durch Mark und Bein gehende Warnklingel. Nicht zu überhören selbst im dichten Stossverkehr. Fussgänger und Autos lassen sich nicht zwei Mal bitten. Im Tram nicht eine einzige Reklame. Was für eine Wohltat. Dafür Radio. Vom Führerstand wechselt Jurij an und ab die verschiedenen Programme des Staatssenders. In zackiger, lauter Fahrt telephoniert Jurij auch ungeniert mit seinem Handy oder steckt sich eine Zigarette an.

An der Endstation der Linie 25 ist Mittagspause. Wir essen in einer Strassenkneipe Kebab mit Fladenbrot, Gurken, Tomaten, Eiern. Dazu – nein, natürlich nicht Bier oder Wodka – sondern Kola. "Alkohol im Dienst, nie", sagt Jurij lachend, "aber wie du gesehen hast Nikotin".

Summa summarum: Eine Fahrt auf der Tashkenter-Linie 25 für 25 Rappen ist fast so gut wie ein Fussmarsch. Besser noch: im Unterschied zu den High-Tech-Trämli ist das weiss-grüne in der usbekischen Hauptstadt noch ein Trämli für heroisch-krasse Kalt-Duscher. Und selbstverständlich Duscherinnen.

26. Oktober 2009
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
(Mails ohne kompletten Absender werden nicht bearbeitet)
Peter Achten, geboren 1939 in Basel, lebt und arbeitet in Peking (Beijing). Er ist seit 1967 journalistisch tätig. Seine Karriere begann er bei "National-Zeitung" und "Basler Nachrichten" als Lokalredaktor, arbeitete später als Radio-Korrespondent aus Madrid. 1974 wechselte er zum Schweizer Fernsehen, wo er Produzent / Moderator der "Tagesschau" und Mitglied der Chefredaktion wurde. Mit Sitz in Beijing, Hanoi und Hongkong arbeitete Achten ab 1986 als Fernost-Korrespondent für Schweizer Radio DRS sowie verschiedene Schweizer Tageszeitungen. Zwischen 1990 und 1994 war er in Washington USA-Korrespondent für SF DRS. Von 1997 bis 1999 war er Chief Representative für Ringier in Vietnam. Von 1999 bis 2008 war Peter Achten Asienkorrespondent für Schweizer Radio DRS sowie für Ringier-Titel und Chefredaktor des Wirtschaftsmagazins "China International Business". Spektakulär waren seine Radio-Reportagen über den blutig niedergeschlagenen Volksaufstand im Frühjahr 1989 auf dem Tiananmen-Platz in Beijing, den Tsunami in Banda Acah 2004 und den Zyklon in Burma 2008. Heute arbeitet PA als freier Asien-Korrespondent mit Sitz in Peking. © Foto by OnlineReports.ch

mailto:peter.achten@usa.net

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)

www.onlinereports.ch
© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.

Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigenen Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.

 

https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif
"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif

Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

Werbung






In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).