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Das "Energie-Mekka" versinkt im Chinaschilf

Das erste Schweizer Bio-Kraftwerk renommierter Planer geriet zum Flop


Von Peter Knechtli


Im Energie-Pionierkanton Baselland hätte das erste schweizerische Bio-Kraftwerk in Betrieb gehen sollen. Doch die prominent geplante und öffentlich stark subventionierte Anlage ging in die Binsen.


Der frühere Baselbieter Volkswirtschaftsdirektor Werner Spitteler (SVP) galt als äusserst lernfähig. Jeden Erkenntnisgewinn "sog er auf wie ein Schwamm" (so ein damaliger Regierungskollege). Manchmal aber, etwa wenn er via Tachionenkonverter Nutzenergie gewinnen wollte, verwischten sich Realität und Fiktion.

Eine Vision umtrieb Spitteler auch in der Landgemeinde Ormalingen, die ihm als "Mekka der Energie-Szene" vorschwebte. Dank der Fähigkeit, mit seiner Begeisterung andere zu entflammen, stand das "gesamtschweizerische Pilot- und Demonstrationsprojekt" (so der damalige Anspruch) schon bald nach dem Spatenstich am 17. Mai 1994: Ein mit Holzschnitzeln und Chinaschilf gefüttertes Bio-Kraftwerk soll für 100 Liegenschaften sowohl Wärme als auch Dampf und Elektrizität produzieren. Mit diesem lokalen Energieverbund könnten jährlich 800'000 Kilogramm Heizöl eingespart werden, jubilierten die Promotoren. Kosten: Rund acht Millionen Franken.

Fest mit Maloya gerechnet

Doch die monumentale Wärme-Kraft-Koppelungsanlage geriet zum Fiasko: Die Stromproduktion scheiterte - aus kaum nachvollziehbaren Gründen. Die Genossenschaft Energieversorgung Ormalingen (Gevo) als Initiatorin hatte fest mit der Pneufabrik Maloya als Grossabnehmerin von Prozesswärme gerechnet, obschon sie noch in der Planungsphase ihren Betrieb einstellte und ein neuer Grossabnehmer fehlte. Die Projektanten hatten es unterlassen, die Dampflieferung als Basis der Stromproduktion durch langfristige Absatzverträge abzusichern, wie der Ormalinger Gemeindepräsident und damalige Gevo-Präsident Edy Weisskopf heute einräumt.

Auch bei der Auswahl der Brennstoffe fehlte dem Management die Fortüne: Die Verbrennung von Holzschnitzeln und Chinaschilf führte zu massiven Störungen, weil die Asche ständig die Heizanlage verglaste. Folge: Die Verbrennung von Chinaschilf wurde eingestellt.

"Alles lief schief"

"An diesem Projekt lief alles schief, was schief laufen konnte", tönt es bitter an der Kundenfront. Denn damit die nur gerade 50 angeschlossenen privaten, gewerblichen und kommunalen Liegenschaften, darunter ein Altersheim, nicht in eisiger Kälte erstarren, wird diesen Winter behelfsweise mit Öl geheizt.

Die Wärmebezüger fühlen sich verschaukelt: "Wir wollten eine umweltfreundliche Energieform unterstützen", ärgert sich eine Betroffene, "jetzt wird mit Öl gefeuert und auf Anfang Jahr erhielten wir erst noch eine 10prozentige Preiserhöhung".

"Es gab immer wieder warnende Signale, aber sie wurden nicht zur Kenntnis genommen", weiss ein Projektbeobachter. Auch der Chefbeamte Peter Stucki, in der kantonalen Bau- und Umweltschutzdirektion für Energie zuständig, hatte "von Anfang an Zweifel". Noch vor dem Spatenstich liess er beim unabhängigen Zürcher Energie-Ingenieur Ruedi Bühler ein provisorisches Gutachten einholen, das "Reports" aus anderer Quelle vorliegt. Darin brachte der Experte mehrfache unübersehbare Vorbehalte am Projekt an. "Die Verwendung einer wechselnden Mischung von Holzschnitzeln und Chinaschilf lässt erhebliche zusätzliche Probleme erwarten", heisst es beispielsweise in einer Passage. "Dass man Chinaschilf so nicht verbrennen kann, war von Anfang an klar. Und das hätte man auch wissen können", meint Bühler heute.

Mangelhafte Kontrolle

Bühlers Einwände freilich gingen im Begeisterungslärm unter, die Planer und Ingenieure von "Dr. Eicher+Pauli AG" reagierten unwirsch. Heute präsentiert sich ihnen die Rechnung. Peinlich: Hanspeter Eicher, Firmenpartner des Projektverantwortlichen Hans Pauli, ist ausgerechnet vom Bund beauftragter Leiter des Ressorts "Regenerierbare Energien" des Aktionsprogramms "Energie 2000".

Auch mangelnde unternehmerische Kontrolle und Filz machten sich in der Euphorie-Genossenschaft breit: Ingenieur Pauli gehörte als Auftragnehmer zeitweise auch ihrem Vorstand an. Doch der ungestüme Planer Pauli liess sich auch durch frühe kritische Berichte der Lokalzeitung "Volksstimme" nicht beirren. Noch im April 1995 verfasste er zuhanden der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften eine völlig unkritische "Projekteingabe", die sich heute wie ein Traumbuch liest, die Akademie aber offensichtlich beeindruckte: Sie zeichnete das Projekt mit einem opulenten Preis von 170'000 Franken aus.

Weit über eine Million Franken flossen auch aus Bund und Kanton in das Negativ-Exempel: Baselland sicherte 500'000 Franken zu, behielt bisher aber 100'000 Franken zurück; das Bundesamt für Energie sicherte 480'000 Franken zu, sperrte aber die letzten 80'000 Franken. Zusätzlich offerierte der Bund der Gevo ein zinsloses Darlehen von 400'000 Franken. Mehr noch: Bund und Baselland sprachen auch rund eine Viertelmillion Franken für lufthygienische Messprogramme, sperrten jedoch ebenfalls einen Teil dieser Kredite.

EBL übernahm Aktienmehrheit

Brisant: Der Baselbieter Förderbeitrag war klar an die Realisierung zweier Etappen geknüpft - den Strombereich und die Prozesswärme an Maloya inbegriffen. Der Energiebeamte Peter Stucki ernüchtert: "Die heutige Anlage entspricht nicht dem Beschrieb, der unserem Subventionsentscheid zugrunde lag."

Den Verwaltungen ist die Zahlungslust mittlerweile vergangen. Daniel Binggeli, Sachbearbeiter des Bundesamts für Energie, über die Rest-Subventionen: "Da wird sehr wahrscheinlich nichts mehr passieren." Dass die mittlerweile in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Genossenschaft nicht bankrott ging, hat sie dem Energieverteiler Elektra Baselland zu verdanken, der Aktienmehrheit und Führung übernahm. Kadermann Beat Andrist, der früher selbst vergeblich vor einem betriebswirtschaftlichen Debakel warnte, ist jetzt Präsident und Nothelfer der Gevo.

Kommenden Freitag will er dem Verwaltungsrat drei Sanierungsvarianten zum Entscheid vorlegen. Im Vordergrund steht die Stilllegung des Strombereichs mit Turbine und Generator und die Fortführung der Anlage als profane Holzschnitzelfeuerung. Aus diesem Szenarium ergibt sich laut Fachleuten eine Fehlinvestition von gegen vier Millionen Franken.

11. März 1998


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