... Moskau: De Gustibus
"Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen", pflegen wir alten Chinesen zu sagen. Oder war es die alten Griechen? Oder gar schon die alten Ägypter, Mesopotamier, Hethiter? Einerlei. Fast jedenfalls. Denn wie der kluge, humanistisch gebildete OnlineReports-Leser und die ebenso kluge, eventuell mathematisch-naturwissenschaftlich gebildete Leserin weiss, stammt das geflügelte Wort aus sehr viel jüngerer Zeit. Von Matthias Claudius (1740-1815) nämlich. Das Zitat freilich ist unvollständig, fügte doch Claudius noch den Satz hinzu: "Drum nähme ich den Stock und Hut und tät das Reisen wählen".
Ohne Stock und Hut jedenfalls stand ich neulich eines Morgens – womit wir bei der Reise wären – auf dem Flughafen Domodedovo in Moskau. Der Zufall wollte es, dass ich auf der Seidenstrasse in Usbekistan unterwegs einen kurzen Abstecher in die Schweiz machen musste. Von Buchara aus bot sich als einzige Variante nach Downtown Zurich nur der Weg über Moskau an. Die Usbekistan Airlines brachte mich wohlbehalten ans Ziel. Der Service an Bord war Swissair-verdächtig, also sehr gut, das Fluggerät vom feinsten und die Uniformen des fliegenden Personals so schön und modern wie einst bei der Swissair oder jetzt der Swiss. Allein der Flugstil war, wollte mir scheinen, bei Anflug und Landung noch etwas gar sowjetisch-militärisch beeinflusst.
Domodedovo war eine positive Überraschung, will sagen klein, übersichtlich, zu einem Gate rein, zum andern raus. Ähnlich wie Wien Schwechat etwa oder Genf Cointrin oder noch besser Bern-Belp. Und ungleich den architektonisch aufgepeppten Riesenmonster von Frankfurt bis Bangkok, über Paris Charles de Gaulle oder London Heathrow bis hin zu New York, Tokio, Hongkong und wie sie alle heissen. Dort sind beim Umsteigen nämlich nicht Sprint-, sondern Langstreckenläufer-Qualitäten gefragt.
In Moskau also, wie gesagt, zu einer Türe raus, zur andern rein. Im Falle von Swiss LX1327 war das Abfluggate Nummer 7. Ich war etwas früh dran. Eine Crew wurde durchs Gate gelotst. Dünkelst blaue Uniformen, seltsamer Schnitt, undefinierbarer Stoff; der Kapitän hielt eine Mütze unterm Arm geklemmt, die stilistisch aus einem Mix von Wehmacht- und US-GI-Uniform bestand. Na ja, dachte ich, vielleicht Air Moldova oder sonst eine unbekannte Ariline aus Osteuropa oder Zentralasien.
Mitnichten. Es war die Swiss-Crew. Wie mir auf dem Weg nach Zürich eine freundliche Stewardess – exgüsi "Flugbegleiterin" – geduldig erklärte, sei das die neue, in der Schweiz entworfene Uniform. Modisch vielleicht, aber nicht modern und stilsicher. Hoch über den Wolken spielte das keine grosse Rolle mehr. Swiss hat zwar die Uniformen verschlimmbessert, nicht aber den Service. Da ist Swiss noch immer Weltklasse. Vielleicht nicht ganz so gut wie unser aller Roger F., aber gewiss in den Top Five, schätze ich.
Dass ich den Uniformwechsel vom Dezember 2009 nicht mitbekommen habe, liegt daran, das Swiss seit sieben Jahren den Mittelpunkt der Welt – erraten: Peking – nicht mehr anfliegt. Deshalb meist Lusthansa, wie Schweizer die Swiss-Muttergesellschaft Lufthansa liebevoll nennen. Das wird sich, so wollen es die allerneuesten Pekinger Gerüchte, bald ändern. Nicht die Uniform selbstverständlich, sondern der neue Swiss-Anflug nach Peking.
Im übrigen: Vielleicht ist es bei den Uniformen so wie beim Essen. De gustibus non est disputandum.
29. November 2010
"Das überhebliche Lächeln vergeht"
Statt die üblichen politischen und wirtschaftlichen Berichte in den Medien darf ich in Peter Achtens Briefen von den Menschen in Peking und China lesen. Dabei kann einem überhebliches Lächeln vergehen und zunehmender Achtung Platz machen. Hervorragend!
Karl Riwar, Full-Reuenthal